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PaterBerndHagenkord.blog

Vatican News

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Schlagwort: Wandel

Ja was denn nun?

Veröffentlicht am 28. März 2021
Gleichzeitig Ja und Nein Annäherung an den Heiligen Geist: Kunst in einer Kirche in Münster

Ein Schnappschuss aus der bunten Welt der Kirche: am Samstag flatterte mir der Newsletter von CruxNow auf den Rechner, darin zwei Meldungen nach deren Lektüre ich aus dem Kopfschütteln nicht heraus komme. Es ist, als ob mir Artikel aus zwei grundverschiedenen Zeitungen gleichzeitig vorgelesen werden. Synodalität, gleichzeitig Ja und Nein.

Da ist zum einen eine Serie über den Synodalen Weg. Ob der ins Schisma führe, wird gefragt. Alle Artikel, die differenziert nach dem Weg fragen, vor allem im nicht-deutschsprachigen Teil der Welt, finde ich gut.

Gleichzeitig Ja und Nein

Hier wird das Schisma-Thema ausgefaltet, die Bemerkung von Kardinal Marx, die Kirche in Deutschland sei keine Unterabteilung der Kirche in Rom, wird als Indikator einer Gefahr gesehen. Der Tenor des Artikels: „Warnung“. Und es kommen vor allem Warner zu Wort. Darunter zu meinem Erstaunen ich selber.

Da ist zum anderen aber auch ein Artikel über Schwester Nathalie Becquart, die seit kurzer Zeit im Vatikan für die Bischofssynode arbeitet. Ich hatte sie mal während der Jugendsynode kennen gelernt, eine kluge Frau voller Energie und Ideen. Und hier nun darf sie für Syodalität werben, auch wenn es unangenehm werde und einen Wandel in der Leitungskultur bedeute.

Warnungen

Sie warnt auch, allerdings vor dem Widerstand gegen den Wandel. Und der Artikel folgt ihr darin.

Da haben wir nun zwei Stücke nebeneinander, die widersprüchlicher nicht sein können. Wandel und Warnung davor, die vatikanische und auch päpstliche Rhetorik für Synodalität, aber bitte nicht ausprobieren, denn dann könnte ja was passieren.

So etwas kann in einer Redaktion schon mal passieren, aber als Schnappschuss gilt es weit über CruxNow hinaus, es gilt für die ganze Kirche.

Es hat halt Konsequenzen

Gesprochen wird viel, auch gewollt. Nur die Konsequenzen, die will man nicht. Man bleibt in Appellen, in Wünschen, in Visionen, die Unruhe des Ausprobierens und der Umsetzung fürchtet man, davor warnt man lieber. Man kann aber nicht gleichzeitig etwas wollen und gleichzeitig nicht wollen. Etwas gut finden und vor der Umsetzung warnen. Das Ideal hoch halten und die Realität desselben fürchten.

Wandel hat Konsequenzen. Bekehrung der Kirche hat Konsequenzen. Das muss man ausprobieren und mit Hilfe des Geistes Gottes real werden lassen. Nicht immer wird alles gut und perfekt, aber ohne es zu probieren, bleibt es nur Prosa. Und probieren, bei allen Problemen, will der Synodale Weg.

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Neulich im Internet, VatikanSchlagwörter Deutschland, Kirche, Kritik, synodaler Weg, Synodalität, Vatikan, Wandel14 Kommentare zu Ja was denn nun?

Dann macht doch rüber!

Veröffentlicht am 22. Februar 202122. Februar 2021
Geht doch zu den Protestanten Beffchen. Foto Frank van Anken / wikimedia commons

Man kann es mit einem Kopfschütteln wegschweigen. Man kann es als Argument für nicht satisfaktionsfähig halten und ignorieren. Man kann die Beleidigung, die drin steckt, erkennen und deswegen nicht darauf eingehen. Aber davon geht es nicht weg: die Aufforderung an Katholikinnen und Katholiken, doch bitte die katholische Kirche zu verlassen. Geht zu den Protestanten! Hilflos vielleicht, aber häufiger gehört als der Debatte lieb sein kann.

Seit ich selber im Synodalen Weg aktiv bin, kommt diese Aufforderung noch häufiger als davor. Bis dato war sie Papst Franziskus und seinem Anliegen einer Kirche der Umkehr vorbehalten, jetzt kommt es regelmäßig mit Bezug auf die Kirche bei uns daher.

Geht zu den Protestanten!

Ein Zitat aus der jüngsten Email, die mich dazu erreicht hat (anonymisiert):

„Da frage ich mich, warum gehen Sie nicht einfach zu den Protestanten? Dort finden Sie alles was Sie begehren! Dort finden Sie bestimmt Ihr Glück! Warum spalten Sie, ja vernichten Sie meine römisch-apostolische katholische Kirche in Deutschland?“

Das klingt so, wie es ist: hilflos. Da will jemand sich dem Wandel der Kirche nicht aussetzen und will, dass alles bleibt wie es ist. Oder besser: dass alles so wird, wie es durch die Scheuklappen aussieht. Aber dieses Argument gibt es nicht nur in dieser hilflosen Form, der Theologe Karl-Heinz Menke will einen „katholischen Protestantismus” ausgemacht haben.

„Katholischer Protestantismus“?

Zunächst überrascht die Wortwahl. Eigentlich sprechen wir von „katholisch“ und „evangelisch“. Nun aber wird „protestantisch“ gewählt, wohl um den Kontrast zu schärfen. Es geht also gar nicht um Ernst gemeinte Vorschläge (falls das überhaupt jemand je angenommen haben sollte), im Vorschlag steckt Streit.

Das allein reicht aber noch nicht, um dieser Aufforderung den Schleier herunter zu reißen. Da drin steckt noch mehr, und das alles steckt in mehr Köpfen und Herzen, als uns lieb sein kann.

Weiter verbreitet, als gedacht

Erstens: Es geht an der Realität der Kirchen der Reformation vorbei. Aufgegriffen werden Dinge wie die Frauenordination und eine echte parlamentarische Struktur, aber die durch und nach der Reformation entstandenen Kirchen sind ja mehr als das. Sie haben eine eigene geistliche und theologische Tradition. Die Reduktion auf wenige Phänomene geht an der Wirklichkeit vorbei.

Zweitens: Es geht an der Aufgabe der Ökumene vorbei. Seit Jahrzehnten, seit dem Konzil, ist das Streben nach Einheit Teil des katholischen Selbstverständnisses. Das bedeutet nicht, in Kontroversen nicht auch mal auf eigenen Standpunkten zu bestehen, aber grundsätzlich gilt, dass die Ökumene eine Herausforderung ist, die wir annehmen müssen. Und derlei Aufforderungen schaden der Ökumene.

Probleme mit der Wirklichkeit

Drittens: die hier zum Vorschein kommende Hilflosigkeit geht an der Wirklichkeit der Kirche vorbei. Mich erinnert das an den bis in die 80er Jahre gehörten Ruf älterer Westdeutscher an die Jugend, man solle doch in den Osten gehen, wenn es einem hier nicht passe. Dämlich damals schon, ist auch die heutige kirchliche Abwandlung nicht wirklich intelligent. Ein Feindbild (siehe: ‚protestantisch‘ statt ‚evangelisch’) wird angeschärft um damit die Unzulänglichkeiten des eigenen Systems zu kaschieren. Und das eigene Wohlbefinden nicht in Unruhe geraten zu lassen.

Ich darf noch mal aus der oben genannten Email zitieren:

„Ich möchte in Ruhe meinen Glauben in einer Kirche ausüben, die nicht ohne menschlicher Fehler ist, aber so wie sie ist, ist sie immer noch meine Kirche wo ich gerne komme um zu beten – nicht um zu kämpfen.“

Beten, nicht kämpfen?

