Die Fastenzeit ist eine Zeit der Vorbereitung. Sie hat ohne den Blick auf Ostern keinen Sinn. Noch so viel Verzicht und Besserwerden geht ins Leere, wenn die Perspektive auf Ostern nicht stimmt. Papst Benedikt XVI. verfasst – wie auch seine Vorgänger – zu jedem Jahr eine Fastenbotschaft, eine Meditation und geistliche Lektüre, in diesem Jahr zu einem Vers auf dem Hebräerbrief: „Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen.“ (Hebr 10,24).
Es ist ein biblischer Text, eine exegetische Auslegung ganz in der Art und Weise, wie der Papst seine Jesus-Bücher verfasst hat: Die Heilige Schrift lesen in der Gemeinde, für den gemeinsamen Glauben. In dem vom Papst gewählten Teil des Briefes geht es darum, Jesus dem Hohepriester zu vertrauen, da er uns Vergebung und Zugang zu Gott erwirkt hat. Die Verse dieses Abschnittes geben an, wie sich dieses Vertrauen in unserem Leben entfaltet:
„Es geht darum, dass wir „mit aufrichtigem Herzen und in voller Gewissheit des Glaubens“ zum Herrn hintreten (V. 22), dass wir „an dem unwandelbaren Bekenntnis der Hoffnung festhalten“ (V. 23), in dem ständigen Bemühen, gemeinsam mit unseren Brüdern und Schwestern „die Liebe und gute Taten“ zu wirken (V. 24).“ Die drei göttlichen Tugenden, so der Papst, werden ergänzt durch die Teilnahme am Gottesdienst und das gemeinsame Ziel: Die volle Gemeinschaft in Gott (V.25).
Die Fastenbotschaft betont drei Punkte: Das Aufeinander achten, also die Verantwortung gegenüber den Brüdern und Schwestern, das „einander“, also die Gegenseitigkeit, und schließlich den gemeinsam beschrittenen Weg der Heiligkeit.
Das erste Element ist die Aufforderung „achtzugeben“. Es ist ein Zeichen des von sich selbst weg Blickens, des nicht unbeteiligt Seins. Leider „überwiegt häufig die entgegen gesetzte Haltung: Gleichgültigkeit und Interesselosigkeit, die ihren Ursprung im Egoismus haben, der sich den Anschein der Achtung der „Privatsphäre“ gibt. Auch heute ertönt nachdrücklich die Stimme des Herrn, der jeden von uns dazu aufruft, sich seines Nächsten anzunehmen.“
Wir sollen „Hüter“ unserer Brüder und Schwestern sein, wie schon das Buch Genesis (4,9) vorgibt. Es geht um Beziehungen, um Sorge, um das Wohl des Anderen. Wir stehen in Verantwortung für dieses Wohl des Anderen, des Nächsten, wir leben nicht schlicht aneinander vorbei. Als Kinder Gottes können wir das gar nicht, denn ich erkenne im Nächsten Gott und ein „wahres Alter Ego“. Der Nächste wird von Gott unendlich geliebt. „Pflegen wir diesen brüderlichen Blick, so werden Solidarität und Gerechtigkeit wie auch Barmherzigkeit und Mitgefühl ganz natürlich aus unserem Herzen hervorströmen.“
Wir sollen also dem Anderen das Gute wünschen, ein Charakterzug, der unserer Kultur abhanden gekommen sei, so der Papst. „Die Heilige Schrift warnt vor der Gefahr der Verhärtung des Herzens durch eine Art „geistliche Betäubung“, die blind macht für die Leiden anderer.“ Beispiele seien die Leviten und Schriftgelehrten im Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10, 30-32) und das Gleichnis vom armen Lazarus (Lk 16,19 ff).
