Spalten kann jeder. Einheit herstellen, und das auch noch in schwierigen Themen, ist schwer, das kann und will auch nicht jeder. Wenn es aber an Reform der Kirche geht, dann werden wir um diese Fragen nicht herum kommen. Ob man das nun als Aufholen der Moderne bezeichnet oder Neu-Evangelisierung ist dabei schon egal, Einheit braucht es immer. Diese Einheit ist Frage geworden. Nicht mehr selbstverständlich. Sie liegt hinter vielen Konflikten, welche in der Kirche derzeit ausgetragen werden, offen oder nicht.
Es gibt Dinge, die kann man lokal, kulturell, sprachlich verschieden handhaben. Es gibt Dinge, die katholische Kirche nur gemeinsam glauben kann. Aber es gibt unendlich viele Dinge, die irgendwo dazwischen liegen. In all dem Einheit und Gemeinsamkeit zu finden, ohne Themen zu brechen oder Konflikte wegzudrücken, das ist die Herausforderung heute.
Reform der Kirche
Nehmen wir ein Thema, das weltweit und über das Katholische hinaus mit viel Verve, Emotion und Aggression debattiert wird, das Thema Homosexualität: keine christliche Kirche weiß derzeit, wie damit umgehen. Oder besser: in allen christlichen Kirchen gibt es unterschiedliche und gegensätzliche Denk- und Umgangsweisen. Und das ist keine kulturelle Frage, schauen wir uns die methodistischen und pietistischen Gemeinden an, dann wird deutlich, wie stark die Gegensätze auch in Europa sind.
Die anglikanische Weltgemeinschaft droht sogar, an diesem Thema zu zerbrechen, hier geht es um Weihen von Priestern und Bischöfen, die einige Kirchen der Gemeinschaft nicht mitmachen wollen.
Spaltung statt Reform droht
Ein kurzer Aufriss nur über das Problem auf katholischer Seite. Außerhalb des meistens doch sehr kruden Sprechens über die „LGBT-Ideologie“ ist es vor allem die behauptete Verbindung von Homosexualität und Pädophilie, die immer wieder hervorgezogen wird. Auch wenn sie keinerlei wissenschaftlich begründeten Hintergrund hat, bleibt sie mächtig, zuletzt bei dem Versuch, die Missbrauchs-Studie (MHG Studie) im Rahmen des synodalen Weges zu de-legitimieren.
Auch dass jede Papst-Aussage im Großraum dieses Themas gleich große Aufmerksamkeit bekommt, ist ein Indikator für die Sensibilität des Themas. Von „wer bin ich zu richten“ bis hin zum Rat, Eltern von homosexuellen Kindern sollten sich psychologischen Rat holen ist alles gleich ein Aufreger.
Dass auch wir Katholiken uns damit befassen müssen, wird bei diesem kurzen Aufriss schon deutlich. Wenn im Rahmen des synodalen Weges etwa der Segen für homosexuelle Paare gefordert oder strikt abgelehnt wird ist die Aktualität des Themas auf dem Tisch.
Einheit, nicht immer gleich Einigung
Wie aber schaffen wir hier und in anderen Konflikten Einheit (erst einmal unter uns, von weltweiten Debatten spreche ich hier noch nicht)? Und ich sage bewusst Einheit, nicht Einigung, denn vielleicht gibt es ja Dinge, über die wir nie einig werden, über die aber die Einheit nicht zerbricht. Und was wäre ja schon ein guter Schritt in Sachen Reform der Kirche.
Ich glaube, das geht nur über eine gemeinsame Sprechkultur. Über eine belastbare Basis, die auch Konflikten und Gegensätzen Raum gibt, ohne gleich zu zerbrechen. Und ich glaube auch, dass man diese Basis nicht dadurch herstellen kann, dass man sich gleich an den schwierigsten Themen abarbeitet.
Das Gleich gilt auch im Großen, ich übersetze ja gerne „Synodalität“ mit „Balance von Lokal und Universal“, also der Frage, wie das Zusammen der in sich und untereinander so verschiedenen Ortskirchen gedacht und gelebt werden kann. Das muss belastbar sein, nicht einheitlich, aber eine Einheit in der Verschiedenheit. Auch hier glaube ich, dass das nicht gelingen kann, wenn man die komplexesten Themen zuerst behandelt.
