„Was machen wir hier?“ Mit diesen Worten begann Papst Paul VI. seine Predigt heute vor 50 Jahren am ersten Fastensonntag, den 7. März 1965. Die Frage war berechtigt, denn es war eine besondere Messfeier. Was sie so besonders machte, war die Form: zum ersten Mal feierte ein Papst die Messe in der Volkssprache, also auf Italienisch. Es war noch nicht das neue Messbuch, das sollte erst 1970 promulgiert werden, auch war noch nicht die ganze Messe in Italienisch, aber es war der Schritt, den das Vatikanische Konzil gewollt hatte und den Papst Paul nun vollzog. Der Papst feierte die Messe in der Kirche Ognissanti – Allerheiligen – in der an diesem Abend Papst Franziskus die Messe feiern wird, um dieses Ereignisses zu gedenken und den Ritus der Kirche zu würdigen.
Also, „was machen wir hier?“ Paul VI. nennt zwei Aspekte des feierlichen Ritus, einen außerordentlichen und einen gewohnten und ordentlichen, wie er sagt. „Außerordentlich ist die heute neue Form des Betens, der Feier der heiligen Messe. Wir beginnen heute die neue Form der Liturgie in allen Pfarreien und Kirchen auf der Welt, für alle Messen, an denen das Volk teilnimmt.“ Nebenbemerkung meinerseits: Es ist eine neue Form des Ritus, nicht der neue Ritus. Dies nur all denen gesagt, die vom neuen Ritus und von dem alten Ritus sprechen, das stimmt so nicht. Nur die Form hat sich geändert.
Dialog zwischen Gott und den Menschen
„Es ist ein großartiger Augenblick, den wir als Beginn eines blühenden geistlichen Lebens erinnern sollten, wie einen neuen Auftrag, dem großen Dialog zwischen Gott und Mensch zu entsprechen.“ Die Sprache ist formal, auch im Italienischen sehr komplex und wie mir wirkliche Italienischkenner sagen literarisch, in der Übersetzung – zumal durch mich – wirkt es etwas sperrig. Aber die Idee ist klar.
„Was ist der Ritus, den wir hier feiern? Es ist eine Begegnung dessen, der das Göttliche Opfer darbringt mit denen, die ihm assistieren. Diese Begegnung muss deswegen voll und herzlich sein. Es ist deswegen nicht unangebracht, dass der Zelebrant – in diesem Fall der Papst – einige Male an die Anwesenden diesen Gruß richtet: Der Herr sei mit Euch!“
Papst Paul mache eine liturgische Katechese, die Worte sind noch völlig neu, die Gläubigen kennen sie noch nicht, dieselben Worte die wir heute vielleicht im Schlaf aufsagen könnten. Ich habe ein vergleichbares Phänomen vor einiger Zeit bemerkt, als die Worte ebendiesen Grußes im Englischen verändert wurden, die Antwort lautet nun „and with your spirit“ und nicht mehr „and also with you“. In der englischsprachigen Gemeinde, in die ich manchmal gehe, hörte sich das dann manchmal eher nach „and also with–eh–spirit“ an. So ähnlich muss das damals auch gewesen sein, man war das einfach noch nicht gewohnt. Und deswegen erklärt Papst Paul den Ritus.
Jeder solle bereitwillig antworten: „Und mit deinem Geiste!“, erklärt der Papst weiter, er geht auf die Konstitution der Gemeinde ein, die in diesem Augenblick und durch diesen Gruß beginnt.
Sein erster Gedanke dreht sich wie angedeutet um die Begegnung, der zweite um die versammelte Gemeinde bei der Eucharistie: „Die heilige Messe, das heißt die Anwesenheit Christi mitten unter uns. Der Papst [Paul VI. spricht von sich wie früher üblich in der dritten Person] möchte, bevor er auf diese sakramentale und reale Anwesenheit hinweist, den geliebten Zuhörern eine große Wahrheit mitteilen. Durch die einfache Tatsache, dass wir uns hier gemeinsam einfinden, zusammen gekommen im Namen Christi, vereint um an ihn zu denken und ihn anzubeten, sind wir bereits in seiner Anwesenheit.“ Das war zuletzt im Konzilsdokument zur Liturgie, Sacrosanctum Concilium, genau so dargelegt worden, vlg. dort Nr. 7. „Gegenwärtig ist er schließlich, wenn die Kirche betet und singt, er, der versprochen hat: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20)“. Soweit das Konzil, es lohnt sich durchaus den gesamten Abschnitt zu lesen, in dem alle Weisen der Präsenz Christi aufgezählt sind.