Was hindert den achtgebenden Blick auf den Nächsten? „Häufig sind es materieller Reichtum und Übersättigung, aber auch der Vorrang, der persönlichen Interessen und Sorgen gegenüber allem anderen gegeben wird.“
Das Sorgen für den Anderen kann ganz konkret sein, so der Papst, und er erinnert an eine alte christliche Tradition, die in Vergessenheit geraten sei: „die brüderliche Zurechtweisung im Hinblick auf das ewige Heil.“ Selbst wenn man sich um das leibliche und materielle Wohl des Nächsten kümmere, bleibe doch meistens die geistliche Verantwortung gegenüber den Brüdern und Schwestern auf der Strecke. Für die frühe Kirche war dies noch selbstverständliche Praxis, und auch gereifte Gemeinden kennen diese Praxis.
„In der kirchlichen Tradition zählt „die Sünder zurechtweisen“ zu den geistlichen Werken der Barmherzigkeit. Es ist wichtig, sich wieder auf diese Dimension der christlichen Nächstenliebe zu besinnen. Vor dem Bösen darf man nicht schweigen.“
Anpassung an die vorherrschende Mentalität sei genau das Gegenteil dieser Nächsten-Liebe, auch wenn sie selbst unter Christen verbreitet sei. Es gehe nicht um Verurteilung oder Beschuldigung, nicht um das Recht haben wie vor einem Gericht. Es gehe um Sorge und um einen gemeinsamen Weg. Selbst „der Gerechte fällt siebenmal“ (Spr 24,16), zitiert der Papst die Schrift.
Helfen – und sich helfen lassen – ist also Teil eines Dienstes aus Liebe heraus, nicht aus Herablassung, nicht aus Rechthaberei, sondern aus der Dynamik des Weges heraus, „zu aufrichtiger Selbsterkenntnis zu gelangen, um das eigene Leben zu bessern und rechtschaffener den Weg des Herrn zu verfolgen. Es bedarf immer eines liebenden und berichtigenden Blickes, der erkennt und anerkennt, der unterscheidet und vergibt (vgl. Lk 22,61), wie es Gott mit jedem von uns getan hat und tut.“
Zweitens geht es um das „Einander“: das Geschenk der Gegenseitigkeit
Bleibt unser Blick auf die Welt gerichtet und vergisst sie den Blick auf unser Ziel, vergessen wir den eschatologischen Gesichtspunkt, dann ist das das genaue Gegenteil von der Sorge, von der der Papst spricht.
Das, was der Papst im ersten Teil der Fastenbotschaft anspricht, nämlich das auf einander bezogen sein der Christen, die Sorge, aber auch das Erkennen der Liebe Gottes im Nächsten, das alles zeigt auf die „gesellschaftliche Dimension“ unseres Glaubens. Wir sind ein Leib, die Kirche, wir gehören zusammen. „Aufeinander achten bedeutet auch, das Gute zu erkennen, das der Herr in den anderen wirkt, und gemeinsam mit ihnen für die Wunder der Gnade zu danken, die Gott in seiner Güte und Allmacht unentwegt an seinen Kindern vollbringt. Erkennt ein Christ das Wirken des Heiligen Geistes im Mitmenschen, so kann er nicht umhin, Freude darüber zu empfinden und den himmlischen Vater dafür zu preisen (vgl. Mt 5,16).“
„Uns gegenseitig zur Liebe und zu guten Taten anspornen“: gemeinsam den Weg der Heiligkeit beschreiten
Abschließend spricht Papst Benedikt XVI. in der Fastenbotschaft für 2012 von einer Dynamik der „mehr“. Das Wort „anspornen“ weist auf ein Wachsen und Entfalten unserer Selbst aber auch der Kirche. „Auf der Linie dieser dynamischen Perspektive eines Wachstums liegt auch unsere Aufforderung, uns gegenseitig anzuspornen, um zur Fülle der Liebe und der guten Taten zu gelangen.“
Aber auch hier kommt uns die Lauheit in den Weg, der Geist ersticke. Die von Gott geschenken Talente bleiben ungenutzt. Und Stillstand bedeutet Rückschritt, eine uralte geistliche Einsicht. Diese Dynamik und dieses „mehr“ aufgreifend zitiert der Papst den Römerbrief: „Übertrefft euch in gegenseitiger Achtung!“ (Röm 12,10).