Balance von Lokal und Universal
Papst Franziskus versucht es dadurch zu erreichen, dass er nicht direktiv, über Entscheidungen und Vorgaben regiert, sondern den Ortskirchen Raum lässt. Auch wenn es diese nervös macht, wollen doch die meisten Beteiligten lieber eine Macht-Aussage, eine Entscheidung.
Aber nur so geht es. Durch Tasten, Probieren und viel Debatte.
Auf den synodalen Weg bezogen: das Ding muss sich erst einmal bewegen. Es braucht erste vielleicht kleine Schritte und Einigungen, damit wir sehen, was trägt. Konkrete und praktische Schritte, um die Balance zu erreichen, die es für die dann schwierigen Dinge braucht.
Tasten, Probieren, Debatte
Der Verweis auf Papst Franziskus hilft auch, die Frage nach der Autorität über diese neue Balance zu stellen: die klassische Weise, dass nämlich Rom für alle und immer definiert, funktioniert nicht mehr. Bei den verschiedenen Synoden im Vatikan wird immer wieder deutlich, dass dieselben Antworten nicht auf unterschiedliche Realitäten passen.
Gleichzeitig braucht es auch die Universalität, schon allein deswegen, weil nur sie eine kritische Distanz zur eigenen Kultur und Geschichte erlaubt, was immer schon eine Stärke des Katholischen war.
Spalten kann jeder. Die autoritative Geste einfordern, die dann alles lösen soll, auch. Eine Macht-Lösung, die – selbstverständlich in meinem jeweils eigenen Sinn – die Lösung bringt. Synodalität ist aber schwerer. Und synodale Wege sind es auch. Es gibt sie nicht, die Macht-Handlungen durch die sich alles löst. Geduld ist gefragt.
Einheit erneuert schaffen bei der Reform der Kirche, das ist die Aufgabe, die allen anderen Themen zu Grunde liegt.
Ja, die Einheit der Kirche schwebt in der größten Gefahr seit 500 Jahren. Deshalb sollte sich jeder, der meint, Gründe zu haben, diese Kirche von ihrem Kurs abzubringen, sehr genau überlegen, ob diese Gründe es lohnen, deswegen die Einheit der Kirche aufs Spiel zu setzen.
Was für ein Kurs soll das denn sein? Die Kirche war nie ein monolithischer Block mit einer Richtung, wie eine Partei oder so. Und das wäre auch nicht das Fundament einer Einheit.
Der Kurs der Kirche ist die Bewahrung des Glaubens. Was 2000 Jahre richtig war, kann nicht heute plötzlich falsch sein, nur weil es nicht mehr mit dem Zeitgeist kompatibel ist.
Wer diese Kompatibilität erzwingen will, wird die Kirche spalten.
Der Kurs der Kirche ist die Verkündung des Glaubens, das ist der Auftrag.
Die Kirche hat den Glauben zu verkünden, das ist korrekt. Aber sie kein Recht, an ihm herumzubasteln.
Aber wer bastelt denn? Die Aufgabe ist es, zwischen Chylla und Charybdis zu navigieren, zwischen Relativismus und Fundamentalismus. Beides ist gefährlich.
Der Begriff “Fundamentalismus” ist in diesem Zusammenhang eine Diffamierung all derer, die in der Tadition der Kirche stehen und den Glauben bewahren.
Das gleiche kann ich aber auch über Ihren Begriff “Basteln” sagen. Fundamentalismus und Relativismus sind beides Irrwege. Warum lesen Sie darin eine Diffamierung?
1800 Jahre lang war das Zinsverbot richtig für die Kirche; heute nehmen kirchliche Banken selber Zins. 1800 Jahre lang war Sklaverei richtig für die Kirche; heute lehrt sie, dass sie ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist. Bis Paul VI. lehrte die Kirche, dass die Menschen von einem Urelternpaar abstammen, Paul VI. höchstpersönlich legte das ad acta. Bis Johannes Paul II. wurde die Unterordnung der Frau gelehrt und dass sie in der Kirche schweigen soll. Wäre das immer noch richtig, dann dürften Sie sich, Melanie, gar nicht zu Wort melden.