Allein das „nicht ohne menschliche Fehler“ sollte stutzen lassen. In seiner Allgemeinheit klingt das irgendwie nett, aber wenn wir uns dann erinnern, was diese „menschlichen Fehler“ waren, spätestens dann sollten wir stutzen. Schließlich war eine Studie zum Missbrauch Auslöser des Synodalen Wegs.

Wenn wir jetzt schon etwas sagen können dann doch wohl das, dass es kein zurück gibt zu einer Kirche, wie sie aus den Zeilen des mich anschreibenden Katholiken hervor scheint. Wenn alle Opfer gehört, alle Maßnahmen ergriffen sind. Und wenn wir durch diese Geschichten durch sind und alles richtig gemacht haben sollten, selbst dann wird die Kirche eine andere sein. 

Kirche wird eine andere sein

Das Ideal von Kirche wird es nicht mehr geben. Nicht nur weil es zunehmend schwerer wird, vor anderen und auch vor sich selbst zu begründen, weswegen man noch dabei ist. Sondern auch, weil wir einsehen müssen, dass das Sprechen vom Ideal vieles verdeckt und vielleicht sogar möglich gemacht hat, was so gar nicht zum Ideal passt.

Die Kirche ist jetzt schon eine andere. Diese Einsicht ist noch nicht überall gleich verbreitet, um so wichtiger ist, dass wir reden, reden, reden. In theologischen Seminaren und bei Konferenzen. Im Arbeitszimmer des Papstes und bei Bischofskonferenzen. Unter Katholikinnen und Katholiken wie auch ökumenisch.

Sich dem zu verweigern bedeutet eben nicht Treue, sondern den Auftrag zu verfehlen, den Kirche hat.

Auch ich gehe gerne in meine Kirche, um zu beten. Wer bewerten bedeutet nicht, dass alle Konflikte dann draußen bleiben. Beten bedeutet für mich, sich dann auch einzusetzen. Zu streiten, wenn nötig. Die Augen offen zu halten.

Der Versuch, alles Herausfordernde vor die Kirchentüre zu verbannen, hilft niemandem.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Kunst, Kultur und Können, Neulich im Internet, Ökumene, Spiritualität / Geistliches Leben, Zweites Vatikanisches KonzilSchlagwörter Debatte, katholisch, Kirche, Ökumene, protestantisch, Reform, Wandel21 Kommentare zu Dann macht doch rüber!

Baustellen

Veröffentlicht am 1. Juli 202029. Juni 2020
Die Stadt erfindet sich neu Die römische Baustelle: Linea C, vor dem Kolosseum

Seit ich in München lebe – also seit etwa einem Dreiviertel Jahr – höre ich dauern dieselbe Klage: Hier gäbe es zu viele Baustellen. Von der S-Bahn angefangen über die Durchfahrtsstraßen bis hin zur nächsten Starßenecke, überall wird gebuddelt, abgesperrt und gebaut. Die Stadt erfindet sich neu, immer wieder.

Auf die Klage kann ich gar nicht anders als reflexartig zu antworten, dass ich zehn Jahre in einer Stadt ohne Baustellen gelebt hätte, in Rom. Das ist natürlich übertrieben, aber nicht allzu viel. In Rom ist vieles kaputt, aber wird nicht repariert. Und das ist noch viel Schlimmer als die vielen Sperrungen hier in München.

Die Stadt erfindet sich neu

Dahinter liegt natürlich eine Allegorie, sonst würde ich das hier nicht beschreiben. Es ist der Normalzustand einer Stadt, dass sie sich verändert. „Alles in Ordnung“ kommt in freier Wildbahn nicht vor. Und da ist es egal, wie groß die Stadt ist.

Veränderung ist der Normalzustand, das ist was ich damit sagen will. Aber wenn ich auf aktuelle Kirchen-Debatten schaue, dann begegnet mir ein anderes Modell der „Stadt Gottes“. Nämlich das Modell einer Referenz-Stadt, meistens aus der Vergangenheit und als Ideal.

Und da ist es völlig egal, wen ich dazu befrage. Ob das die Pius-Brüder mit ihrer angeblichen „Messe aller Zeiten“ sind, ob das die 80er Jahre mit ihrem Ruf nach der Rückkehr zu einer angeblichen idealen Urkirche sind, das Gedanken-Modell ist dasselbe: es gebe eine Referenz-Größe, an der sich die Gegenwart auszurichten habe.

Keine ideale Vergangenheit

Gibt es nicht. Hat es nie gegeben. Es gab in der Antike keine homogene und ideale Kirche, die sich dann nachträglich historisch verfälscht hat. Sondern wie die Welt sich ändert, wie die Fragen sich ändern, so findet Christentum Antworten. Tastend meistens, manches funktioniert auch nicht, immer wieder müssen aber Antworten verändert werden, weil die Fragen anders sind.

Baustellen eben.

Eine ganz große Baustelle gibt es in Roma: die so genannte „Linea C“, also die dritte U-Bahn-Linie. Und immer wieder begegnet man Römerinnen und Römern, die in diesem Projekt die Rettung vermuten: Wenn das Ding einmal fertig wird, dann wird alles besser.

Die eine große Baustelle

Und hier soll dann auch meine Allegorie enden: die eine große Baustelle, die alles rettet, gibt es in der „Stadt Gottes“ nicht. Nur viele, sehr viele meist kleine oder ab und zu auch mal große. Nur: wenn die mal fertig sind, sind die längst noch nicht fertig, die nächste wartet schon.

Ich mag Baustellen. So nervig sie im Alltag sein können. Weil sich die Dinge eben ändern. Wir mögen meckern, aber Stillstand oder ein Ideal gibt es einfach nicht. Sonder nur ständige Veränderung.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und VernunftSchlagwörter Entwicklung, katholisch, Kirche, synodaler Weg, Wandel4 Kommentare zu Baustellen

Wege und Ziele: Synodal unterwegs

Veröffentlicht am 19. November 201918. November 2019
Veränderung oder Entwicklung Reise-Metaphorik: Köln, Hauptbahnhof

Noch einmal der Roman Il Gattopardo: „Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muß sich alles ändern“: Tancredi warnt Fürst Salina mit diesen berühmt gewordenen Worten vor dem Hereinbrechen der Republik in Italien. Sein Rat lässt sich übersetzen mit „viel Wirbel erzeugen, damit sich letztlich dann doch das Entscheidende nicht ändert“. Papst Franziskus hat schon mehrfach diese Haltung auch in der Kirche entdeckt und „geistlichen Gattopardismus“ genannt. Immer wenn ich an Reform, Veränderung und Entwicklung in der Kirche denke, geht mir schmunzelnd dieses Zitat durch den Kopf.

Veränderung oder Entwicklung

Dabei ist eine Debatte darüber, wie es weiter geht, „berechtigt und notwendig“, wie Papst Franziskus den Gläubigen in Deutschland bescheinigt. Was dann passieren soll, da sind sich aber beileibe nicht alle einig.

Jetzt nehmen wir mal den Gattopardismus weg, der ist ja in Wirklichkeit ein Nicht-Tun, nicht-Verändern, nicht-Entwickeln. Dann bleiben einige positive Möglichkeiten über, die sich lohnt genauer anzusehen. Da ist zuerst das Allerweltswort ‚Reform‘. Ein historisches Wort, immer positiv besetzt, etwas wird reformiert, also besser gemacht. ‚Reformation‘ hat auch damit zu tun, aber auch sowas wie Überflüssiges oder Schädliches wegnehmen.