„Angesichts einer Welt, die von den Christen ein erneuertes Zeugnis der Liebe und der Treue zum Herrn fordert, mögen alle spüren, dass sie sich dringend bemühen müssen, einander in der Liebe, im Dienst und in den guten Werken zu übertreffen (vgl. Hebr 6,10)“, schließt Papst Benedikt XVI. seine Botschaft. Das unser Aufruf in der Vorbereitung auf das Osterfest.
Brüderliche Zurechtweisung klingt nicht gut. Achtsam und liebevoll..das ist was und den anderen nicht einsortieren, ihm oder ihr nicht die eigene Meinung aufdrängen..Gott als großes Vorbild, dazu müßte man ihn aber erst mal kennen.Jesus als Vorbild ist auch etwas problematisch, weil die Bibel ja nun etwas älter ist und die Deutung nicht einfach.Was ich auch sehe, nun ist Fastenzeit und man bekommt geballt alles um die Ohren gehauen, was eigentlich das ganze Jahr über dran sein muss.Ein Mensch, der sich nicht ändert, ändert sich oft deswegen nicht, weil die Umwelt es nicht will.Das Sozialgefüge bricht mit jeder Änderung auseinander. Dies als e i n Beispiel. Anstatt zwanghaft auf Dinge zu verzichten, fragen, warum man diese Dinge braucht.Ich kannte mal eine Ordensfrau, die immer besser sein wollte als die anderen und den Leuten ungefragt ihre guten Werke aufdrückte. Die hatte eine Menge Feinde.Wenn Kirche das Wort Liebe benutzt ,wüßte ich gerne, w a s man dort unter Liebe versteht.Stillstand bedeutet nicht unbedingt nur Rückschritt, man muss auch mal stillstehen um nachzudenken. Wer bin ich, was kann ich, was soll ich, was will ich..was wollen die anderen von mir, die nicht unbedingt moralisch besser sind als ich..Motive überprüfen ..wenn das alles in den beiden Fastenzeiten konzentriert Thema wird..bin mindestens ich erschlagen..
“Übertrefft euch in gegenseitiger Achtung” – wer weisst heutzutage denn schon in brüderlicher Achtung und Respekt vor dem anderen seinen Nächsten zurecht? Die meisten sind doch nur noch darauf aus den anderen zurechtzuweisen um ihres eigen Vorteilswillen und nicht um den anderen damit zu dienen, ich wünschte mir das die Worte der Fastenbotschaft gehört, angenommen und verinnerlicht werden, ja zu Herzen gehen und das Herz berühren. Möge die Fastenzeit dazu genutzt werden sich in der Liebe zum Nächsten zu üben und sich gegenseitig zu achten. Man sucht beim Nächsten solange bis man etwas findet um ihn ja bloßstellen zu können, egal ob es im öffentlichen Bereich oder sonstwo ist.
Als ich irgendwann in meinen früheren Posts die brüderliche Ermahnung unter uns Christen erwähnte, hat man mich gefragt “aus welchem Planeten ich komme?”
Anderes Beispiel: sagt man einem Christ, nicht aus Besserwisserei und Pharisäer-Denken, sondern aus Liebe und Verantwortung eine Anmerkung über das Fehltun kommt sofort eine Wut-, Beleidigung- oder Rückschlagsreaktion auf einen zu.