Und selbstredend kann etwas 2000 Jahre lang falsch sein und nicht erkannt worden sein. Schauen Sie sich nur die Geschichte des Antisemitismus an. Hat die Kirche nicht 2000 Jahre – bis zum Holocaust gelehrt, dass Juden perfide sind? Und bitte, es geht doch nicht um den Zeitgeist. Es geht um die Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass es keinen einzigen biblischen und theologischen Grund gibt, Frauen zu verwehren, Frauen zu lieben und Männern zu verwehren, Männer zu lieben. Wo Liebe ist, da ist auch Gott. Warum sollte er bei einem homosexuellen Orgasmus in aufrichtiger Liebe weniger gegenwärtig sein als bei einem heterosexuellen?
Beim kirchlichen Arbeitsrecht bewegt sich immerhin etwas. Die Grundordnung wird geprüft. Einigen Generalvikaren ist inzwischen klar geworden, dass das Sexualverhalten von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kein Qualitätskriterium für ihre Arbeit ist. Allerdings mussten hier auch erst Gerichtsurteile nachhelfen.
Benedikt XVI drückte Ihr Anliegen mit der Gegenüberstellung der Hermeneutik der Kontinuität vs. der Hermeneutik des Bruches aus. Was die Kräfte des Bruches bewirken, sieht man am Beispiel der Anglikaner.
Da bin ich nicht ganz mit einverstanden. Benedikt XVI. hat seine Vorstellung der Hermeneutiken ja an der Rezeptionsgeschichte des Zweiten Vatikanums festgemacht, aber auch die Hermeneutik der Reform ist bei ihm ja eine des Wandels. Kontinuität heißt eben nicht, dass alles bleibt, wie es ist. Und was die Anglikaner angeht: aus der Tatsache der Bruchlinien auch die Intention dazu schließen zu wollen, hielte ich für überzogen.
Daß die Kirche dem Wandel unterworfen ist, steht außer Frage. Wer will schon stehenbleiben und auf Weiterentwicklung verzichten?
Doch nicht der Gegensatz von Stehenbleiben und Weiterentwicklung ist das Problem, sondern der Mißbrauch des Fortschrittsbegriffs durch all jene, die eine andere Kirche, eine Kirche nach weltlichen Maßstäben wollen. Da wird schon mal gerne der Begriff des Fortschritts vereinnahmt und das Wehen des Heiligen Geistes darf auch nicht fehlen.
Von daher paßt der Begriff der Hermeneutik der Kontinuität nicht nur auf die Rezeptionsgeschichte des II. Vatikanums sondern auch auf die Entwicklung der Kirche allgemein.
Das Argument des “Wollens einer anderen Kirche” höre ich oft, allein wer will das denn? Außer im Vorwurfsmodus anderen gegenüber kenne ich das nicht. Wer will denn die Kirche weltlichen Maßstäben unterwerfen? Außer an den extremen Rändern der Debatte – hier wie da – kommt das doch gar nicht vor.
Wenn Sie wissen möchten, wer eine andere Kirche will oder sie weltlichen Maßstäben unterwerfen will, dann schauen Sie doch mal bei Maria 2.0 vorbei. Oder bei Wir sind Kirche. Oder beim BDKJ. Und so weirter und so fort …
Das ist wirklich billig. Und falsch. Und das Fingerzeigen auf andere hat noch nie ein Problem gelöst. Weder Maria 2.0, noch Wir sind Kirche, noch der BDKJ wollen die Kirche weltlichen Maßstäben unterwerfen. Das sind bösartige Unterstellungen die nur den Sinn haben, sich mit deren Fragen und Anfragen erst gar nicht befassen zu müssen. Das ist Selbstimmunisierung.
Man muss nicht mit allen einverstanden sein, was dort vorgebracht wird. Aber ernst nehmen sollte man schon, wenn man selber in seinem Glauben ernst genommen werden will.
Und doch ist die Einheit nur eine von vier Eigenschaften der Una Sancta Catholica et Apostolica.
Man wird die eine Eigenschaft nicht begreifen, wenn man die anderen weglässt.
Ganzheitliches Denken ist gefragt.
Meint
Euer Christoph
Manche, die dabei sind, sind in Wirklichkeit nicht dabei. Und manche fernstehende sind essentielle Mitglieder.
Eine „Wunsch- Illusion“:
Was GÄBE ich darum, wenn ich Jesus riechend – schmeckend- lachend – weinend- als Zeuge erlebt hätte..
Ja ich „ liebe“ diesen „Menschensohn“, der mir so ganz anders erscheint was alles so theologisch formuliert wird..
Vielleicht Kann ich doch mehr Über die Kunst dem Verlangen nachspüren..
