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Schlagwort: Enzyklika

„Was ganz konkret und naheliegend ist“

Veröffentlicht am 8. Oktober 20208. Oktober 2020
Text für stürmische Zeiten Ort der Inspiration: Assisi

Es ist ein Text für stürmische Zeiten. Eine Pandemie, inmitten von Finanzkrisen und Schuldenspiralen, inmitten von ökologischen Desastern und globaler Erwärmung, die uns alle gefährdet: wie soll ein gläubiger Mensch darauf reagieren? Politisch, sagt Papst Franziskus. So zumindest habe ich seine neue Enzyklika in meiner ersten Betrachtung genannt.

Ich könnte auch träumerisch-realistisch sagen, das träfe es genauso. Angesichts der Stürme um uns nimmt die Tendenz zu, sich nur um sich zu kümmern. Das geschieht entweder unter dem Deckmantel des Liberalismus oder dem des Populismus. Beides beschädigt aber unsere Gewissheit, Teil einer einzigen Menschheit zu sein. Gerechtigkeit und Frieden rücken so in weite Ferne, anstatt unter möglichen Lösungen für unsere Probleme aufzutauchen (FT 30).

Text für stürmische Zeiten

Der Weg, den der Papst vorschlägt: erstens träumen, zweites ganz praktisch handeln. Beides gehört zusammen. Franziskus ist kein Träumer, der fern von der Realität Utopien verfolgt. Träume müssen sich verwirklichen lassen, sonst bleiben sie formal (FT 219). Und hier kommt nun der Samariter ins Spiel: er handelt ganz praktisch. Er tut was.

„Wir können von unten, bei einer Sache beginnen und für das kämpfen, was ganz konkret und naheliegend ist, und bis zum letzten Winkel des eigenen Landes und der ganzen Welt weitergehen – mit der gleichen Sorgfalt, mit der sich der Reisende von Samaria jeder einzelnen Wunde des verletzten Menschen annahm. Suchen wir die anderen, und nehmen wir die uns aufgetragene Wirklichkeit in die Hand, ohne Angst vor Schmerz oder Unvermögen, denn dort liegt all das Gute verborgen, das Gott in das Herz des Menschen gesät hat.“ (FT 78)

Hier wird Nächstenliebe politisch, die Welt prägend.

Politische Nächstenliebe

Aber braucht es dafür überhaupt Nächstenliebe? Reicht nicht das Recht, oder ist das Recht nicht sogar die bessere Grundlage, weil nicht auf Emotion gebaut? Das ist eine Kritik an der Enzyklika. Franziskus will aber keine abstrakte Weltordnung schaffen. Er beobachtet und benennt die Schwächen er gegenwärtigen, setzt dann aber eine Motivation dagegen. Einen inneren Motor, der allen Menschen eigen ist, wenn sie nicht um sich selber kreisen: die Geschwisterlichkeit. Das Zusammen-Gehören.

Und genau das wird für Christinnen und Christen im Samariter sichtbar. Nur so, konkret und handelnd, entsteht das „Wir“.

„Wir werden immer neu gerufen, obwohl es auch als  grundlegendes Gesetz in unser Sein eingeschrieben ist: dass die Gesellschaft sich auf den Weg macht, um das Gemeinwohl zu erstreben, und von dieser Zielsetzung her seine politische und soziale Ordnung, sein Beziehungsnetz und seinen Entwurf des  Menschen immer neu gestaltet. Mit seinen Gesten hat der barmherzige Samariter  gezeigt, dass die Existenz eines jeden von uns an die der anderen gebunden ist: das  Leben ist keine verstreichende Zeit, sondern Zeit der Begegnung.“ (FT 66)

So entsteht ein „Wir“

Und so verlässt die Nächstenliebe auch den Status einer reinen Predigt, nett und ungefährlich. Wie seit Jahren schon die Barmherzigkeit wird auch die Nächstenliebe bei Papst Franziskus weltgestaltend und praktisch. Dazu enthält die Geschichte vom Samariter auch eine deutliche Kritik an Religions-Praxis:

„Bei jenen, die vorbeigehen, gibt es eine Besonderheit, die wir nicht übersehen dürfen: Sie waren religiöse Menschen. Mehr noch, sie widmeten sich dem Gottesdienst: ein Priester und ein Levit. Das ist eine besondere Bemerkung wert: Es weist darauf hin, dass die Tatsache, an Gott zu glauben und ihn anzubeten, keine Garantie dafür ist, dass man auch lebt, wie es Gott gefällt. […] Es gibt hingegen Weisen, den Glauben so zu leben, dass er zu einer Öffnung des Herzens gegenüber den Mitmenschen führt, und dies ist Gewähr für eine echte Öffnung gegenüber Gott. Der heilige Johannes Chrysostomus hat diese Herausforderung für die Christen mit großer Klarheit zum Ausdruck gebracht: »Willst du den Leib Christi ehren? Dann übersieh nicht, dass dieser Leib nackt ist«.“ (FT 74)

Selbstkritik der Religion

Die Enzyklika will ausbuchstabieren, was das nun heißt, Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit zu praktizieren. Das geschieht nicht von selbst Es ist auch nicht selbstverständlich, selbst wenn ‚Nächstenliebe‘ ein beliebter Predigtbegriff ist. 

Aber wo soll man anfangen? Franziskus antwortete mit einer katholischen „Sowohl-als-auch“-Strategie: träumen und konkret handeln. Und daran schließt der Papst dann die Sätze an, die vor allen anderen auch in der Kirche selber abgelehnt werden, Sätze aus der katholischen Soziallehre. Das Recht auf Privatbesitz ist nicht absolut (FT 120). Das Recht von Migranten und Flüchtlingen (FT 129). Die Ungerechtigkeit von Krieg und Todesstrafe (FT 255). Das alle bekommt seine besondere Schärfe.

Da darf und kann die Gemeinschaft der Gläubigen nicht abseits stehen. „Wir dürfen nicht alles von denen erwarten, die uns regieren; das wäre infantil. Wir genießen einen Raum der Mitverantwortung” (FT 77). Da muss auch die Kirche das Wort ergreifen:

„Aus diesen Gründen respektiert die Kirche zwar die Autonomie der Politik, beschränkt aber ihre eigene Mission nicht auf den privaten Bereich. Im Gegenteil, sie kann und darf beim Aufbau einer besseren Welt nicht abseits stehen, noch darf sie es  versäumen, die seelischen Kräfte zu wecken, die das ganze Leben der  Gesellschaft bereichern können“ (FT 276).