Veränderung: Jeder redet von Reform

Aber in dieser Allgemeinheit liegt auch das Problem. Das Wort meint zu viel. Oder ist zu weit und breit. Jeder führt es im Munde, und der Applaus ist sicher. Aber wofür?

Letztlich verschleiert das Wort ‚Reform‘ mehr als es klärt. Zu viele verschiedene Dinge und Vorgehensweisen werden darunter verstanden, zu viele Ziele als selbstverständlich geglaubt. Nicht alle, die dasselbe Wort benutzen, meinen damit auch dasselbe. Deswegen ist es nicht mehr hilfreich, scheint mir. Lassen wir deswegen die ‚Reform der Kirche‘ und wenden wir uns zwei anderen Möglichkeiten zu.

Diese Möglichkeiten sind zum einen die Veränderung und zum anderen die Entwicklung. Und beide sind sauber auseinander zu halten, wenn sie hilfreich sein sollen.

Entwicklung: Da ist ein Unterschied

Da ist zum einen die Veränderung. Wenn ich etwas verändern will, weiß ich was dabei heraus kommen soll. Ich plane meine Schritte auf ein bekanntes Ziel hin, treffe Maßnahmen, und kann auch überprüfen, ob mein Handeln mit Blick auf das Ziel erfolgreich war oder dem Vorhaben entsprochen hat oder nicht. Legen wir das mal auf die Kirche an: Veränderung wäre, wenn ich den Umgang der Institution mit Missbrauch verändern will, zum Beispiel. Dann kann ich Strukturen und Maßnahmen festlegen und sehen, ob die so funktionieren wie gedacht und ob sie wirklich helfen. Dann kann ich festlegen, wer bis wann was macht.

Entwicklung hingegen hat kein vorgegebenes Ziel. Wir kennen vielleicht die Richtung, aber nicht das konkrete Ergebnis. Das Ziel bleibt offen. Legen wir das an die Kirche an: Entwicklung wäre ein Weg hin zu einer verkündenden Kirche. Einer Kirche, die ihrer Botschaft selber nicht im Weg steht. Das ist kein konkretes Ziel, für das es Maßnahmen zu beschließen gäbe.

Festlegen und überprüfen

Für Entwicklung braucht man die Bereitschaft, sich auf das Unbekannte einzulassen. Für Entwicklung braucht es deswegen den Willen zum Risiko und eine Offenheit. Und jetzt wird es kompliziert: Der synodale Weg, um den es in der Kirche in Deutschland geht, will – wie ich es sehe – beides. Veränderung und Entwicklung. Deswegen ist es so wichtig, die beiden Dinge auseinander zu halten.

Vergessen wir nicht: Auslöser war die MHG Studie. Die kann man debattieren und konkrete Maßnahmen wollen. Oder man kann sich über innerkirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit unterhalten. Darüber hinaus gibt es aber auch sehr viele Wünsche, die in die Kategorie Entwicklung fallen. In der Vor-Debatte, wie wir sie im Augenblick erleben, wird beides recht munter gemischt. Ein Anliegen des Gesamtprozesses wird es sein, die verschiedenen Bewegungen zu unterscheiden.

Eine Warnung

Ein Blick auf das Gegenteil mag uns hier helfen. Also auf Interessen, die bewusst die beiden Ebenen vermischen, um den gesamten Prozess zu unterlaufen. Für ein Beispiel greife ich auf Rom zurück, auf den Vatikan. Hier wird dem Papst fast ständig von den üblichen Überwacher-Blogs oder einzelnen Kirchenvertretern unterstellt, er wolle die Lehre ändern. Der Papst will in Schreiben oder in Bischofssynoden Entwicklung, also Offenheit. Unterstellt wird ihm – ohne Beweise – dass er oder interessierte Kreise sehr wohl Ziele habe, und nun Maßnahmen ergreife. Das torpediert die Offenheit und die Bereitschaft zu Entwicklung.

Wir werden beides brauchen. Veränderungen, konkret und überprüfbar. Aber auch Entwicklung, Bewegung in Richtung auf eine offene Zukunft, aber bewusst gestaltet und nicht fatalistisch hingenommen. Beides – Veränderung oder Entwicklung – muss und wird vorkommen. Aber beides will auch getrennt sein.

Das wird Teil des Prozesses sein. Und wenn das gelingt, dann kann man das meinetwegen auch gerne Reform nennen.

 

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Porträt einer Kirche

Veröffentlicht am 10. November 20196. November 2019
Schwächen und Stärken Selbstbildnis Richard Gerstls, Leopold Museum, Wien

Ein Mann schaut mich an. Von einem Bild. Das er selber gemalt hat. Ein Selbstporträt, das den Betrachter direkt anschaut. Wenn es ein gutes ist – wie das oben im Bild – dann sieht man dem Maler beim Reflektieren zu. Bei einer Selbstbefragung, in Schwächen und Stärken.

Wien, Leopold-Museum. Richard Gerstl, ein mir völlig unbekannter Expressionist, gestorben 1908. Freund Arnold Schönbergs, aber sonst immer auf Abstand zum Kunstbetrieb. In ihm erkennt man viel vom 15 Jahre vorher gestorbenen van Gogh, auch der ganz späte Rembrandt in seinen Farben dringt durch, anderes nimmt er seinen Kollegen vorweg.

Schwächen und Stärken

Dieser Gerstl zeichnete und malte nun immer wieder sich selber, nicht ungewöhnlich in der Selbstbefragungs-Atmosphäre der Jahrhundertwende. Warum kommt der Maler aber hier im Blog vor?

Auf diese Idee bin ich gekommen, weil in meinem Hirn ab und zu ganz verschiedene Erlebnisse und Erfahrungsräume kollidieren. So denke ich im Augenblick viel an den Synodalen Weg, an dem ich selber auch beteiligt sein werde. Gleichzeitig mache aber auch andere Dinge. Gehe zum Beispiel in eine Ausstellung.

Kollidierende Erfahrungsräume

Diese Kollisionen tun mir immer wieder gut. Wenn es gut läuft, gewinne ich neue Perspektiven, die meistens gar nicht so einfach in Worte zu fassen sind. Und so eine Frage hat mir Herr Gerstl mit seinem Bild – und den anderen, die in Wien gezeigt werden – zu stellen geholfen.

Denn letztlich ist der Synodale Weg auch eine Art Porträt. In diesem Sinn eine Art Selbstbefragung und Selbstdarstellung von Kirche. Wer sind wir? Die Kirche, die Gemeinden, die Gemeinschaften? Und wie bei einem gemalte Porträt kommt keine kosmetische Verschönerung dabei heraus. In den Worten von Papst Franziskus: Es braucht Selbsterkenntnis (ich ergänze: Selbstbefragung), weil die Frage nach Gott uns nicht einfach wie mit „zwei Pinselstrichen“ ein wenig verändert. Wir betreiben keine Kosmetik, keine Verschönerung. Wir versuchen uns nicht so darzustellen, wie wir gesehen werden wollen aber vielleicht gar nicht sind. Sowas würde keiner sehen wollen. Als Bild wäre es schlechte Kunst.

 

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Modernismus verkehrt herum

Veröffentlicht am 21. August 201921. August 2019
Anpassung an den Zeitgeist Und immer wieder geht es um Autorität in der Kirche: Petrusstatue im Petersdom

Es ist eine Verschwörung der Jesuiten! All die Neuerungen, Veränderungen, all das Abrücken von der Lehre der Kirche und die Anpassung an den Zeitgeist. Und die Jesuiten sind Schuld. Es war ruhig geworden um den ehemaligen Vatikandiplomaten Viganò, aber vor der Synode musste er sich noch einmal äußern.

