Ein Mann schaut mich an. Von einem Bild. Das er selber gemalt hat. Ein Selbstporträt, das den Betrachter direkt anschaut. Wenn es ein gutes ist – wie das oben im Bild – dann sieht man dem Maler beim Reflektieren zu. Bei einer Selbstbefragung, in Schwächen und Stärken.
Wien, Leopold-Museum. Richard Gerstl, ein mir völlig unbekannter Expressionist, gestorben 1908. Freund Arnold Schönbergs, aber sonst immer auf Abstand zum Kunstbetrieb. In ihm erkennt man viel vom 15 Jahre vorher gestorbenen van Gogh, auch der ganz späte Rembrandt in seinen Farben dringt durch, anderes nimmt er seinen Kollegen vorweg.
Schwächen und Stärken
Dieser Gerstl zeichnete und malte nun immer wieder sich selber, nicht ungewöhnlich in der Selbstbefragungs-Atmosphäre der Jahrhundertwende. Warum kommt der Maler aber hier im Blog vor?
Auf diese Idee bin ich gekommen, weil in meinem Hirn ab und zu ganz verschiedene Erlebnisse und Erfahrungsräume kollidieren. So denke ich im Augenblick viel an den Synodalen Weg, an dem ich selber auch beteiligt sein werde. Gleichzeitig mache aber auch andere Dinge. Gehe zum Beispiel in eine Ausstellung.
Kollidierende Erfahrungsräume
Diese Kollisionen tun mir immer wieder gut. Wenn es gut läuft, gewinne ich neue Perspektiven, die meistens gar nicht so einfach in Worte zu fassen sind. Und so eine Frage hat mir Herr Gerstl mit seinem Bild – und den anderen, die in Wien gezeigt werden – zu stellen geholfen.
Denn letztlich ist der Synodale Weg auch eine Art Porträt. In diesem Sinn eine Art Selbstbefragung und Selbstdarstellung von Kirche. Wer sind wir? Die Kirche, die Gemeinden, die Gemeinschaften? Und wie bei einem gemalte Porträt kommt keine kosmetische Verschönerung dabei heraus. In den Worten von Papst Franziskus: Es braucht Selbsterkenntnis (ich ergänze: Selbstbefragung), weil die Frage nach Gott uns nicht einfach wie mit „zwei Pinselstrichen“ ein wenig verändert. Wir betreiben keine Kosmetik, keine Verschönerung. Wir versuchen uns nicht so darzustellen, wie wir gesehen werden wollen aber vielleicht gar nicht sind. Sowas würde keiner sehen wollen. Als Bild wäre es schlechte Kunst.