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Enzyklika, Fratelli Tutti, Glaube, Papst Franziskus, Politik, Samariter, Solidarität, Wirtschaft29 Kommentare zu „Was ganz konkret und naheliegend ist“

Politische Nächstenliebe: Die neue Enzyklika

Veröffentlicht am 4. Oktober 20204. Oktober 2020
So viel Politik war selten Der inspirierende Heilige: Franziskus. Hier eine Statue in Boston. Foto MK Feeney

So viel Politik war selten. Papst Franziskus schreibt eine neue Enzyklika, eine Sozialenzyklika, aber der Fokus liegt ganz klar auf der Politik. Oder anders formuliert: auf der gemeinsamen Verbesserung unserer Welt. Der Papst will träumen, und zwar von einer neuen Geschwisterlichkeit. Und das gemeinsam mit allen, nicht nur Christinnen und Christen. „Kann die Welt ohne Politik funktionieren? Kann sie ohne eine gute Politik einen effektiven Weg zur allgemeinen Geschwisterlichkeit und zum gesellschaftlichen Frieden finden?“ (FT 176). Nein, kann sie nicht. Also spricht der Papst über Politik.

Kern des Franziskus-Politischen ist einmal mehr der barmherzige Samariter. „Betrachten wir das Modell des  barmherzigen Samariters. Dieser Text lädt uns ein, unsere Berufung als Bürger unseres Landes und der ganzen Welt, als Erbauer einer neuen sozialen Verbundenheit wieder aufleben zu lassen.“ (FT 66) Nächstenliebe ist nicht Wohltätigkeit, sondern aktiver Einsatz. Und aktiver Einsatz, politischer Einsatz, ist kein Zusatz zum Glauben, sondern gehört dazu. Er ist die Option, „die wir wählen müssen, um diese Welt, an der wir leiden, neu zu erbauen“ (FT 67).

So viel Politik war selten

Es gibt die Tendenz in einigen katholischen Zirkeln, den Rückzug und die Abgrenzung zur Welt als den Weg in die Zukunft zu sehen. Das sieht der Papst nicht so. Der Gestaltungswille ist christlich, das Miteinander auch mit anderen ist christlich, nicht die Abgrenzung. Das ist die katholische Lehre.

Nicht, dass das ein Abgleiten ins nur und rein säkular-Politische wäre, die Anker des Christlichen in der Enzyklika sind sehr stark: „An erster Stelle steht die Liebe; was nie aufs Spiel gesetzt werden darf, ist  die Liebe; die größte Gefahr besteht darin, nicht zu lieben (vgl. 1 Kor 13,1-13)“. „ Die Liebe ist das Herzstück jedes gesunden und nicht ausgrenzenden Gesellschaftslebens.“ Auch Liebe ist eben nichts Privates, rein Persönliches, sondern führt auf den Anderen zu. Die Öffnung des Herzens gegenüber den Mitmenschen führt zur Öffnung des Herzens gegenüber Gott.

Liebe öffnet Herzen

Und das führt zum Engagement, zum Willen die Welt besser zu machen, kurz: zur Politik. Vorbereitet hatte er die Gedanken schon seit einiger Zeit. Aber die Enzyklika behandelt nicht nur katholische Soziallehre. Sondern wendet sich vielmehr dem Warum und dem Wie zu. Vor allem: dem gemeinsamen Handeln.

Das Ganze ist ja in der Vergangenheit oft genug schief gegangen. Der Papst nennt die Corona-Krise, aber viel bedeutsamer finde ich die Finanzkrise von 2008, bei der das gemeinsame Scheitern schon sichtbar wurde. Und das ist dem Papst nun Anlass, nach neuen Wegen zu suchen.

Und der führt über das Naturrecht. Diesen Weg waren schon seine Vorgänger gegangen, von allem Benedikt XVI. in seiner Rede vor dem Bundestag. Bei Franziskus klingt das so: „In der Wirklichkeit des Menschen und der Gesellschaft selbst, in deren innerster Natur, gibt es eine Reihe von Grundstrukturen, die ihre Entwicklung und ihr Überleben sichern. Daraus leiten sich bestimmte Forderungen her, die im Dialog entdeckt werden können“ (FT 212). Und dann der Zusatz: „Für Gläubige ist die menschliche Natur als die Quelle ethischer Prinzipien von Gott geschaffen“.

Im Dialog erkennen wir Werte

Ganz wichtig: das neue „Wir“ und die gemeinsamen Werte entstehen nicht über einen falschen Konsens. Nicht über eine Toleranz, die einfach nur in einem Verschonungspluralismus alles nebeneinander gelten lässt. Über den Dialog lassen sich Werte wie Geschwisterlichkeit erkennen, weil sie eben in uns drinnen liegen.

Andersherum formuliert: der falsche Konsens und die falsche Toleranz spielen den Mächtigen in die Hände. „ Der Relativismus ist keine Lösung. Unter dem Deckmantel von vermeintlicher  Toleranz führt er letztendlich dazu, dass die Mächtigen sittliche Werte der  momentanen Zweckmäßigkeit entsprechend interpretieren.“ (FT 206)
Erst der Blick auf das Menschsein und auf unsere Geschwisterlichkeit ermöglicht die Kritik der Machtverhältnisse und der Ausübung von Macht. Das ist eine Aufgabe für die Glaubenden. Und es ist eine Aufgabe auch für die Kirche als solche: „ Aus diesen Gründen respektiert die Kirche zwar die Autonomie der Politik, beschränkt aber ihre eigene Mission nicht auf den privaten Bereich. Im Gegenteil, sie kann und darf beim Aufbau einer besseren Welt nicht abseits stehen, noch darf sie es  versäumen, die seelischen Kräfte zu wecken, die das ganze Leben der  Gesellschaft bereichern können.“ (FT 276)

Kritikfähigkeit

Der Papst kritisiert deutlich die Marktgläubigkeit und eine Finanzwirtschaft, die außerhalb politischer Kontrolle agiert.

