Brasilien war nicht nur der Ort, an dem Papst Franziskus Jugendliche traf. Zwei mal traf er dort auch Versammlungen von Bischöfen, die Bischöfe des Landes und die Leitung der CELAM, aller Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik.
Aufsehen erregt haben dort seine zwei Ansprachen. Dort legt er aus, was er sich von der Leitung der Kirche erwartet. Dieses Thema kam dann auch bei den Beratungen des Kardinalsrates zur Sprache: Synodalität.
Der Papst geht ausführlich auf das hier schon häufig genannte Dokument von Aparecida ein und nennt eine Besonderheit: Die Methode. Hier habe man die Arbeit anders begonnen, man habe die Teilnahme der Teilkichen als Weg der Vorbereitung gefördert, so der Papst in seiner Ansprache an die CELAM. „Die anfängliche Arbeit bestand darin, die Sorgen der Hirten zusammenzutragen angesichts des Wandels der Zeiten und der Notwendigkeit, das Leben als Jünger und Missionar wiederzugewinnen, mit dem Christus die Kirche gründete.“ Die Arbeit an einem Dokument begann also vor Ort und mit der Perspektive auf Glauben und Weitergabe.
Mission, Beratung, Pastoral
Zweitens fiel mir bei der Neulektüre auf, dass der Papst in der Ansprache eine interessante Unterscheidung trifft. Die Weitergabe des Glaubens – das Kernstück des Dokumentes und des Verständnisses von Christentum – kennt zwei Dimensionen. Zum einen die paradigmatische Dimension und zum anderen die programmatische. Letzteres sind explizite Projekte der Verkündigung. Ersteres ist aber ebenso wichtig: „die gewöhnlichen Aktivitäten der Teilkirchen unter missionarischem Aspekt anzugehen,“ nennt er das. Interessant ist diese Unterscheidung, weil der Papst an diese Dimension – die paradigmatische – die „Dynamik der Reform kirchlicher Strukturen“ anhängt. Die Frage nach Leitung und nach Reform dreht sich also um die Frage, wie im Alltag und den gewöhnlichen Dingen des kirchlichen Lebens die Weitergabe des Glaubens gelebt werden kann und ihren Ausdruck findet. Wenn sie es nicht tut, dann muss reformiert werden.
Unter der Überschrift „Innere Erneuerung der Kirche“ stellt er dann Fragen, welche die Leitungen der Kirche sich stellen sollen. Ob sie mehr administrativ oder mehr pastoral seien, zum Beispiel. Ob man den komplexen Problemen eher reagierend oder voraushandelnd begegnen will ist die zweite Frage. Drei Fragen beziehen sich auf die Mitarbeit der Laien: Lassen wir (die Bischöfe) sie teilnehmen, sind wir uns ihrer eigenen Sendung bewusst und wissen wir, ob pastorale Mitarbeiter sich mit dem Auftrag identifizieren?
Ganz interessant mit Blick auf die Reformfragen, die im Augenblick debattiert werden, ist die Frage „Ist es für uns ein übliches Kriterium, unser Urteil in der Pastoral auf den Ratschlag der Diözesanräte zu stützen?“ und dann später „Das gute Funktionieren der Räte ist entscheidend. Ich glaube, dass wir darin noch sehr im Rückstand sind.“ Denken wir uns die Wertung einmal weg dann bleibt eine große Wertschätzung und die Aufforderung, auf diesem Gebiet noch mehr zu tun.
„Prinzen-Psychologie“
Es folgen dann einige Absätze, die etwas andere Themen behandeln und auf die später einmal eingehen möchte, weil sie sehr interessantes über die verschiedenen Versuchungen sagen, die uns bei der Wahrnehmung der Wirklichkeit begegnen. Dann aber kommt der Papst zurück auf die Leitung, die Bischöfe. „Der Bischof muss leiten, was nicht dasselbe ist wie sich als Herr aufzuspielen“ sagt er. Und weiter:
„Die Bischöfe müssen Hirten sein, nahe am Volk, Väter und Brüder, mit viel Milde; geduldig und barmherzig. Menschen, die die Armut lieben, sowohl die innere Armut als Freiheit vor dem Herrn, als auch die äußere Armut als Einfachheit und Strenge in der persönlichen Lebensführung. Männer, die nicht eine „Prinzen-Psychologie“ besitzen. Männer, die nicht ehrgeizig sind und die Bräutigam einer Kirche sind, ohne nach einer anderen Ausschau zu halten. Männer, die fähig sind, über die ihnen anvertraute Herde zu wachen und sich um alles zu kümmern, was sie zusammenhält: über ihr Volk zu wachen und Acht zu geben auf eventuelle Gefahren, die es bedrohen, doch vor allem, um die Hoffnung zu mehren: dass die Menschen Sonne und Licht im Herzen haben. Männer, die fähig sind, mit Liebe und Geduld die Schritte Gottes in seinem Volk zu unterstützen. Und der Platz, an dem der Bischof bei seinem Volk stehen muss, ist dreifach: entweder vorne, um den Weg anzuzeigen, oder in mitten unter ihnen, um sie geeint zu halten und Auflösungserscheinungen zu neutralisieren, oder auch dahinter, um dafür zu sorgen, dass niemand zurückbleibt, aber auch und grundsätzlich, weil die Herde selbst ihren eigenen Spürsinn hat, um neue Wege zu finden.“
Es sind alles Themen, die immer mal wieder in den Ansprachen des Papstes auftauchen, mal in den Morgenmessen, mal zu anderen Gelegenheiten. Aber hier fasst er das einmal zusammen.
