„Ich persönlich vertraue mein und euer Leben dem unbefleckten Herzen Mariens an, das, da bin ich mir sicher, uns zum Sieg verhelfen wird.“ Ganz neue Töne waren das von jemandem, von dem man bislang nicht viel in Sachen Religion gehört hatte: Matteo Salvini im Wahlkampf vor der Europawahl war das. Er stand vor dem Dom in Mailand, mit dem Rosenkranz in der Hand. Rosenkranzpolitik zum Stimmenfang.
Und das darf er. Es hat ja aus der Kirche viele Stimmen gegeben, die sich heftig aufgeregt haben. Eine zynische Politik betreibe er, überhaupt nicht auf Lösungen aus sondern nur auf Streit um die eigene Polularität zu steigern, und jetzt soll der Rosenkranz helfen? Ja, Salvini darf das.
Rosenkranzpolitik
Auch hier habe ich mich ja schon mal in eine andere Richtung geäußert, damals ging es um das verpflichtende Kreuz in Bayern. Dreist hatte ich die Aktion genannt. Aber jetzt liegen die Dinge etwas anderes. Es ist die Person Salvini, die sich mit dem Rosenkranz schmückt, nicht eine Verordnung für alle öffentlichen Orte. Er mutet den Rosenkranz deswegen nicht allen zu, man braucht nur weggehen von Salvini und schon ist das außer Sicht. Bei den Amts-Kreuzen geht das nicht.
In gewisser Weise dürfen wir sogar dankbar sein. Nicht nur dass solche Aktionen und Christen dazu zwingen, über unsere Symbolik nachzudenken. Sondern auch die Tatsache, dass viele Katholiken ihm das durchgehen lassen sollte der Kirche zu denken geben. Sich beschweren ist das eine, aber es zeigt eben auch, dass wir nicht mehr die Herren unserer Symbole sind.
Nicht mehr Herren unserer Symbole
Auch von anderer Seite gibt es das, die Politisierung von Religion und Glaube. Nein, ich meine nicht die Helfer, ich meine nicht den Papst. Nehmen wir den berühmt gewordenen Kardinal Raymund Leo Burke. Der behauptet zum Beispiel, dass Gott gegen eine weltweite Regierung sei. Dass man das aus politischen Gründen auch so sehen kann, ist eine Sache. Er aber meint, das Naturrecht und damit „göttliche Autorität“ in Anspruch nehmen zu können.
Und auch hier: der darf das. Wenn er bereit ist, sich einem rationalen Argument über Naturrecht zu stellen, dann darf er das so sagen. Beide Argumente – so unterschiedlich sie auch sind – haben aber eines gemeinsam: sie ziehen die Spären von Glaube/Religion und Politik/Gesellschaft zusammen. Bei beiden wird es dann schräg wenn man dann hört, Kirche habe sich bei gewissen Themen rauszuhalten. Nein, hat sie nicht, denn gerade die Rosenkranzpolitik zeigt, dass die beiden Dinge zusammen gehören.
Kirche braucht sich nicht rauszuhalten
Ende Juni war in Lampedusa die Kapitänin der Sea Watch 3 festgenommen worden, nachdem sie unerlaubt in den Hafen eingelaufen war. Die Geschichte ging durch die Medien. Die rechtliche Seite ist mindestens komplex, Seerecht, nationales und internationales Recht hier auseinander zu halten ist nicht einfach.
Klar ist aber auch die christliche Sichtweise: „Ich glaube, dass Menschenleben auf jeden Fall gerettet werden müssen – egal auf welche Weise.“ Das sagte damals ungewohnt direkt Kardinal Pietro Parolin, der engste Mitarbeiter von Papst Franziskus, als Reaktion. Das Retten von Menschenleben müsse „der Polarstern sein, der uns leitet“, so der Kardinal weiter. „Alles andere ist zweitrangig.“
Papstbrief und Bekehrung
Wer den Rosenkranz schwingt, der muss sich solche Sätze anhören. Aber wer solche Sätze sagt, der muss auch zur Kenntnis nehmen, dass viele Gläubige das nicht so sehen und Christentum mit Nationalismus paaren. Dass sie sich Lebensschützer nennen, das aber auf Abtreibung beschränken. Solange vor den Kathedralen dieser Welt und sonstwo das Christliche für das Politische in Anspruch genommen wird, solange muss das Christliche sich fragen, wofür es steht.
Die Rosenkranzpolitik verweist letztlich auf eine leere Religion. Eine Religion zur Selbstbestätigung und zur Beruhigung, ein echtes Opium für das Volk. Eine Religion die nicht weh tut, die sich rückstandsfrei auf die jeweils eigene Kultur zurückführen lässt.
Papst Franziskus hat recht, wenn er in seinem Brief vor allem auf die „Bekehrung“ wert legt. Wir Katholiken müssen uns neu bewusst werden, was wir da eigentlich glauben und wofür wir deswegen stehen. Das kann man nicht einfach herbei behaupten, dass muss die Kirche schon gemeinsam tun. Wenn wir das nicht tun, dann bleibt beides – der Rosenkranzschwinger auf der einen und der Kardinal auf der anderen Seite – letztlich belanglos.