Der Papst betont, dass Privateigentum kein absolutes, sondern ein sekundäres Recht des Menschen ist.

Der Papst fordert ganz realistisch eine Reform der internationalen Organisationen, allen voran der UNO.

Der Papst demaskiert die Menschenverachtung der Demagogie. „Wir müssen uns angewöhnen, die verschiedenen Arten und Weisen der  Manipulation, Verzerrung und Verschleierung der Wahrheit im öffentlichen und  privaten Bereich zu entlarven.“ (FT 208)

Der Raum der Mitverantwortung

Vielem von dem werde ich mich hier sicherlich noch im Einzelnen zuwenden. Diese kurze Aufzählung ist aber wichtig, um die Breite des Spektrums der Enzyklika aufzuzeigen. Vor allem ist es wichtig zu betonen, dass das uns alle angeht: „Wir dürfen nicht alles von denen erwarten, die uns regieren; das wäre infantil. Wir genießen einen Raum der Mitverantwortung, der es uns ermöglicht, neue Prozesse und Veränderungen einzuleiten und zu bewirken. Wir müssen aktiv Anteil haben beim Wiederaufbau und bei der Unterstützung der verwundeten Gesellschaft. Heute haben wir die großartige Gelegenheit, unsere Geschwisterlichkeit zum Ausdruck zu bringen; zu zeigen, dass wir auch barmherzige Samariter sind.“ (FT 77)

Die Welt ist in einem schlechten Zustand. Machen wir sie besser, weil das Gottes Wille für uns ist.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, VatikanSchlagwörter Enzyklika, Fratelli Tutti, Geschwisterlichkeit, Glaube, Kirche, Papst Franziskus, Politik, Populismus17 Kommentare zu Politische Nächstenliebe: Die neue Enzyklika

Baut nicht auf Sand!

Veröffentlicht am 23. September 202022. September 2020
angewendete Soziallehre der katholischen Kirche DER Ort der Nächstenliebe und Soziallehre: Assisi

Der Mensch lernt durch Wiederholungen. Ein pädagogisches Prinzip, dessen sich der Vatikan seit einigen Wochen wieder bedient. Es ist bekannt, dass der Papst eine Enzyklika veröffentlichen wird. Die Themen werden bis dahin schon gut vorbereitet: es ist Zeit für die aktualisierte und angewendete Soziallehre der katholischen Kirche.

Seit August etwa spricht der Papst bei den Generalaudienzen Themen der kirchlichen Soziallehre an, Auslöser ist immer die durch Corona ausgelöste oder auch sichtbar gemachte Krise. Er verbindet seine Aussagen zur Soziallehre der Kirche, wie er sie in Laudato Si’ formuliert hat, mit der aktuellen Krise: „Unsere Gesundheit hängt von der Gesundheit der Ökosysteme ab, die Gott geschaffen und die zu hüten er uns aufgetragen hat (vgl. Gen 2,15). Sie zu missbrauchen, ist eine schwere Sünde, die schadet und krank macht (vgl. LS, 8; 66)“.

Angewendete Soziallehre der katholischen Kirche

Oder eine Woche früher: „Die Krise, die wir wegen der Pandemie erleben, betrifft alle; wir können besser aus ihr herauskommen, wenn wir alle gemeinsam das Gemeinwohl suchen. … wenn die Lösungen für die Pandemie Spuren von Egoismus tragen, sei es von Menschen, Unternehmen oder Nationen, können wir vielleicht aus der Coronavirus-Pandemie herauskommen, aber sicherlich nicht aus der menschlichen und sozialen Krise, die das Virus hervorgehoben und akzentuiert hat. Seid also vorsichtig, nicht auf Sand zu bauen (vgl. Mt 7,21-27)! Um eine gesunde, alle Menschen einschließende, gerechte und friedliche Gesellschaft aufzubauen, müssen wir dies auf dem Fels des Gemeinwohls tun.“ Wir kennen unseren Papst, das ist alles schon Vorbereitung auf die Enzyklika, bzw. die Enzyklika wird diese Katechesen dann bündeln.

Aber nicht nur das: der Papst trifft sich mit Menschen, die seine Anliegen teilen. Und die Rede vor der UNO-Genertalversammlung kommt auch noch dazu. Und dann kommt dann nich ein Buch, das ein US-Amerikanischer Verlag schon angekündigt hat. Autor: Papst Franziskus. Titel: Let us dream! Alles umkreist derzeit diesen Themenkomplex, so scheint es.

Umkreisung des Themas

Den Rahmen oder die Entwicklungsspur dafür gibt der Kardinalstaatssekretär des Vatikan, Kardinal Pietro Parolin, in einem langen Interview wieder, er zieht die Linie der Sozialaussagen der Kirche von Benedikt zu Franziskus: „Benedikt sprach [Caritas in Veritate] von einer Ökonomie, in der die Logik des Gebens, das Prinzip der Unentgeltlichkeit, das nicht nur Solidarität, sondern noch tiefer menschliche Brüderlichkeit ausdrückt, Platz finden muss. Franziskus [Laudato Si’] hat das Thema der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung im Kontext einer „integralen Ökologie” wieder aufgegriffen: ökologisch, wirtschaftlich, sozial, kulturell und spirituell.“ Die Soziallehre der Kirche sei eine solide Orientierung, die sich „ständig aktualisiere“. Genau das dürfen wir wohl von der Enzyklika erwarten.

Auch in Deutschland beraten die Bischöfe gerade bei ihrer Vollversammlung unter anderem die Corona-Auswirkungen auf die Kirche und die Antworten aus dem Glauben auf die Probleme, die entstanden sind oder die sichtbar wurden. Genau an diesen Antworten versucht sich der Papst: „Die gegenwärtige Pandemie zeigt, wie sehr wir alle miteinander verbunden sind – im Schlechten wie im Guten. Daher können wir nur gemeinsam und solidarisch diese Krise überwinden. … Solidarität ist mehr als die ein oder andere großzügige Geste. Es geht dabei um eine Mentalität, eine Gesinnung des „Wir“, für die jeder Mensch gleich wichtig und wertvoll ist. Solidarität bedeutet also auch Gerechtigkeit.“

 

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Benedikt, Enzyklika, Laudato Si, Papst Franziskus, Soziallehre15 Kommentare zu Baut nicht auf Sand!