Dahinter liegt die mittlerweile in vielen Variationen vorliegende Behauptung, es solle an der Lehre der Kirche herumgeschraubt werden. 2014 und 2015, bei den beiden Synoden zum Thema Familie, war das auch schon so. Eine kleine Elitäre Gruppe – Jesuiten, deutsche Bischöfe, Befreiungstheologen, suchen Sie sich was aus – sei dabei, die Lehre der Kirche zu untergraben.

Anpassung an den Zeitgeist

Nun kann und sollte man vielleicht auch über derlei Stuss einfach nur den Kopf schütteln. Was ich aber bemerkenswert finde ist die Tatsache, dass wir das mit uns machen lassen. Das Muster des Vorwurfs des Wandels, der Anpassung, der Zerstörung der Kirche wird laut in den Raum gerufen. Und wir lassen den Vorwurf einfach so stehen.

Es gibt ein ganzes Narrativ darum, dass es „progressiv“ genannte Kräfte in der Kirche gibt, welche (zur Familiensynode) die Familie zerstören und die Lehre der Kirche dazu aufgeben wollen. Dieselben wollten jetzt (zur Amazonassynode) häretische Ideen in die Lehre der Kirche aufnehmen.

Man lässt das mit sich machen

Und diejenigen, die an einer Inkulturierung von Kirche und Theologie ins Heute arbeiten, lassen das mit sich machen. Anpassung an den Zeitgeist? Das lässt man auf sich sitzen.

Tief in der kirchlichen Psyche drin scheint sich der Gedanke festgesetzt zu haben, dass es eine Änderung braucht, und dass man selber an einer Veränderung arbeitet. Man nimmt also irgendwie den Vorwurf auf, stimmt ihm sogar im Wesentlichen zu, schließlich kann es so nicht weiter gehen. Auf die Idee, dass das gesamte Narrativ nicht stimmt, kommen wenige.

Aber: es stimmt nicht. Es war immer schon Teil der Kirche, den empfangenen Glauben weiter zu geben. Zu tradieren. Und das geht nur dadurch, dass ich davon erzähle, in immer anderen Umständen, Kulturen, Sprachen. Natürlich gibt es immer eine Spannung zwischen dem übernommenen und Antworten auf neue Fragen, die in neuen Gewändern daher kommen, das spannende Buch von Michael Seewald „Dogma im Wandel“ erzählt die Geschichte dieser Spannung.

Geschichte einer Spannung

Um treu zu sein und in diesem Sinn zu bewahren, der muss auf veränderte Umstände inkulturierend reagieren. Und jegliche theologische Debatte kreist genau darum: was geht und was geht nicht, wo ist treue und was gibt die Bibel und die Tradition her. Und wo muss sich Kultur von Bibel und Lehre der Kirche kritisieren lassen? So geht Tradition und so geht Treue.

Wer hier im Gegenteil etwas an Kirche und Theologie verändert, das sind diejenigen, die laut ausrufen, für die Reinheit der Lehre und die Tradition der Kirche zu stehen. Das sind die wirklichen Neuerer, wenn wir so wollen die wirklichen Abweichler.

Die wirklichen Neuerer

Warum? Weil sie die Grunddynamik unseres Glaubens, die Menschwerdung, nicht einbeziehen. Gott wendet sich den Menschen zu. Wenn wir nicht dasselbe tun, dann verlieren wir den Bezug zum Zentrum unseres Glaubens.

Und ich würde sogar sagen: wenn man das Bewahren des Buchstabens als Haltung der Kirche einfordert, dann wird es destruktiv.

Und noch etwas: dieses Verhalten ist nicht etwa konservativ, es ist innovativ. Denn es gibt seinerseits Antwort auf Fragen, die drängen. Die Frage der Angst vor Veränderung, die Antwort auf Überforderung. Kurz: eine Reduktion von Komplexität und Kontingenz auf ein erträgliches – auch wenn verzerrendes – Maß.

Reduktion auf ein erträgliches Maß

In dem Sinn ist das hochmodern, und muss es ja auch sein, sonst würde sich kaum jemand dafür interessieren. Ich nenne das mal einen „verkehrten Modernismus“.

Das Modell ist eindeutig: der so genannte Anti-Modernismus, in der Lesart der selbsternannten Bewahrer die Verteidigung der Kirche und der Lehre gegen Sozialismus, Anpassung an den Zeitgeist und so weiter. Ein Kampf gegen finstere Mächte also, abgeschaut im Vatikan vor 100 Jahren.

Bewahren heißt pflegen

Deswegen: Diese Kräfte sind nicht konservativ. Wer etwas bewahren will, muss es pflegen, gegenwartsfähig machen.

Kirche war niemals in ihrer Geschichte – und auch dem Auftrag des Herrn nach – fixierend. Sondern immer sich wandelnd. Dem Auftrag Jesu treu bleiben heißt eben, die Botschaft von Menschwerdung Gottes und Erlösung in immer neue Zusammenhänge hinein zu verkünden. Es hieß niemals, eine Sozialform und eine Textform absolut zu setzen.

Das nächste Mal, wenn wieder einmal ein Kollege oder eine Kollegin in journalistischer Hilflosigkeit meint, von „liberal“ und „konservativ“ schreiben zu müssen, wo in wirklich kein „gut“ und „böse“ gemeint sind, bitte innerlich protestieren. So geht das nicht.

In journalistischer Hilflosigkeit

Nur ein Beispiel, eines das den selbsterklärten Bewahrern lieb und teuer ist: Autorität. Die lässt sich heute nicht mehr genauso legitimieren und erklären, wie noch vor 100 oder 50 Jahren. Die Verschiedenheit der Welt hat ihre Sprache gefunden und lässt sich nicht mehr von einer europäischen dominieren. Darauf muss auch die Kirche reagieren, der Papst nennt das Synodalität.

Jeder Versuch, darauf mit Zentralisierung zu reagieren, zerstört. Das ist eben nicht Bewahrung. Im Gegenteil. Der Autoritarismus der selbsterklärten Bewahrer ist eine Innovation, ist die wirkliche Veränderung, weil er die natürliche Bewegung der Kirche und des Glaubens nicht mitmacht. Die Grunddynamik des Glaubens ist Gottes Hinwendung zum Menschen, sichtbar in Jesu Hinwendung zum Nächsten, bis zu Tod und Erlösung in der Auferstehung.

Gottes Hinwendung, Jesu Hinwendung

Diese Hinwendung muss sich ins Kirchliche übersetzen. Das ist Bewahrung dessen, was der Auftrag der Kirche ist. Wer glaubt, alles schon zu wissen und sich auf diese seine Überzeugung zurück zieht, den nennt der Papst „in sich selber eingeschlossen“.

Die Beton-Form dieses Selbst-Einschlusses sind die Regeln und Normen, die einen gegen derlei Überraschungen absichern und im Fall eines Eintritts verteidigen sollen: „Die Norm gibt (…) die Sicherheit, sich überlegen zu fühlen, eine genaue Orientierung zu besitzen. Darin findet er seine Kraft, nicht im sanften Hauch des Geistes,“ sagt der Papst.

Bewahrung – das geht nur im Geist Gottes. Hier passiert die Weitergabe des Glaubensgutes. Wer das mit dem Verweis auf Autorität und Lehre der Kirche zu verhindern sucht, ist eben kein Bewahrer. Und nicht konservativ.