Hab 2 Beethoven Abende mit dem klasse Pianisten – Igor Levit- In Salzburg erlebt und dabei dieses tiefe Ausloten dieser Beethovenschen Persönlichkeit erlebt
Da ist der Schöpfer dieser Sonaten buchstäblich neu „auferstanden”….
Wie muss das wohl sein, Jesus eben NICHT nur in der spirituellen Dimension, aber als diesen Menschen- der uns Gott wie kein anderer „gezeigt“ hat mit seinen ganzen Gefühlen
– auch dem Hitzeschweiss ..- zu BEGEGNEN und mit ihm zu essen- und nicht in einer reduzierten
„rituellen(!!) Kommunion“
Wünsche der Blog Gemeinde ein gutes schwimmen etc. um diese Hundstage zu überstehen ..
Wir Christen haben einen wunderbaren Gottesglauben: ein Gott in drei Personen. Gott lebt seine Einheit in Vielfalt. Er lebt sie in Beziehung. Und er versöhnt in sich scheinbar Unversöhnliches (Ewigkeit und Endlichkeit). Vielfalt, Beziehung, Versöhnung – es könnte so einfach sein, aber die Geschichte der Ketzerverfolgung und Kirchenspaltungen spricht eine eigene Sprache. Papst Franziskus hat gute Gründe, die Kultur der Ausstoßung immer wieder anzuprangern, auch in der Kirche in Gestalt einer rigiden Moral(-theologie).
Mir scheint, dass noch viel zu oft Einheit mit „Reinheit“ verwechselt wird. Wo die Vorstellung vom „reinen Opfer“ das Denken beherrscht, braucht man „reine Priester“, Zölibat etc., aber Sexualität, gar Homosexualität, Sex vor der Ehe, Sex in der Ehe ohne Kinderwunsch etc. – das alles des Teufels …
Dabei müsste die Kirche nur die Brücke betreten, an der sie selber kräftig mitgebaut hat, die Menschenrechte, das Selbstbestimmungsrecht des Menschen in Freiheit und Verantwortung. Wie will sie auf Dauer glaubwürdig sein, wenn die der Gesellschaft das vorhält, woran sie sich selber nicht bindet? Außerdem sind die Menschenrechte eines der wenigen Instrumente der Einheit unter den Menschen über die Grenzen von Religionen und Kulturen hinweg. Einheit also nicht nur nach innen, auch nach außen.
Menschenrechte. Gutes Thema. Danke!
Einheit ist wichtig. In Glaubensfragen sollten, so meine ich, Christen einander wegen ihres Glaubens an den einen Gott ihren Mitgläubigen, auch den in anderen Konfessionen Lebenden, toleranter sein. Die Forderung auf eine von
Benedikt XVI. zurückgehende Entweltlichung kann auch als Irrweg in Weltfremdheit münden. Alle christlichen Kirchen
müssten angesichts der weltweiten Probleme über ihre Schatten springen. Einige werden es da schwer haben.
Problemlösungen wie im Mittelalter, die der Kirche am Herzen lagen, gelangen mitunter so, wie es der päpstliche Legat Amaud Amaury anlässlich der Eroberung der teilweise von Albigensern bewohnten Stadt Bezies anordnete auf die Frage, wie man Ketzer von Guten unterscheiden könne: “Tötet sie alle. Der Herr wird die Seinen schon erkennen”.
Auch so lässt sich Einheit schaffen, auch wenn obiger Vorgang historisch nicht völlig verbürgt ist.
Sein wir froh und dankbar, p dass wir bessere Wege kennen. Nur mit dem Beschreiten haperts noch.
Solange es um Glaubensinhalte geht, geht es immer um Unbeweisbares.
Und jeder Glaubenssatz halbiert die Kirche, denn es wird Leute geben, die nicht daran glauben und Leute die das tun.
Wenn man aufmerksam in der Bibel liest, wird man zu jedem Pol auch den Gegenpol finden.
Die Wahrheit ist aber das Ganze, angewendet auf die konkrete Situation.
Bei der Einheit der Kirche geht es also nur um sehr wenige, wirklich identitätsstiftende Personen und Gegebenheiten, zum Beispiel Maria und das Petrusamt und die Dreieinigkeit.
Viele Dinge, die wir für einzementiert halten, könnten mit einem Federstrich geändert werden (Pflichtzölibat für alle Priester, Rom als Hauptsitz, …..).