Eine Frage der Einsicht

Veröffentlicht am 24. Mai 202024. Mai 2020
Verantwortung für die Schöpfung Kirche in Manaus, Amazonien, Brasilien

Alles ist mit allem verbunden: wie ein roter Faden oder ein Credo zieht sich diese erst einmal banal klingende Aussage durch den Text, der heute 5 Jahre alt wird: Die Enzyklika Laudato Si’. Dass diese Aussage so banal nicht ist zeigt sich mindestens bei den heftigen Reaktionen, welche gleich zu hören waren und immer noch sind. Man mag das nicht hören, weil der Satz von Verantwortung spricht. Verantwortung für alles, weil alles mit allem verbunden ist. Verantwortung für die Schöpfung.

Es fällt uns allen aber schwer, uns selbst als Verursacher oder Schädiger zu akzeptieren. Dass müssen wir aber, wollen wir diese Grundaussage der Enzyklika Ernst nehmen. Wenn ich in den Debatten um Umwelt, Klima und Zukunft was gelernt habe, dann das: es ist schwer, in sich selbst die Gründe für den Schaden zu erkennen.

Verantwortung für die Schöpfung

Abstrakt nennt der Papst das eine fehlgeleitete Sicht, die uns Menschen ins Zentrum stellt, also herauslöst aus dem Gewebe der Schöpfung. Konkret werdend nennt er es Bekehrung, eine „weltweite ökologische Umkehr“ aller wie auch die „innere Umkehr“ (Nr 216ff).

Wir müssen die Art und Weise, wie wir uns die Welt gemacht haben, korrigieren, wenn die Schöpfung und damit wir selber eine Chance haben wollen. Es geht darum, „die strukturellen Ursachen der Fehlfunktionen der Weltwirtschaft zu beseitigen und die Wachstumsmodelle zu korrigieren, die allem Anschein nach ungeeignet sind, den Respekt vor der Umwelt […] zu garantieren“, zitiert Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI. (Nr. 6).

Respekt!

Und damit geht es um Schöpfung und Auftrag Gottes, es geht um Gerechtigkeit, um die Würde des Geschaffenen, aber auch um die Art und Weise, wie wir miteinander über all diese Dinge sprechen.

Dass der Vatikan nun gleich ein ganzes Laudatio Si’ Jahr zum Thema veranstalten wird, wirkt auf mich fast schon wie eine weiße Fahne. Als ob man eingesehen hätte, dass Die Welt zwar höflich applaudiert – oder vehement widerspricht – sich aber nicht viel getan hat. Man will nichts unversucht lassen, dieses Thema hoch zu halten. Als ob brennende Wälder und dergleichen nicht reichen würden. Erinnern Sie sich noch? Letzten Sommer? Da hat Amazonien gebrannt und alles war aufgeregt. Für wenige Wochen. So wirklich zur Einsicht bewegt hat uns das nicht, von Umkehr mal ganz zu schweigen.

Es ist eine Krise, die uns bleibt. Nicht eine, die absehbar zu Ende geht und wo wir die Einschränkungen aushalten können. Sondern eine, die unsere Lebensweise verändern wird, ob wir wollen oder nicht. Noch können wir selber aktiv werden, noch können wir Dinge ändern, auch wenn uns das vielleicht zunächst nicht passt. Es ist erfreulich, dass Papst und Vatikan die positive Botschaft in den Vordergrund stellen und nicht die Position des Unglückspropheten einnehmen.

Hoffen wir, dass beim zehnten Geburtstag des Textes wir mehr vorweisen können als zu diesen.

 

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, VatikanSchlagwörter Enzyklika, Gerechtigkeit, Laudato Si, Papst, Papst Franziskus, Schöpfung, Umwelt4 Kommentare zu Eine Frage der Einsicht

Die Welt, wie wir sie uns geschaffen haben

Veröffentlicht am 18. Mai 202017. Mai 2020
Komplexe Zusammenhänge Wunderschön, aber wir machen es kaputt: der Regenwald in Amazonien, aufgenommen vor genau einem Jahr

Es ist einfacher, mit dem Finger auf Menschen zu zeigen, als komplexe Zusammenhänge zu sehen, in die man selber möglicherweise drin steckt. Das ist die aktuelle Formulierung eines Problems, das uns Papst Franziskus 2015 auf den Tisch gelegt hat. Christen können sich nicht zufrieden geben mit der Welt, so wie wir sie uns geschaffen haben. Heute müssen wir aktualisierend sagen: dafür tragen aber nicht irgendwelche geheimen Weltregierungen die Verantwortung, sondern wir selber.

Da ist zum einen die Ausbeutung der Natur über die Maßen hinaus, der Earth Overshot Day rückt im Kalender immer weiter nach vorne. Dann ist da die soziale Ungerechtigkeit, die Umverteilung, der Zugang zu den die Welt verändernden Entscheidungen. Und dann ist da die kulturelle Hegemonie, die individuelle Vorteilssuche, die bis in die letzten Regionen der Welt vordringt und Kulturen durchdringt und verändert.

Komplexe Zusammenhänge

Das ist aber nicht unsere – christliche – Welt. Unsere Welt wie wir selber auch verdanken uns Gott. Der Papst gibt uns auf, diese „Logik der Schöpfung“ zu verstehen. Das ist eben nicht die Logik des Besitzens. Besitzen, das bedeutet letztlich auf Nutzen abklopfen. Und was nichts nutzt, kommt weg. Kultur des Wegwerfens lautet eine der immer wieder kehrenden Vorwürfe, die Papst Franziskus seit 2013 unseren Gesellschaften vorwirft, Menschen die keinen verwertbaren Nutzen haben, werden weg-geworfen, wörtlich.