„Christus ist hier: Die Gemeinde vergegenwärtigt seine Anwesenheit in Mitten der Gläubigen, und auf diese Weise wird dasselbe christliche Volk, wie man sagen kann, sakramental, heiligen Zeichen der Anwesenheit des Herrn“, so der Papst in seiner Predigt weiter. Es folgt dann eine andere Weise der Präsenz Christi, die das Konzil nennt: Im Wort Gottes, zusammen mit der Auslegung des Sonntagsevangeliums, das nicht direkt mit den katechetischen und mystagogischen Worten zu Beginn zu tun hat und das ich hier ausspare.
Die Gemeinde als heiliges Zeichen, das ist für die Menschen dort in der Gemeinde in Ognissanti neu, das war für alle neu, aber mit der Messe vor 50 Jahren zieht es in die Liturgie ein.
Zwischenschritt
Das Messbuch war aber nur ein Zwischenschritt, bevor 1970 die endgültige Form des Ritus approbiert wurde, geschahen noch viele Änderungen, auch an der Form, wie sie Paul VI. 1965 genutzt hatte. Es gab noch weiterhin viel zu erklären. Und auch heute scheint mir, dass vieles nicht klar ist, dass vieles vergessen ist, dass vieles von der Liturgie nicht mehr das zeigt, wofür es reales Zeichen ist. Ist die Gemeinde wirklich Anwesenheit Christi? Sehe ich das so, wenn ein Gottesdienst beginnt?
Reine Bildung, also Erklären und wieder Erklären, hilft da nicht, eine Messe ist keine Vorlesung. Aber auch das Erstzen des Zeichens duch das Gefühl des Erhabenen kann da nicht ausreichen. Die Frage Papst Pauls VI., „Was machen wir hier?“, klingt deswegen in meinen Ohren so wichtig wie vor 50 Jahren. Zeit, unsere Liturgie noch einmal zu durchdenken und zu durchbeten.
Gut gemeint ist leider, wie so oft, nicht gut gemacht. Diese neue Form des Ritus, wie das gesamte Konzil, haben das erwünschte Ziel nicht erreicht. Die Kirchen haben sich weiter geleert und der Glaube ist weiter verdunstet. Von den Verwilderungen, die teilweise in sogenannten „gestalteten“ Messen passieren, soll in diesem Zusammenhang keine Rede sein. Natürlich kann man auch im neuen Ritus die Messe würdig feiern.
Das ist mit Verlaub ein ziemlich allgemeines Urteil: Das Konzil hat das gewünschte Ziel nicht erreicht. Was meinen Sie damit?
Aber sicher hat das Konzil einige Ziele erreicht, wenn man sich mal mit der Zielsetzung in ihrer Ganzheit erreicht
Werter Klaus, Ihren letzten Satz finde ich wichtig. Man kann mit der sogenannten neuen Liturgie wunderbar die Eucharistie feiern. Dass Leute ihre Arbeit schlampert machen gibt es in jeden Beruf; wobei schlampert ja auch abhängig davon ist, wer da zusammen ist und wer was, wie bewertet. Als Gemeinden sich am Anfang der Kirche noch in den Hauskirchen versammelt haben, war die Eucharistiefeier noch mit einem Sättigungsmahl verbunden; daraus erschloss sich ihre Sinnhaftigkeit unmittelbar; die kaiserliche Empfangshalle (Basilika) ist zwar schön, inhaltlich wohl eher ein verführerisches Diabol. Es war ein heiliges Essen, auch wenn bei manchen Leuten vor Trient die große Amnesie einsetzt. Hier stehen wir erst an einem Anfang. Und stellen wir uns vor, es hätte das Konzil nicht gegeben; das Szenarium finde ich wenig erfreulich.