Das nächste Mal also bitte genau hinhören, wenn wieder jemand die Veränderung der Lehre der Kirche beklagt. Denn in der Klage und der dahinter liegenden Forderung nach Einheitlichkeit und Starre liegt die eigentliche Veränderung.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Dogma, Innovation, Jesuiten, Kirche, konservativ, Lehre, Papst Franziskus, Reform, Wandel62 Kommentare zu Modernismus verkehrt herum

In eigener Sache: Ein Wandel steht an

Veröffentlicht am 13. Juni 201913. Juni 2019
Zeit für einen Wandel Der Autor dieses Blogs bei der Arbeit, die er bald verlassen wird

Tempora mutantur, nos et mutamur in illis: Es ist Zeit für einen Wandel. Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, meine Zeit in Rom und als Mitarbeiter von Radio Vatikan geht dem Ende entgegen, nach zehn Jahren vertraut mir der Jesuitenorden eine neue Aufgabe an.

Tempora mutantur: es ist ja nicht ungewöhnlich, dass Jesuiten nach einer Anzahl von Jahren ihren Ort wechseln. Und bei all dem Lob der Neuheit und des Wandels, bei allem Sprechen über einen Gott der Überraschungen finde ich diesen anstehenden Wandel auch spannend.

Zeit für einen Wandel

Deswegen werde ich an dieser Stelle auch nicht groß zurück blicken oder Bilanz ziehen oder dergleichen, das liegt mir nicht.

Not et mutamur in illis: Nur soviel, die Zeit hier in Rom, im Vatikan, beim Radio, als Journalist hat mich natürlich geprägt. Das nehme ich mit nach Deutschland zurück. Aber jetzt wird es neue Herausforderungen für mich geben.

Der Blog bleibt

Der Blog bleibt. Soviel schon einmal als Ankündigung. Auch in der Zukunft freue ich mich auf weitere Debatten im Netz. Wie das Ganze dann aussehen wird, das wird sich zeigen. Dem Schreiben im Netz werde ich aber treu bleiben, nur halt mir einer anderen Basis und einer anderen Perspektive.

Danke an dieser Stelle vor allem denjenigen, die diesen Blog überhaupt erst möglich gemacht haben, den Mitgliedern des Vereins der Freunde von Radio Vatikan.

Schritt auf das Spielfeld

In der Vergangenheit habe ich ich immer mal wieder als Sportreporter der Religion bezeichnet. Ich freue mich – wenn die Metapher damit nich überstrapaziert wird – jetzt den Schritt aufs Spielfeld zu tun. Aber das Nachdenken und das Schreiben soll bleiben, wider die Selbstverkleinerung, für den Mut zur Religion.

Es würde mich freuen, wenn Sie dem Blog treu bleiben. Wenn Ihnen die vatikanische Perspektive fehlen sollte: ganz herzlichen Dank, dass Sie bislang hier vorbei geschaut haben.

In diesem Sinne: auf bald. Bis Ende August werde ich noch hier in Rom weilen, danach kommt dann der Wandel, für mich wie auch für den Blog.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Kirche und Medien, Neulich im Internet, VatikanSchlagwörter Bernd Hagenkord, Blog, Jesuitenorden, Job, Radio Vatikan, Umzug, Wandel21 Kommentare zu In eigener Sache: Ein Wandel steht an

Die Flöte der Populisten

Veröffentlicht am 26. April 201921. April 2019
Identität im Wandel Mao, Moderne und Museum: Warhols kopierte Kopien

Andy Warhols Mao-Bilder sind witzig. Zum einen greifen sie chinesische Macht-Darstellung auf, gleichzeitig unterwerfen sie diese westlichen Werbe-Darstellungen. Und durch die Kopien wird das auch noch ironisiert. Identität im Wandel und in der Brechung, sozusagen.

Wer nun wirklich dieser Mao war, das scheinen uns die Bilder zu sagen, ist nicht klar. Und wir sollten uns da auch nichts vormachen: auch das Ursprungsbild kann uns das nicht sagen. Es ist nicht weniger aufgeladen als die Kopien.

Identität im Wandel

Über Ostern bin ich über einen Essay gestolpert, der schon viel zu lang ungelesen auf dem Schreibtisch lag: das Buch „Es gibt keine kulturelle Identität” des von mir geschätzten Autors Francois Jullien. Wie immer sehr anregend, auch wenn man nicht immer mit allem einverstanden sein muss. Aber darum geht es ja auch nicht, es geht ums Denken. Warum das mit Ostern zu tun hat, darauf komme ich gleich noch zurück.

Die These und der Titel des Buches sind natürlich provokant gewählt. Sie sind politisch.

Zu viele politische Akteure ziehen mit einer fixierten Vorstellung von kultureller Identität auf Stimmenfang, es ist sozusagen die Flöte aus dem Märchen. Sie sind das Gegenteil zu dem, was Warhol in seinem Spiel mit Identitäten macht. Sie sind Festleger von kultureller Identität, als ob es so etwas gäbe.

Kultur ist nicht fixiert

Dabei ist Kultur nichts, was ich habe oder was es gibt. Nichts Fixiertes. Das zu behaupten führt auf Holzwege. Kultur ist Wandel, war es immer schon und muss es auch sein. „Eine Kultur, die sich nicht länger verändert, ist tot“, lautet Julliens Urteil. Transformation ist Ursprung und Motor des Kulturellen, Fixierungen sind ihr fremd.

Oder in den Worten des Papstes: es handelt sich bei dem Begriff um „die charakteristische Weise ihrer Glieder, miteinander, mit den anderen Geschöpfen und mit Gott in Beziehung zu treten“. „Beziehung“ ist hier das Stichwort, nicht etwa Status (Evangelii Gaudium, 115). So verfüge das Christentum nicht über ein einziges „kulturelles Modell“.

Jullien greift uns hier unter die Arme, er spricht von „Abständen“ und weist die Vorstellung von „Distanzen“ zurück. Letztere würden feste Standpunkte voraussetzen oder entstehen lassen, je nach Perspektive. Abstände hingegen haben was von Interesse, Abenteuer, Neugierde, eben Begegnung. Nur dort entsteht Raum für Neues, und damit Kultur.

Raum für Neues

Was auch bedeutet, dass wir nicht alle gleich sind, gleich denken, und gleich ausdrücken, gleich glauben. Das ist ja das Schöne an Kultur. Eine Kultur kann nicht als Identität besessen werden, sie werde ausschließlich als Ressource genutzt. Für weiteren Wandel.

Und dann kommt noch einmal ein politischer Satz Julliens, nämlich dass Kultur niemandes Eigentum sei.  „Sie gehört dem, der sich die Mühe macht, sie zu aktivieren“. All die Rattenfänger die mit Angst spielen, erdrosseln Kultur, weil sie sich nicht entwickeln darf.

Beim Papst heißt das dann „Sakralisierung der eigenen Kultur“, mit dem Resultat eines Fanatismus, der wirkliche Verkündigung unmöglich macht (EG 117). Und hier sind wird dann beim Osterfest, oder besser bei den Begegnungen mit dem Auferstandenen. Denn nach der Auferstehung gibt es keine Heilungen mehr, keine Lehre, keine Gleichnisse. Nur noch Begegnungen. Und den Auftrag zur Verkündigung. Und das hat mit Kultur zu tun.

Nicht festhalten, nicht in Identitäten fixieren die letztlich leblos sind. Ostern bricht auf, verwirrt, stößt in jeder der Erzählungen auf Unglauben und auf Zögern. Ostern ist das Anti-Populismus-Fest. Das Fest das uns zeigt, dass ich Christentum nicht festlegen darf, nicht benutzen darf. Der Auferstandene kommt entweder durch abgeschossene Türen und durch Wände, oder er sendet aus bis an die Enden der Erde. Abgrenzungen sind das letzte, was dieser Auferstandene uns zeigt.

Eine sehr aktuelle Botschaft für heute.