Sprechen wir von der Ausbeutung der Natur:  Der Schutz der Schöpfung ist für Christen nicht optional. So formuliert es Papst Franziskus in Laudato Si’ (LS, 5, 64, 159). Verschmutzung, Klima, Wasser, Biodiversität, immer wieder bezieht sich der Papst ausdrücklich auf Experten, die er zu Rate gezogen hat. Breit aufgestellt ist die Beschreibung der Probleme, die ich hier nicht zu wiederholen brauche. Aber der Kern ist eben seine nicht in allen katholischen Kreisen beliebte Feststellung, dass der Schutz der Schöpfung nicht optional sei. Und dazu braucht es eben sämtliche Wissenschaften.

Unbequem, immer noch

Damit landet der Papst mit einem fünf Jahre alten Text mitten in den aktuellen Debatten von heute. Und bleibt unbequem.

Schon damals hatte es Kritik gehagelt: das sei nicht Kernbestand des Katholischen und so weiter. Da schwingen sich gerne einige zu unfehlbaren Kritikern auf, daran hat sich auch heute nichts geändert.

Dabei führt Laudato Si’ viele christliche Themen zusammen. Über das schon Genannte hinaus die Frage, ob wir Gott ins Zentrum unseres Handelns setzen. Das ist die Frage hinter der Gebetsinitiative, die auf Laudato Si’ aufbaut. Oder die Frage nach dem Lebensschutz, der eben kein ideologisch eng geführter Konflikt ist, sondern viel mehr Dimensionen hat, als es die Kulturkrieger wahr haben wollen.

Gottes Auftrag an uns

Am 24. Mai oder eine Woche später am Pfingstfest wird die Enzyklika nun fünf Jahre alt, je nachdem, wie man zählen will. Die Lektüre lohnt auch heute noch, eben weil so viele Konflikte oder Fragen von heute schon da drin stecken.

Es ging und geht dem Papst um Schöpfung und Geschenk, um Hüten als Auftrag Gottes, es geht um den Sündenfall als Bruch der Balance der Schöpfung und darum, dass die Menschen danach ein Verhältnis zur Wirklichkeit haben, das von Macht und Unterwerfung geprägt ist. Um zerstörerische Wirtschaftsordnung. Um Wegwerfen von Mensch und Schöpfung.

Und so schwer uns das fällt: wir sind daran beteiligt.

Zeit, sich diesen Text noch einmal vorzunehmen. Mit der Brille von heute.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Debatte, Enzyklika, Gerechtigkeit, Jahrestag, Kirche, Laudato Si, Ökologie, Papst Franziskus, Schöpfung5 Kommentare zu Die Welt, wie wir sie uns geschaffen haben

Schutz der Schöpfung ist nicht optional

Veröffentlicht am 15. Mai 201913. Mai 2019
Aussage aus Laudato Si Der Papst in Maldonado, Amazonien/Peru, im Januar 2018. Foto Alessandro de Carolis, (c) Vatican News

Christ zu sein bedeutet, die eigenen Pflichten gegenüber der Natur und dem Schöpfer als Bestandteil des eigenen Glaubens zu sehen. Deshalb müssen Christen die ökologischen Verpflichtungen besser erkennen, die aus ihren Überzeugungen hervorgehen. Der Schutz der Schöpfung ist nicht optional. So formuliert es Papst Franziskus (Laudato Si, N5. 64, 159). Die Aussage aus Laudato Si, der Sozialenzyklika von Papst Franziskus, ist eindeutig.

Im vergangenen Jahr, im Januar 2018, war der Papst in einer Region der Welt, in der dieses Thema besonders relevant ist, in Amazonien. Im Herbst diesen Jahres, im Oktober, wird es Thema der Versammlung der Bischofssynode sein. In diesem Teil der Welt kommen die wichtigen Zukunftsfragen der Kirche zusammen: Armut und Vertreibung, Zerstörung und Ausbeutung, Wegwerfkultur und Schutz des Lebens, Zukunftsfähigkeit konkreter christlicher Gemeinschaften.

Aussage aus Laudato Si

Christsein, an den Schöpfer und Erlöser glauben, hat Folgen, konkrete Folgen. Und am Amazonasgebiet und dessen Problemen kann man das ganz konkret und dringend studieren. Und hier ist Handeln gefragt, deswegen ja auch das Thema der Synode im Oktober.

Nur ist das alles ziemlich weit weg. Wir bekommen zwar viel über Politik mit, kaum aber etwas über die konkreten Lebensumstände, die Kultur, die Probleme. Und wenn das Thema der kommenden Synode in katholischen Medien besprochen wird, dann scheint es nur ein Thema zu geben: Das der verheirateten Priester. Als ob wir entscheiden dürften, was dort debattiert werden muss. Eine Form von Ausbeutung, wenn Sie so wollen, wir wollen wieder einmal bestimmen, was zu tun ist.

Auch das ein Thema, das Papst Franziskus immer wieder nennt.

Form der Ausbeutung

Während Sie diese Zeilen lesen, bin ich deswegen unterwegs, nach Amazonien. Für zwei Wochen darf ich mit dem Hilfswerk Adveniat den nördlichen Teil Brasiliens bereisen, um besser kennen zu lernen, was in der Synode besprochen werden wird. Um nicht nur dieselben europäischen Themen zu beackern.

Ich bin kein Amazonas-Spezialist. Um so wichtiger ist es, gerade hier, wo es um konkrete Dinge gehte, die konkrete Situation kennen zu lernen.

Also bin ich zwei Wochen unterwegs. Bitte sehen Sie mir nach, dass ich nicht immer und dauern online sein kann und Kommentare vielleicht mit etwas Verspätung erscheinen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und VernunftSchlagwörter #SinodoAmazonico, amazonas, Amazonien, Enzyklika, Laudato Si, Papst Franziskus, Papstreise, Schutz, Synode, Umwelt4 Kommentare zu Schutz der Schöpfung ist nicht optional

„Liebe wächst durch Liebe”

Veröffentlicht am 11. Januar 20167. Januar 2016

Mit diesen Zeilen bin ich etwas verspätet, eigentlich jährte sich Erscheinden der ersten Enzyklika von Papst Benedikt XVI. bereits am 25. Dezember zum zehnten Mal. Aber da Jahrestags-Journalismus immer was Künstliches hat blicke ich gerne mit leichter zeitlicher Versetzung auf diesen Text. Wichtig ist und bleibt er auch ohne Jahrestage.