Ich kenne einige Leute, die sich als Nichtchristen bezeichnen. Bei Diskussionen fällt auf, dass sie die biblische Botschaft nicht kennen, sie reiben sich an der Kirche. So sehr es mich schmerzt muss ich zugeben, dass die Kirche genügend Beiträge liefert, dass Menschen davon abgehalten, sich mit den heiligen Schriften und der jesuanischen Nachfolge zu beschäftigen. Deshalb finde ich die Hinlenkung von Papst Franziskus auf die zentralen Inhalte so bedeutsam. Vor einiger Zeit bin ich umgezogen und wollte mich bereitwillig in die Gemeinde integrieren. Ich machte mehrere Versuche und ging zur Messe. Die Gottesdienste sind rubrikenmäßig korrekt, aber wie tod; kein junger Mensch zu sehen; die Predigten schlecht vorbereitet; durchaus freundlich, aber ansonsten schwer erträglich. Ich bekäme in meinem Beruf Probleme, wenn ich eine solche Qualität abliefern würde. Die Pfarreien zugeordneten Priester werden bei uns für Ihre Arbeit bezahlt, es ist keine Freizeitbeschäftigung und kein ehrenamtliches Engagement. Nach menschlichen Maßstäben muss man froh sein, wenn sich niemand Fremdes in diese Messen verirrt. Sie erfolgen zwar nach den Rubriken des neuen Messbuches, aber der damit verbundene Geist (die Gemeinde als heiliges Zeichen versammelt sich zur großen Danksagung) war für mich nicht fühlbar. Und das liegt nicht am Messbuch, sondern daran, dass eine Feier eben etwas ist, was man auch sorgfältig vorbereiten muss. Früher dachte ich, man muss hinnehmen,was kommt; es kommt doch nicht auf die Leute an, sondern dass die Messe gefeiert wird. Von dieser Ideologisierung schlechter Arbeit habe ich mich verabschiedet; sie ist zu einem großen Teil eine Ausrede.
Ähnliche Erfahrungen habe ich auch gemacht. Bei mir kommt noch dazu, dass ich zehn Jahre mit Kindern kindergottesdienste vorbereitet habe und mich dazu im Vorfeld immer mit dem Pfarrer zusammengesetzt habe zu einer Meditation über das entsprechende Evangelium und dann ähnliches mit den Kindern gemacht habe – bis zum Gottesdienst hatten sich die Kinder dann über vier Wochen mit dem Evangelium beschäftigt und in meiner jetzigen Pfarrei empfinde ich auch diese Leere
Werte Brigitta, Sie schreiben auch von Ihren positiven anderen Erfahrungen; die habe ich auch: Die zehn Jahre in der letzten Gemeinde begannen ziemlich trist mit 18 Leuten in der Messe; mit dem neuen Pfarrer und mitdenkenden Laien entstand unspektakulär, aber kontinuilich ein lebendiger christlicher Ort, an dem sich jetzt ca. 150 Leute regelmäßig treffen. Es geht: Die Messe dauert dort über 60 Minuten und an Festen noch länger und ganz nebenbei hat sich die Diakonie eingeschlichen und ist chronisch dabei; die Predigt ist nichts anderes als die krude Auslegung der Heiligen Schrift, freitags zuvor treffen sich ca 15 – 20 Leute zum Bibelgespräch als Vorbereitung auf das Sonntagsevangelium; das Kollektenaufkommen ist erstaunlich, usw. usw. Kurz gesagt: es geht!
Weil ich Konzilsjahrgang bin, habe ich keine Vergleichsmöglichkeit zur vorherigen Weise der Messfeier.
Darum kann ich nur für meine Selbsterfahrung sprechen. Mit der „nachkonziliaren“ Liturgie vertraut, hat sie für mein Glaubensleben eine entscheidende Rolle gespielt, von der Muttersprache bis zur Möglichkeit, Ministrantin zu sein und ganz dicht am Geschehen.
So konnte ich lernen, sehen und einüben, was der Glaube ist, auf den ich getauft bin. Lernen im gemeinsamen Tun, kein Katechismusunterricht, sondern lebendige Vorbilder im Glauben. Das war ganz entscheidend dafür, das ich heute intensiv und mit Freude im Glauben verwurzelt und gewachsen bin, ja mich immer noch „nach dem ausstrecke, was ich ersehne“.