Reform will geleitet sein. In diesen Worten kann man sehr deutlich hören und lesen, in welche Richtung Papst Franziskus das selber leiten will.
Nach der Lektüre bin ich zuversichtlich, dass das Erzbistum Köln demnächst einen neuen, guten Hirten für die rheinländisch-frohgesinnten Schafe bekommt, die nicht nur im Karneval gelegentlich ausbüchsen.
Vielen Dank für die sehr gute und klare Interpretation eines sogenannten „Leitbildes“ für die Bischöfe. Mir wird dadurch klar, welche wirklichen Haltungen (verbunden mit ganz besonderen Aufgaben ) das Bischofsamt ausmacht. Papst Franziskus spricht da eine Haltung an, die von ausgesprochener persönlicher Reife und der dazugehörigen spirituellen Reife durchdrungen ist. Für mich ist dieser Papst beispielhaft für eine gelungene seelische und spirituelle Entwicklung, die ich uns Menschen nur wünschen kann. Ich denke, dass man sie nicht einfordern kann, sondern nur sich selbst und andere ermutigt. Dazu gehören eben Mut und Erfahrungen des Loslassens, um wirklich zu diesem Wahren Selbst zu gelangen.
Bezüglich des Zitates:
Der Mensch ist immer ein ganzer Mensch. Also, man kann bereits an kleinen Dingen erkennen, ob jemand etwas taugt oder eben nicht. Der Mensch darf nie lau sein/werden, er muss brennen (auch noch mit 80)! Und der Papst gibt ganz konkret an, wie ein Bischof oder auch Priester das schaffen kann: Raus zur Herde und 100% geben! Und das kann er, wenn er die richtige Einstellung hat, nämlich die, dass jeder(!) Mensch „Sonne und Licht im Herzen“ trägt. Wunderbar gesagt (Franz von Assisi könnte dem wohl nur zustimmen)!
Ich denke doch, dass gerade Priester oder auch Ärtze es da sogar relativ leicht haben: Menschen kommen zu diesen Berufsgruppen bzw. Berufenen besonders dann, wenn es Ihnen schlecht geht… und wenn sie verzweifelt sind, sind sie ehrlich und deswegen zugänglicher und man kann dann wohl tatsächlich ihre „Sonne bzw. ihr Licht im Herzen“ erkennen bzw. – wenn nötig – auch wiederfinden.
Das, was der Papst von seinen Bischöfen verlangt, muss er aber in ähnlicher Weise auch von den Laien verlangen dürfen. Christsein bzw. Bischofsein hat nichts mit Friede, Freude, Eierkuchen zu tun – das wird hier ganz klar deutlich -, sondern mit Arbeit an sich selbst, auch mit Verzicht. Aber diese Arbeit sollte einen Menschen eben innerlich vollsten ausfüllen können bzw. nicht als Zwang verstanden werden.
Zur Erinnerung die Worte unseres Benedikt XVI.
„In der Kirche ist keiner Chef: Alle sind gerufen, alle sind eingeladen, alle werden erreicht und geführt von der göttlichen Gnade. Und das ist auch unsere Sicherheit! Nur wenn wir wieder das Wort Jesu hören, der uns in die Nachfolge ruft, und zur ursprünglichen Berufung zurückkehren, können wir unsere Mission in der Kirche als echte Jünger verstehen…“
„Kriterium für Größe und Vorrang“ in der Kirche sei „nicht Herrschaft, sondern Dienst“, so Benedikt pointiert: „Der Liebesdienst“ – griechisch Diakonia – „ist das Grundgesetz des Jüngers und der christlichen Gemeinschaft.“
„Das ist nicht die Logik des Herrschens und der Macht nach menschlichen Maßstäben, sondern die Logik des Sich-Beugens, um anderen die Füße zu waschen. Die Logik des Dienstes. Die Logik des Kreuzes, das an der Wurzel jeder Ausübung von Autorität in der Kirche steht. Zu allen Zeiten ist die Kirche aufgerufen, sich dieser Logik zu beugen und sie zu bezeugen, damit die wahre Herrschaft Gottes durchscheint: die der Liebe nämlich.“
http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=440654
Gott gibt Papst Franziskus die notwendige Kraft und Gnade bei der Umsetzung!
Was wäre es schön, wenn es hieße Bischöfe und Bischöfinnen – Männer und Frauen….ich geb die Hoffnung nicht auf….vielleicht ist unser Oberhirte auch da für eine Überraschung gut….notfalls durch die verschlossene Tür.