Lehrer in Sachen Gottes- und Nächstenliebe: Benedikt XVI. (hier 2012 in Mailand)
Lehrer in Sachen Gottes- und Nächstenliebe: Benedikt XVI. (hier 2012 in Mailand)

2005 veröffentlichte der im gleichen Jahr gewählte Benedikt XVI. diesen Text, Deus Caritas est. In den Jahren, in denen ich Predigten, Ansprachen, Katechesen und Bücher dieses Papstes berichtet habe, sind mir immer wieder Parallelen zu den Gedanken der Enzyklika aufgegangen. Ob nun Huhn oder Henne zuerst da war ist dabei unerheblich, die Enzyklika hilft dabei, zu verstehen, was es heißt, Christ zu sein. Sie hilft beim Christsein für das 21. Jahrhundert. Schauen wir einfach mal auf den Text.

„Wir haben der Liebe geglaubt: So kann der Christ den Grundentscheid seines Lebens ausdrücken. Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt. … Mit der Zentralität der Liebe hat der christliche Glaube aufgenommen, was innere Mitte von Israels Glauben war, und dieser Mitte zugleich eine neue Tiefe und Weite gegeben. …. Jesus hat (das) Gebot der Gottesliebe mit demjenigen der Nächstenliebe aus dem Buch Levitikus: ,,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst’’ (19, 18) zu einem einzigen Auftrag zusammengeschlossen (vgl. Mk 12, 29-31). Die Liebe ist nun dadurch, dass Gott uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4, 10), nicht mehr nur ein ,,Gebot’’, sondern Antwort auf das Geschenk des Geliebtseins, mit dem Gott uns entgegengeht.“

 

Göttlich und menschlich

 

Mit der Liebe haben wir aber so ein Problem, das Wort ist schillernd, Leidenschaft gehört dazu, Elternliebe, sexuelle Liebe und alles mögliche andere. Zwei Dinge stellt die Enzyklika dazu fest: „Zum einen, dass Liebe irgendwie mit dem Göttlichen zu tun hat: Sie verheißt Unendlichkeit, Ewigkeit — das Größere und ganz andere gegenüber dem Alltag unseres Daseins. Zugleich aber hat sich gezeigt, dass der Weg dahin nicht einfach in der Übermächtigung durch den Trieb gefunden werden kann. Reinigungen und Reifungen sind nötig, die auch über die Straße des Verzichts führen. Das ist nicht Absage an den Eros, nicht seine ,,Vergiftung’’ [Zitat Nietzsche], sondern seine Heilung zu seiner wirklichen Größe hin.“

Also: Liebe ist etwas, was über uns selber hinaus weist. Wenn wir bei uns selber bleiben, dann ist es nicht Liebe, kann man vielleicht sagen. Die Liebe wird „im Zugehen auf den anderen immer weniger nach sich selber fragen, immer mehr das Glück des anderen wollen, immer mehr sich um ihn sorgen, sich schenken, für ihn da sein wollen.“ Aber dazu braucht es auch das geliebt werden, das eine ohne das andere geht nicht.

Zurück zum Christsein: Die Bibel hat ein gegenüber seiner Umwelt anderes Gottesbild vorgestellt, das von Liebe, nicht von Strafe und Rache geprägt wird. Und sie entwickelt beginnend mit der Schöpfung ein Menschenbild, das ebenso von Liebe geprägt ist. Weiterlesen “„Liebe wächst durch Liebe””

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Benedikt XVI., Christentum, Deus Caritas est, Enzyklika, Franziskus, Liebe, Papst, Religion40 Kommentare zu „Liebe wächst durch Liebe”

War da was?

Veröffentlicht am 14. Dezember 2015

Historisch war es. Das konnte man in den vergangenen zwei Tagen fast überall lesen. Ob im dt. Internet oder italienischen Zeitungen, das Klima-Abkommen wird hoch eingeschätzt. Auch wenn man sich nicht einig ist, ob das auch schon wirklich hilft, dass es so ein Abkommen gegeben hat, dass es zu neuen Koalitionen gekommen ist, dass man die 1,5 Prozent-Erwärmungsmarke anpeilt, das alles wird gewürdigt.

Nur geschieht das kaum wahrgenommen. Gleich ob auf deutschen Seiten oder in den genannten italienischen Zeitungen, das Thema landet weit unten. Und wenn ich annehme, dass die Webseiten auf Interesse antworten und ein viel geklicktes Thema oben bleibt, dann kann ich nur annehmen, dass das Interesse daran auch nicht so groß ist.

War da was? Seit Monaten wird darüber gesprochen, was passieren könnte, sollte sich die Welt nicht einigen und sollte die Welt die Mittel nicht finden, die Einigung umzusetzen. Klimaerwärmung würde mehr Flüchtlinge produzieren als die Kriege in Syrien und Irak, und so weiter. Und jetzt interessiert das keinen mehr?

Ok, ich übertreibe, es gibt gute Analysen und Frankreichs politischer Rechtsruck ist ein wichtiges Thema, aber wenn es um Klimawende, Zugang zu sauberem Wasser für alle, um versinkende Inseln und versteppende Gegenden geht, um Umweltdesaster wie jüngst das in Brasilien etc., dann sollte da doch etwas mehr Aufmerksamkeit für heraus springen. Oder bin ich da naiv?

Laudato Si’, die Enzyklika des Papstes, hat im Untertitel ein Wort, was mir dazu einfällt: Sorge. Die Sorge um das gemeinsame Haus, gemeint ist der Planet.

Mir scheint bei der Lektüre der Medien gestern und heute, dass wir weiterhin sorglos sind. Selbst wenn zwei Wochen lang in Paris debattiert wird, wenn die Erwartungen vorher hoch waren, wenn wir wissen, was auf dem Spiel steht. Und diese Sorglosigkeit scheint mir die größte Umweltgefahr zu sein.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Kirche und Medien, Neulich im InternetSchlagwörter COP21, Enzyklika, Klima, Laudato Si, Paris, Umwelt27 Kommentare zu War da was?

Beten ist Handeln

Veröffentlicht am 1. September 201518. August 2015

Der Papst hat unmittelbar reagiert. Der Vorschlag, einen gemeinsamen Gebetstag für die Schöpfung einzuführen, wurde bei der Vorstellung der Enzyklika Laudato Si’ durch den Vertreter der griechisch-orthodoxen Kirche ausgesprochen, und noch in diesem Jahr findet der Tag statt.  Der Papst verliert keine Zeit.