Papst Paul VI. sei Dank! 🙂
Ich freue mich das Konzil erlebt zu haben. Denn ich kenne noch sehr genau die Zeit davor. Ich erinnere mich an das Gefühl ausgeschlossen zu sein von dem, was da vorn am Altar passierte, von dem man ja nichts sah – und das, obwohl ich einen Schott besaß und mitlas. Und noch dazu dann die „verrückte“ Situation, dass kurz nachdem am Hauptaltar der Pfarrer mit dem „Lesen“ der Messe begonnen hatte, ein zweiter Pfarrer mit einem Messdiener aus der Sakristei kam und ebenfalls mit dem messelesen am Seitenaltar begann und sich das dann noch wiederholte mit einem Dritten Priester am zweiten Seitenaltar. Ich war ständig abgelenkt …
Und ich denke, dass der Rückgang des Messebesuches nichts mit der liturgiereform zu tun hat, sondern mit der Änderung der Lebensumstände zu tun hat. Früher stellte man sich außerhalb der dorfgemeinschaft, wenn man nicht zur Messe ging, heute habe ich die Wahl ohne mich aus der Gesellschaft auszuschließen
Das heute manchmal die Messe nicht immer sehr andächtig gefeiert wird nach Meinung mancher meint, war früher es auch nicht anders nur da fiel es nicht so auf. Und das es die „weihwasserkesselhalter“ nicht mehr gibt ist doch sehr positiv. Für die, die es nicht wissen: früher galt ein messbesuch als vollzogen, wenn man die Kirche erst nach der Predigt betrat also ratschten die Männer vor der Kirche und kamen erst nach der Predigt … (übrigens empfinde ich dies als genauso pervers wie der Brauch bei den evangelischen, die die Kirche verließen vor der Abendmahlfeier – wusste ich von meiner evangelischen Großmutter )
Das Dasein im Gottesdienst bedeutete nicht unbedingt, dass das Christentum im alltäglichen Leben mehr Bedeutung hatte als Tradition und Brauchtum (das war schon immer so)
„was mache ich hier“? Die Frage stellt sich mancher „Liturgie(be)sucher zu Recht! Mich persönlich kränkt die Zelebrationsrichtung am meisten; der Gottesbezug war in der einheitlichen Zelebrationsrichtung deutlicher gegeben. (weniger Ablenkung; bin Jhrg.1952)
Seltsamerweise kann ich mich (Jahrg. 51) noch sehr genau daran erinnern wie wir im Internat mit unseren Lehrerinnen allsamt Schwestern der Maria Ward (CJ) die erste Messe in deutscher Sprache feierten. Uns war bis dato das lateinische Gemurmel so in Fleisch und Blut übergegangen, das wir den Sinn nicht mehr hinterfragten, jung und ignorant wie wir waren, hat uns das was der Priester, der uns den Rücken zu kehrte, “da vorne“ tat, auch nicht besonders interessiert. Er war weit weg. Im Lateinunterricht übersetzten wir gemeinsam, verglichen mit dem Text aus Rom und lasen während der Messe die deutschen Texte vom Zettel ab. In der eigenen Sprache „verstanden“ wir wieder…Ja die heilige Messe ist keine Vorlesung. Wenn wir ihr mit allen Sinnen folgen dann erfahren wir etwas über das Mysterium des Glaubens. Dazu gehört für mich die „ Muttersprache“. Für mich ist das Deutsch. Obwohl ich meinen Glauben in der spanischen Sprache zurück gewonnen habe, bete ich bis heute still das Vater unserer in Spanisch sprachigen Messen auf Deutsch mit.
Vatikanum II ist das große Geschenk des Heiligen Geistes an seine Kirche, durch die Liturgiereform ist es dem „einfachen“ Volk möglich der heiligen Messe zu folgen, der Priester ist verständlich und den Menschen zugewandt. Latein mag die Kirchensprache sein aber das Volk Gottes hat viele Sprachen. Dass die Menschen verstehen und folgen können ist wichtiger als Rituale und kostbare Gewänder.
Ach so – Gott ist nur vorne zu finden? Wie hat denn Jesus das letzte Abendmahl gefeiert – er saß mit seinen jüngern am Tisch wahrscheinlich lag er sogar (war damals die Haltung beim Essen ) …
Ich darf darauf hinweisen daß im März 1965 eben die ganze Messe nicht in der Volkssprache war es galten die Bestimmungen der Instruktion
Inter Oecumenici aus dem Jahr 1964
die bestimmungen des Art 48 regeln die Frage des Meßordo
wäre es bei dieser Reform geblieben gäbe es das Problem der Traditionalisten nicht
Und genau so habe ich es ja auch geschrieben, teilweise in Italienisch und die endgültige Form dann später, 1970. Allerdings glaube ich nicht, dass sich die Probleme so nicht ergeben hätten. Viele derjenigen, die Sie Traditionalisten nennen, haben zum Beispiel massive Probleme mit der Religionsfreiheit, die das Konzil würdigt. Das hat dann gar nichts mit Liturgie zu tun (um nur ein Beispiel zu nennen).
das ist mir schon klar nur mit einem Frieden auf dem Gebiet der Liturgie wäre die öffentliche Emotion raus gewesen bei der frage der Religionsfreiheit z.b. geht es ja eigentlich um eine Philosophische Frage
Hat der Irrtum aus sich heraus ein Recht
Ich lese gerade die Konzils tagebücher des Sekretärs der theologischen Kommission Hw P. Sebastian Tromp und da sieht man sehr gut daß es lange nicht so dramatisch war wie Mgr Lefebvre auf der einen Seite und z.b. die schule von Bologna auf der andern seite es darstellen
http://www.amazon.de/KONZILSTAGEBUCH-Sebastian-Erl%C3%A4uterungen-Kommission-VATIKANISCHES/dp/3883096253
verzeihen sie bitte die Tippfehler ich bin Spastiker