 

Text: Francois Jullien, Es gibt keine kulturelle Identität. Edition Suhrkamp

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und VernunftSchlagwörter Identität, Jullien, Kultur, Politik, Populismus, Wandel9 Kommentare zu Die Flöte der Populisten

„Das gelobte Land liegt vor uns, nicht hinter uns”

Veröffentlicht am 25. März 201922. März 2019
Wandel ohne Bruch Da ist zusammen, was immer noch wie ein Gegensatz aussieht

Während ich in München studiert habe, wurde das Siegestor renoviert. Stein für Stein wurde weggenommen und ersetzt, das dauerte und war teuer. Man hätte das Ding auch komplett abreißen und neu aufbauen können, das Ergebnis wäre dasselbe gewesen – neue Steine – und weniger teuer. Aber wir hätten alle gesagt, das sei nicht mehr derselbe sondern ein neuer. Hermeneutik der Kontinuität, sozusagen. Wandel ohne Bruch.

Das verdeckt etwas, dass es Wandel gibt, und zwar massiven. Aus der Zeitlinie genommen käme zum Beispiel niemand auf die Idee, dass die Kirchen des 4., des 11. und des 17. Jahrhunderts dieselbe historische Realität wären. Nebeneinander und ethnologisch beschrieben wären sie völlig verschiedene Einheiten. Was sie zusammen hält ist die durch Erzählung weitergegebene narrative Identität. Wandel ohne Bruch, in der Geschichte.

Wandel ohne Bruch

Ich spreche das hier an, weil es immer umstrittener wird, wie Kirche auf den Wandel reagiert oder besser wie wir als Kirche mit unserem Wandel umgehen und ihn gestalten wollen.

Die immer funktionalistischer werdende Welt, in der Wirksamkeit und vor allem Konsum die Kriterien sind, setzen uns in Zugzwang. Benedikt XVI. hat darauf mit dem spannenden Konzept der „Entweltlichung“ reagiert. „Welt“, das ist alles um uns herum, und nur das. Mehr gibt es nicht, wird gesagt. Und weil wir glauben, Herren der Welt zu sein, glauben wir auch, Herren unserer selbst zu sein.

Mehr gibt es nicht, wird gesagt

Das kann es nicht sein. Jedenfalls werden alle Christen sagen müssen, dass die Welt um uns herum nicht alles ist, dass da mehr ist. Dass da Gott ist. Und in Gott ewiges Leben, Erlösung, Vergebung.

Aber das löst noch nicht die Frage, wie wir mit dem Wandel umgehen. Papst Franziskus macht das ziemlich radikal, sein Zitat „diese Wirtschaft tötet“ aus Evangelii Gaudium ist da die Spitze der Kritik an einer Gesellschaft, die sich in der Welt eingerichtet hat und von Welt bestimmt wird, um in der Terminologie Benedikt XVI. zu bleiben. Es ist die Kritik an einer Welt, die Gott nicht kennen will, weil sie sich selbst genügt. Weil Gott ihre Funktionen und Wichtigkeiten in Frage stellt.

Aber in der Folge dieser Kritik wäre es fatal, sich in eine verklärte Vergangenheit zurück zu denken. Die Worte „bewahren“ und „Tradition“ haben da etwas Verführerisches. Natürlich ist es an uns, den ererbten Glauben weiter zu geben, die Tradition und die Schrift zu erzählen. Das ist aber auf keinen Fall mit Sentimentalität zu verwechseln.

Nicht mit Sentimentalität verwechseln

Wenn wir uns dem Wandel stellen, dem wir nun mal unterworfen sind, dann ist Kulturpessimismus keine Lösung. Er hält uns gefangen. In gewisser Weise ist das Festhalten am Früher selber auch noch eine „weltliche“ Reaktion. Glauben bewahren und verkünden ist nicht ein Festhalten am Gestern. Dem Wandel begegnen ist im Gegenteil etwas Kreatives, das bereit ist auch heute das Positive zu sehen, die guten Dinge zu stärken.

Eine christliche Gegenkultur muss auf Gerechtigkeit und Barmherzigkeit aufbauen, nicht auf dem Wunsch nach einer Sozialform und einem Glauben, die es beide so nie gegeben hat, sie man sich aber irgendwie vorstellt. Es braucht den Blick auf die Welt aus den Augen Gottes, die eine ganz andere ist als die, welche wir uns erschaffen haben. „Gottes Welt ist die Korrektur zur unseren“, eine kluge Beobachtung. Es gilt, nach vorne zu denken, nicht zurück. Oder noch einmal in den Worten des Papstes:

„Wir müssen uns bewusst sein, dass wir oft nicht wissen, mit diesen neuen Situationen umzugehen. Manchmal träumen wir von den ‚Fleischtöpfen Ägyptens‘ und vergessen, dass das Gelobte Land vor uns liegt, nicht hinter uns.“

 

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Bewahren, Bruch, Entweltlichung, Hermeneutik, Identität, Kirche, Vergangenheit, Wandel5 Kommentare zu „Das gelobte Land liegt vor uns, nicht hinter uns”

„Hoffnungsmüde“ – Gedanken zu Kirche und Wandel

Veröffentlicht am 30. Januar 201930. Januar 2019
Kraft um zu reparieren Santa Maria di Collemaggio, l'Aquila: Auch diese Kirche braucht Wiederaufbau, nach dem Erdbeben von 2009

„Hoffnungsmüde“: ein Wort von Papst Franziskus, gesprochen in Panamá bei seiner Reise zum Weltjugendtag. Er hat es zu Ordensleuten und Priestern gesagt, aber mir scheint es ein guter Begriff zu sein um die Debatten hier bei uns zu verstehen, die sich um Kirche und Erneuerung drehen. Was tun? Muss sich Kirche wandeln? Sich neu erfinden oder nicht? Ist die alte Zeit zu Ende? Was passiert mit Kirche und Veränderung?

Die Zitate in den Fragen stammen aus den vergangenen Wochen aus den Debatten um den Umgang mit Missbrauch, Autorität und die Frage, wie sich Kirche angesichts all dessen verändern muss.

Kirche und Veränderung

Dass eine Zeitenwende eingetreten sei, das sagt Bischof Franz-Josef Oberbeck (Essen). Es brauche eine „ernsthafte Erneuerung der Kirche“, alles müsse auf den Tisch, Priesterbild und Weiheamt, Hierarchie, Zölibat, Frauenamt und Sexualmoral. Nun gehe es nicht darum, eine bestimmte, vertraute Gestalt der Kirche zu retten, sondern „nach neuen Wegen zu suchen, um mit Gott in Berührung zu kommen”.

Bischof Rudolf Voderholzer (Regensburg) sagt dagegen, Kirche müsse sich nicht „neu erfinden“. Kirche sei Projekt Gottes, und dürfe nicht organisatorisch-menschlich verstanden werden. Neue Wege: Ja, Bekehrung: auf jeden Fall. Aber eben keine Zeitenwende.

Damit hatte Voderholzer – direkt oder unabsichtlich – auf Bischof Georg Bätzing (Limburg) reagiert, der von „neu erfinden“ gesprochen hatte. Es brauche Veränderung. Kirche müsse sich vermehrt daran orientieren, was Menschen bräuchten, eine milieu-gestützte Weitergabe des Glaubens gebe es fast nicht mehr.

„Neu erfinden“?

Interessant ist eine Erfahrung, die Bätzing aus seinem Bistum berichtet und die den Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauch und der Erschütterung der Kirche darüber herstellt. Es habe es ansprechen müssen, von selber sei die Sprache nicht darauf gekommen. Aber sobald es angesprochen worden sei, hätten die Leute „gesprudelt“. Da sitzt also was tief drin, das von sich aus nicht artikuliert werde, Aggression, Enttäuschung, Wut. 

Daraus ziehet ich den Schluss, dass wir keine Debatte um Erneuerung führen können, ohne diese Dimension aktiv in die Debatte einzubringen.