Die orthodoxe Kirche hat den Zeitpunkt vorgegeben, für ihren liturgischen Kalender ist es der Beginn des Kirchenjahres, es ist also der Verweis auf den Beginn, die Schöpfung.
Diese Symbolik geht uns zwar bei diesem Datum verloren, dafür gewinnen wir die Gemeinsamkeit. Es ist ein ökumenischer Schritt. Und die klare Aufforderung des Papstes an Kardinal Kurt Koch, den Ökumene-Verantwortlichen im Vatikan, das auch mit dem Weltkirchenrat zu koordinieren zeigt, dass es nicht nur um die Ökumene mit der Orthodoxie geht.

Dieser Tag ist also heute.

Hilft denn Beten? Einmal abgesehen von theologischen Überlegungen über die Rolle des Gebetes im Leben, über die ich gerne auch einmal etwas hier schreiben möchte und bestimmt auch einmal werde, bleibt auf jeden Fall eine Dimension erhalten. Das Beten verweist auf die Grund-Haltung gegenüber der Umwelt oder Mitwelt. Es verweist darauf, dass wir sie empfangen haben.

„Sich die Erde untertan machen“ wird die Schrift meistens zitiert, Papst Franziskus hat das wiederholt – in seiner Predigt beim Amtsantritt zuerst und dann bis zur Enzyklika immer wieder – als „sich sorgen um“ ausgelegt. Gott bleibt der Herr der Schöpfung, auch wenn sie uns anvertraut ist, könnte man es übersetzen. Wir sind nicht Herren der Schöpfung wie Gott unser Herr ist. Wir stehen neben und inmitten der anderen Geschöpfe.

Das gemeinsame Beten hat nur dann Sinn, wenn ich das akzeptiere. Wenn ich meine, dass ich den Bezug zu Gott brauche und mich in Beziehung zu Gott verstehe, dann drücke ich das im Beten aus. Beten verschiebt nicht das Tun. Es ersetzt es nicht, aber es gibt dem Handeln eine Grundlage.

Beten setzt die Beziehung zu Gott in den Kern des Handelns.

Und damit wäre ja schon einmal ein erster Schritt getan hin zur „ökologischen Umkehr“, wie sie Franziskus fordert. Nicht wir sind die Kategorie, an der sich in der Welt alles entscheidet. Ohne die Beziehung zu Gott geht gar nichts. Auch nicht – und an diesem Gebetstag gerade nicht – unser Einsatz für eine gerechtere Welt.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Ökumene, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Beten, Enzyklika, Franziskus, Handeln, Laudato Si, Mitwelt, Ökologie, Schöpfung, Umwelt7 Kommentare zu Beten ist Handeln

Unsere Generation

Veröffentlicht am 19. Juni 201519. Juni 2015

Drei Mal habe ich jetzt die Enzyklika ganz gelesen, dazu Zusammenfassungen erstellt und studiert, verändert und darüber berichtet. Es gibt eine ganze Menge von Dingen, die mir aufgefallen sind oder die bei mir hängen geblieben sind.

Hier habe ich zum Beispiel einen ersten Eindruck niedergeschrieben.

Was mich aber am nachhaltigsten gepackt hat war ein kurzes Gespräch mit Prof. Schellnhuber, der die Enzyklika ja vorgestellt hat und der Zahlen und Fakten vorgestellt hat. Wir gingen von seinem Hotel nach meinem Interview mit ihm Richtung Vatikan und dabei erzählte er mir vom Zeitfaktor. Nicht mehr viel Zeit hätten wir, vielleicht fünfzehn Jahre. Und bei der Pressekonferenz sagte er dann, dass die angezielten zwei Prozent verkraftbarer Erderwärmung, welche die Politik anstrebt, auch nicht für alle verkraftbar sei. Es sei wie ein menschlicher Körper: zwei Grad mehr ist Fieber, vier Grad mehr ist Tod.

Der Zeitfaktor hat mich bedenklich gestimmt. Denn das bedeutet ja, dass es an uns hängt. Dieser Generation. Hier. Jetzt. An mir.

Da kommt das Sprechen über Verantwortung schnell bei uns im Alltag an. Bei mir im Alltag an, sollte ich sagen. Na dann mal los.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, VatikanSchlagwörter Enzyklika, Franziskus, Klimawandel, Laudato Si, Papst, Schöpfung, Umwelt35 Kommentare zu Unsere Generation

Laudato Si’

Veröffentlicht am 19. Juni 201519. Juni 2015

„Ich hoffe, dass diese Enzyklika, die sich an die Soziallehre der Kirche anschließt, uns hilft, die Größe, die Dringlichkeit und die Schönheit der Herausforderung zu erkennen, die vor uns steht. An erster Stelle werde ich unter bestimm­ten Aspekten einen kurzen Überblick über die aktuelle ökologische Krise geben, zu dem Zweck, die besten Ergebnisse des heutigen Stands der wissenschaftlichen Forschung zu übernehmen, uns davon zutiefst anrühren zu lassen und dem dann folgenden ethischen und geistlichen Weg eine Basis der Konkretheit zu verleihen. Aus dieser Perspektive werde ich einige Hinweise aufgreifen, die sich aus der jüdisch-christlichen Überlieferung ergeben, in der Absicht, unserem Engagement für die Umwelt eine größere Kohä­renz zu verleihen. Dann werde ich versuchen, zu den Wurzeln der gegenwärtigen Situation vor­zudringen, so dass wir nicht nur die Symptome betrachten, sondern auch die tiefsten Ursachen. Auf diese Weise können wir eine Ökologie vor­schlagen, die in ihren verschiedenen Dimensio­nen den besonderen Ort des Menschen in dieser Welt und seine Beziehungen zu der ihn umge­benden Wirklichkeit einbezieht. Im Licht dieser Überlegung möchte ich fortfahren mit einigen ausführlichen Leitlinien für Dialog und Aktion, die sowohl jeden von uns als auch die internationale Politik betreffen. Und da ich überzeugt bin, dass für jede Veränderung Beweggründe und ein erzieherischer Weg nötig sind, werde ich schließlich einige Leitlinien zur menschli­chen Reifung vorschlagen, die von dem Schatz der christlichen spirituellen Erfahrung inspiriert sind“ (Laudato Si, Nr. 15).

Die Enzyklika Laudato Si’ von Papst Franziskus ist am 18. Juni im Vatikan vorgestellt worden, an dieser Stelle sammeln wir die Berichte und Materialien rund um die Veröffentlichung.

Den Text der Enzyklika finden Sie hier, wir haben aber auch einen ersten Eindruck des sehr langen Textes erstellt. Es gibt auf unserer Webseite auch eine sehr ausführliche Zusammenfassung, die Kapitel für Kapitel vorgeht und die Themen erklärt.

Zum Studium gibt es eine Leseschlüssel, die einige Dinge klären hilft.

Ökologie, der Einzelne, die geistliche Dimension und die Frage nach der Macht: Einige Beobachtungen zur Enzyklika von Pater Bernd Hagenkord.

Die Enzyklika ist ein geistlicher Text, was sich auch daran zeigt, dass sie in zwei Gebeten endet: Einem für Menschen, die an einen Schöpfer glauben, und ein zweites für Christen. Die Gebete finden Sie hier.

Bei der Pressekonferenz anwesend waren mehrere Experten, deren Beiträge und Bewertungen wir kurz vorstellen. Karolyn Woo leitet die Caritas in den USA (Catholic Relief Service genannt) und is Ökonomin, sie spricht davon, dass Nachhaltigkeit sich auch wirtschaftlich auszahlt.

Metropolit Johannes Zizoulas von Pergamon von der griechisch orthodoxen Kirche hat die Ökomene vertreten, er schlägt eine geistliche Initiative der Kirchen vor.

Hans Joachim Schellnhuber leitet das Potsdamer Klimainstitut, mit ihm haben wir ein ausführliches Interview zur Enzyklika geführt, der Papst ist wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit, sagt er.

Erste Reaktionen: Der Papst wollte die Ortskirchen in die Veröffentlichung der Enzyklika einbeziehen, wie er auch Wert darauf legt, die vielen Stellungnahmen der verschiedenen Bischofskonferenzen auf der Welt in seine Enzyklika einfließen zu lassen. Hier lesen Sie die Würdigungen aus der Schweiz, von Kardinal Christoph Schönborn aus Österreich und durch Kardinal Reinhard Marx aus Deutschland.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, VatikanSchlagwörter Enzyklika, Franziskus, Klimawandel, Laudato Si, Papst, Schöpfung, Umwelt1 Kommentar zu Laudato Si’

Laudato si’, mi’ signore: Gesang der Schöpfung

Veröffentlicht am 18. Juni 201518. Juni 2015

Der heilige Franziskus spielt in der Enzyklika des Papstes eine große Rolle, was schon der Titel verrät: Laudato Si’ ist dem Sonnengesang entnommen, der „Laudes Creaturarum“. Und während bei anderen päpstlichen Schreiben der Titel auf Latein zitiert wird, bleibt er hier auf Italienisch, auch in anderen Sprachen steht der Sonnengesang in seiner Ursprungssprache vornan.

Franziskus: Fresco in der Abtei von Subiaco; angeblich das einzige zu Lebenszeiten angefertigte Bild des Heiligen
Franziskus: Fresco in der Abtei von Subiaco; angeblich das einzige zu Lebenszeiten angefertigte Bild des Heiligen

Auch wenn man den etwas kitschigen Franziskus, der mit netten Vögelchen spricht, wegnimmt, bleibt eine tiefe Verbundenheit zur Natur, die fast schon modern anmutet. Franziskus erkannte den Schöpfer in der Schöpfung, das Göttliche im Geschaffenen, ohne es darauf zu beschränken. Es ist keine Vergöttlichung der Natur, die wir bei ihm finden, sondern ein Lob des Schöpfers in dem, was er geschaffen hat.

Johannes Paul II. hatte Franziskus deswegen zum Patron des Umweltschutzes ernannt, in dem Schreiben Inter Sanctos würdigt er ausdrücklich den Sonnengesang: „Denn er erfasste in besonderer Weise mit tiefem Gespür die universalen Werke des Schöpfers, und erfüllt von einem göttlichen Geist stimmte er den schönen „Sonnengesang“ an. Durch die Geschöpfe, durch die kraftvolle Schwester Sonne und durch Bruder Mond und die Sterne am Himmel brachte er treffend Lob, Ehre und allen Segen dem allerhöchsten, allmächtigen und guten Herrn dar.” (Quelle)

 

Der Text des Sonnengesangs:

Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind der Lobpreis, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.

Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne;
er ist der Tag, und du spendest uns das Licht durch ihn.
Und schön ist er und strahlend in großem Glanz,
dein Sinnbild, o Höchster.

Gelobt seist du, mein Herr, durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet, hell leuchtend und kostbar und schön.

Gelobt seist du, mein Herr, durch Bruder Wind und durch Luft
und Wolken und heiteren Himmel und jegliches Wetter, durch das du deinen Geschöpfen den Unterhalt gibst.

Gelobt seist du, mein Herr, durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.

Gelobt seist du, mein Herr, durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und liebenswürdig und kraftvoll und stark.

Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns ernähret und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.

Gelobt seist du, mein Herr, durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden, denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt werden.

Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in schwerer Sünde sterben.
Selig jene, die sich in deinem heiligsten Willen finden,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.

Lobt und preist meinen Herrn
und sagt ihm Dank und dient ihm mit großer Demut.

 

Entnommen einer kritischen Edition der Werke des Heiligen.

 

Im Original:

 

Altissimu onnipotente bon signore,
tue so’ le laude la gloria e l’honore et onne benedictione.
Ad te solo, altissimo, se konfàno,
et nullu homo ène dignu te mentovare. Weiterlesen “Laudato si’, mi’ signore: Gesang der Schöpfung”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Enzyklika, Laudato Si, Lob, Papst Franziskus, Schöpfung, Sonnengesagt, Umwelt23 Kommentare zu Laudato si’, mi’ signore: Gesang der Schöpfung

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