Die verschiedenen und zugegeben etwas wahllos heraus gegriffenen Wortmeldungen (ich habe nur die letzten Wochen berücksichtigt und auch nur Bischöfe) können zu einer Art von Lähmung führen. Wenn ich eine Lösung suche, die all die verschiedenen Ansätze und Überzeugungen vereint, dann sind wir schnell blockiert. Und hier kommt dann für mich beim Thema Kirche und Veränderung das Papstwort von der „Hoffnungsmüdigkeit“ ins Spiel.

„Es ist eine lähmende Müdigkeit”

„Es ist eine lähmende Müdigkeit. Sie beginnt damit, dass wir vorausschauend nicht wissen, wie wir angesichts der Intensität und der Ungewissheit des Wandels, den wir als Gesellschaft durchmachen, reagieren sollen“. Der Papst sprach davon, wie schwer es sei, unter den Bedingungen von heute Ordensleben zu leben, aber ich lese das auch als Schlüssel für das leben als Christin und Christ in Gemeinschaft, in Kirche, überhaupt.

„Die Hoffnungsmüdigkeit kommt von der Feststellung, dass die Kirche durch ihre Sünde verwundet ist und dass sie viele Male die zahlreichen Schreie nicht zu hören vermochte, in denen sich der Schrei des Meisters verborgen hatte: ‚Mein Gott, warum hast du mich verlassen‘ (Mt 27,46).“ Damit meint der Papst auch den Missbrauch, den geistlichen, den sexuellen, und den Missbrauch von Macht und Autorität.

Fallen und Enttäuschungen

Die Falle sei nun ein „grauer Pragmatismus“. „Enttäuscht von der Wirklichkeit, die wir nicht verstehen oder in der, wie wir meinen, kein Platz mehr für unser Angebot ist, geben wir einer der übelsten Häresien unserer Zeit „Bürgerrecht“, nämlich zu denken, dass der Herr und unsere Gemeinden in dieser neuen Welt, wie sie abläuft, nichts zu sagen noch zu geben hätten (Evangelii Gaudium, 83).“

Wie da heraus kommen? Rezepte gibt es keine, vielleicht sind die Realitäten auch zu verschieden, um mit einer Lösung darauf reagieren zu können. Überhaupt, von einer Lösung zu sprechen ist vielleicht sogar falsch, es braucht Antworten.

Ein Hinweis vom Papst bekommen wir, wenn wir in der Zeit etwas zurück gehen und das Wort „Hoffnung“ aufgreifen. Der Papst hat es einmal in einer Videobotschaft so ausgedrückt: „Paulus sagt nicht „der Herr hat zu mir gesprochen und gesagt“, oder „der Herr hat mir gezeigt oder mich gelehrt“. Er sagt „er hat mir Barmherzigkeit erwiesen“.“

Antworten, nicht Lösungen

Eine Antwort auf die Müdigkeit liegt also darin, darauf zu schauen, wie Gott mit uns umgeht. „Es ist keine Idee, kein Wunsch, keine Theorie, schon gar keine Ideologie, sondern Barmherzigkeit ist eine konkrete Art und Weise, Schwäche zu „berühren“, sich mit anderen zu verbinden, einander näher zu kommen.“

Hoffnung entsteht mit Gott. „Um zu verstehen und zu akzeptieren, was Gott für uns tut – ein Gott, der nicht aus Angst denkt, liebt oder handelt, sondern weil er uns vertraut und erwartet, dass wir uns wandeln – muss vielleicht dieses unser hermeneutisches Kriterium sein, unser Modus Operandi: „Geht und handelt genauso“ (Lk 10:37). Unser Umgang mit anderen darf deswegen niemals auf Angst aufbauen, sondern auf die Hoffnung Gottes in unsere Umkehr.“

Noch einmal zurück zur Panama-Ansprache: Die Müdigkeit lasse sich nur durch die immer neue Begegnung mit Christus in Hoffnung verwandeln. Und das bedeutet die Begegnung mit dem, der uns barmherzig ansieht. Das bedeutet akzeptieren, dass wir – einzeln und in Gemeinschaft – verwandelt werden müssen.

Wir müssen verwandelt werden

Und damit verschieben wir das Problem der Veränderung nicht ins Spirituelle. Damit gehen wir den vielleicht harten Entscheidungen nicht aus dem Weg.  Bischof Overbeck hatte es so gesagt: Neue Wege suchen, mit Gott in Berührung zu kommen. Und die Voraussetzung dafür ist, zu schauen, wo Gott schon in Berührung mit uns war und ist.

Kirche und Veränderung – das wird in der Zukunft nicht einfacher. Lösungen und Rezepte gibt es nicht. Aber wenn unser Christsein von dem geprägt ist, wie Gott sich zu uns verhalten hat, in Barmherzigkeit, dann ist er erste Schritt gemacht und dann kann man auch die verschiedenen Wege vorwärts ideologiefrei besprechen. Dann lähmt das nicht in Müdigkeit, sondern dann bewegt sich da was.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Erneuerung, Kinderschutz, Kirche, Kirchenreform, Missbrauch, Papst Fanziskus, Reform, Wandel28 Kommentare zu „Hoffnungsmüde“ – Gedanken zu Kirche und Wandel

Die ersten Synodentage: Die Verschiedenheit und die Autoritätsfrage

Veröffentlicht am 6. Oktober 201811. November 2018
Morgengebet in der Synodenaula Beginn mit Gebet: Es soll auch ein geistlicher Austausch sein

Hören, Missbrauch, Armut und Migration, Sexualmoral: all das kam auf den Tisch. In den ersten Tagen der Bischofssynode ging es um die Realitäten, in denen Jugend und junge Menschen heute Leben. Vier mal trafen sich alle Teilnehmer in Plenarsitzungen, um dann – ab Freitag Nachmittag – in Kleingruppen das gehörte zu beraten.

Morgengebet in der Synodenaula
Beginn mit Gebet: Es soll auch ein geistlicher Austausch sein

Zeit für einige Gedanken dazu, drei Punkte möchte ich nennen, die ich aus diesen ersten Tagen mitnehme, erstens die Breite der Themen, zweitens eine gewisse Hilflosigkeit, drittens die Anfrage an Autorität in der Kirche.

Zuvor aber noch ein erster Eindruck, nach dem werde ich in den vergangenen Tagen besonders oft gefragt. Und schließlich sitze ich ja als Beobachter drinnen.

Es ist weniger kontrovers in diesem Jahr. Vor drei und vier Jahren, bei der Doppelsynode zur Familie, ging es – vor allem auch im Umfeld – aggressiv zu, drinnen wurde stärker gestritten. Es ging stärker um das Festzurren und Vertreten von Positionen. Das ist jetzt und bisher anders. Es geht viel mehr um Inhalte, um Interesse, die Fixierungen auf das, was einige Synodenteilnehmer gesagt haben (Kasper, Müller, Caffarra … sie wissen schon) gibt es nicht. Und das ist gut so. Aber nun zu meinen Punkten:

 

Der Streit ist nicht das Wichtigste

 

Ein erster Punkt: Die Breite der Themen. Das ist nicht wirklich eine Überraschung, die Realitäten auf der Welt sind so unterschiedlich, da muss man notgedrungen breit aufmachen, wenn man alles irgendwie einbeziehen will.

Oben habe ich einige Punkte schon angerissen, einige weitere möchte ich nennen:

  • Die Frage nach der Weitergabe des Glaubens an die folgenden Generationen
  • Die Frage nach Generationengerechtigkeit (der Jugend mehr zugestehen)
  • Der Jugend gemäße Liturgie, selbst wenn das dann nach Pentecostalen Kirchen aussieht (vor allem in Afrika eine Frage)
  • Die Rolle von Musik
  • Falsche und verführende Nationalismen
  • Digitaler Kulturwandel
  • Bürgerkrieg und Kindersoldaten
  • Freiheit wider die Manipulation, durch Technik, durch Konsum
  • Die Tatsache, dass viele Länder jung sind in dem Sinn, dass bis zur Hälfte der Bevölkerung jung sind, anders als unsere eigene überalterte Gesellschaften
  • Missbrauch, Armut, Migration und Sexualmoral hatte ich schon genannt.

Das sind einige der mehrfach genannten Themen, dazu kamen noch viele weitere, vor allem auf konkreten Erfahrungen aufbauende Berichte. Das hat noch keinen Fokus, kein Hauptthema, soll es auch gar nicht haben. Es ist aber ein guter und weiter Blick auf die Welt durch die Brille von Glauben und Schrift. Das war in der Aula spürbar.

 

Wie geht das heute, Kirche sein?

 

Ein zweiter Punkt: Wir wissen nicht mehr, wie das geht, heute Kirche sein. Ab und zu wurde es ausgesprochen, oft genug klang es bei Beiträgen mit, eine gewisse Hilflosigkeit wenn die Frage aufkam, wie heute Kirche zu gestalten ist, so dass sie auch für die kommenden Generationen „hält“.

Die Welt ist nicht mehr so, wie sie war, digitaler Wandel und Migration sind nur zwei der weltweiten Phänomene – neben anderen – welche alles für immer ändern. Die Schwergewichte auch der Weltbevölkerung verschieben sich, Kultur wandelt sich. Kirche weiß oft genug nicht, wie darauf reagieren.

Man sieht das daran, dass Kirche oft genug wie aus der Zeit gefallen wirkt. In den USA etwa gibt es eine Studie des PEW-Instituts die zeigt, dass die Katholische Kirche zu den schlechtesten Glaubensgemeinschaften gehört wenn es darum geht, Glauben an die folgende Generationen weiter zu geben. Wir sprechen wenn wir ehrlich sind auch die digitale Sprache nicht. Die Moralvorstellungen werden schlicht nicht mehr gehört. Sakramente werden als hohl oder langweilig empfunden. Alles aus Stellungnahmen in der Aula.

 

Unbehagen

 

Der Diversität gegenüber ratlos und mit Unbehagen, sagt das Instrumentum Laboris dazu.

Und das sind nicht nur soziologische oder praktische Fragen. Das hat auch theologische Dimensionen, Kirche gibt es halt nie nur im Abstraktum, sondern immer nur gelebt, bezeugt, gefeiert. Wenn das nicht mehr gelingt, haben wir auch theologisch gesehen ein Problem.

Aber es ist das Land, das Gott uns jetzt gegeben hat, wie ein Teilnehmer sagte. Es hat keinen Sinn, sich zurück zu sehen, nach den guten alten Zeiten, die dann auch gar nicht so gut waren.

 

Kreativ trotz allem

 

Wie das gehen soll kann man nicht in einem Saal entscheiden, schon gar nicht für die ganze Welt auf einmal. Aber es ist gut, dass das gesagt wird, die Hilflosigkeit ist nicht hilflos, wenn ich das so sagen darf, sondern kreativ. Weiterlesen “Die ersten Synodentage: Die Verschiedenheit und die Autoritätsfrage”

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Bischofssynode, Glaube, Jugend, Jugendsynode, Kirche, Papst Franziskus, Rückblick, Themen, Wandel, Woche22 Kommentare zu Die ersten Synodentage: Die Verschiedenheit und die Autoritätsfrage

Kakapos und Senatoren

Veröffentlicht am 16. Juni 20163. Juni 2016

Manchmal liegt die Lösung so nahe: Immer wenn Papst Franziskus oder jemand anders auf ein Verständnis von Religion als Gesetzesreligion schimpft – eine Art „Malen nach Zahlen”, wo man nur in der richtigen Reihenfolge das Richtige tun oder sagen muss – dann frage ich mich, warum Leute so sehr darauf setzen. OK, das gibt Sicherheit und so, aber warum versteift man sich nur so sehr darauf?

Strigops Habroptilus - der Kakapo.
Strigops Habroptilus – der Kakapo. Oder auch einfach ein römischer Senator

Die einzige Lösung für die Kirche in der sich wandelnden Welt sei es, um so stärker an der Lehre festzuhalten. Den Glauben zu festigen, indem man den Katechismus liest. Die „Verfolgungen“ – also die Nicht-Akzeptanz durch die Umwelt – als Reinigung wahrzunehmen. Und auf keinen Fall abzuweichen von Glaubens- und Sittenlehre, wobei Letztere meistens weit vor Ersterer rangiert.

Neu ist das nicht. Wir ich neulich bei der Lektüre einer Biografie zu Julius Caesar feststellte. Der brachte damals das politische System Roms erst ins Schwanken und dann zum Einsturz, so dass der Biograf sich fragte, warum Cicero & Co dem nichts entgegen zu setzen hatten. Und dann fällt dieser Satz:

„Es war seit alters in Rom großer Wert darauf gelegt worden, dass die Sitte der Väter bewahrt und weitergegeben würde. Und da keine wusste oder auch nur denken konnte, dass die römische Ordnung in ihrer ganzen Zurichtung den veränderten Anforderungen der Zeit nicht mehr genügte, konnten alle angesichts von Krisen und Notlagen nur die eine Erklärung finden, dass die alte Sitte nicht mehr recht praktiziert würde. Daher war es notwendig, sie um so genauer zu üben.“ Christian Meier: Caesar. München 2004, S. 160

 

Das Scheitern der Senatoren

 

Man kann sich nichts anderes denken, also macht man das, was man kann, nur noch mehr.

Das ist wie der Kakapo. Kennen Sie den Kakapo? Das ist ein Papagei auf Neuseeland, der vor allem durch den Autor Douglas Adams berühmt wurde, der Folgendes zu berichten weiß: Die Insel Neuseeland ist zur Entstehung aus dem Meer aufgestiegen, es gibt also ursprünglich keine Landtiere, sondern nur Vögel. Und weil Fliegen energieaufwändig ist, hat der Kakapo im Laufe der Entwicklung das Fliegen eingestellt. Er ist flugunfähig geworden. Sein einziger Gegner war er selber, zu viele Kakapos hätten die Ernährungsgrundlage gefährdet, also hat der Kakapo ein komplexes Balz- und Vermehrungsverhalten entwickelt, um das zu vermeiden. Kurz: In Zeiten der Krise hilft nur eins – weniger vermehren.

Und dieses Verhalten wendet er wie die römischen Senatoren nun auch in aktuellen Krisen, bei den seit Jahrhunderten eingeschleppten Katzen und Ratten und so weiter an: er vermehrt sich immer weniger, schließlich war diese Strategie ja über Jahrtausende hilfreich.

Resultat: der Kakapo ist vom Aussterben bedroht. Wie der unabhängige römische Senat es auch war. Weil man an Lösungsstrategien festhält, die hilfreich waren, es aber vielleicht gar nicht mehr sind.

Bevor hier in der Kommentarspalte wieder „der will die Lehre ändern“ steht: darum geht es nicht, darum ist es nie gegangen. Es geht nur darum, wie der Auftrag Jesu an die Kirche, sein Reich zu verkündigen und ihm nachzufolgen, heute gelebt werden kann. Nicht durch Kopie der Rezepte der Vergangenheit, bei aller Wertschätzung. Sondern nur durch eigene Antworten.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Glauben, Kakapo, Lehre, Senat; Julius Caesar, Veränderung, Wandel22 Kommentare zu Kakapos und Senatoren

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