Gibt es einen Weg und Raum in unserer Zeit, wo man die päpstliche Botschaft im Leben umsetzten kann? Kann mir das jemand verraten? Ohne mir anzuhören, “es muss mit Abwägen, auf eine “ausgereifte” Weise geschehen” – was auch immer, dies zu bedeuten hat? Ich meine subjektiv gesehen 🙂
diese päpstliche botschaft geht in richtung pater hagenkord botschaft…liebe anouschka.. zurechtweisen… leben und leben lassen..vielleicht kommen auch päpste von einem anderen planeten?man muss ja nicht mitziehen. oder anouschka hat falsch verstanden..ich finde es immer anstrengend, wenn ich sehe, wie voll die fastenzeiten und vorweihnachtszeiten und muttertage und kindertage und.. sind mit dingen, die man besser auf das ganze jahr verteilt.ich hab vor schreck nichtmals ein aschenkreuz.
Nach dem ersten Lesen der Fastenbotschaft hier auf dem Blog kam mir nur eine Fülle von Fragen:
Wenn da so viel von geschwisterlichem (oder soll ich diesem Fall wirklich beim “brüderlichen” bleiben, weil es die Sache besser trifft???) Zurechtweisen die Rede ist, wie ist es dann mit dem Autor des Textes: Lässt er sich ebenfalls zurecht weisen? Von wem? Und woran ist abzulesen, dass eine Kritik auch angekommen ist?
An wen sind seine Worte überhaupt gerichtet? An die Unsicheren? Die brauchen etwas Aufbauendes, etwas, das das geknickte Rohr nicht noch bricht und den glimmenden Docht nicht löscht. Oder an die “Besserkatholiken” (wobei es auf den je eigenen Standpunkt ankommt, wer damit gemeint sein könnte)? Die fühlen sich wahrscheinlich bestätigt, aber nicht selber angefragt. Oder sollen wir gesellschaftlich aktiv werden und unsere Politik und Wirtschaft zurechtweisen, wo sie der Menschlichkeit nicht gerecht wird? Und was für ein negatives Menschenbild steht hinter den Worten! Bei aller Zustimmung, dass es nötig ist, auf einander zu achten – auch in geistlichen Dingen -, die Leute denen ich begegne, brauchen meist eher etwas Aufrichtendes als solch Zurechtgestutzt werden. Wie schlimm ist die Menschheit denn wirklich, und wie hilfreich sind da solche Worte?
Dann habe ich den Link zum Original angeklickt und stieß auf Formulierungen wie “Rüge den Weisen, dann liebt er dich. Unterrichte den Weisen, damit er noch weiser wird; belehre den Gerechten, damit er dazulernt” (Spr 9,8f). Es geht also gar nicht um die Kleinen und Schwachen, sondern um die, die schon viel erreicht haben, sogar ein gewisses Maß an Weisheit und Gerechtigkeit, Personen, die mir möglicherweise überlegen sind, zumindest aber ebenbürtig. Oder es geht um mich, die ich schon viel erreicht und gelernt habe, auf das ich stolz sein kann, aber dennoch die anderen brauche, mit ihrem Blick auf meine “Rückseite”, die ich selber nicht sehen kann.
Auch von dem Geist der Sanftmut ist dort die Rede, nicht von Macht, Gewalt und Überheblichkeit. Es geht also nicht um ein “Von oben herab”, sondern um gegenseitige Achtung, Respekt, um ein Feedback auf Augenhöhe. Das finde ich äußerst wichtig! Daraus lese ich ein anderes Menschenbild von einander Gleichen, von einander Wertschätzenden. Da ich aber auch weiß, wer der Urheber der Fastenbotschaft ist, habe ich so meine Zweifel, ob es wirklich so gemeint ist, und ob die Fassung auf dem Blog, an die ich so viele Fragen habe, nicht doch die eigentliche Intention stärker auf den Punkt bringt.
Ameleo, danke fuer ihre Betrachtung. Sie ist in der Tat wert sich Gedanken zu machen. Nun kommen weitere Fragen hoch.
Was ist die Augenhöhe? Wird der Zurechtgewiesene nicht den Zurechtweisenden in jeder Situation als erste Reaktion als überheblich einstufen? “Mit welchem Recht weist du mich zurück? Warst du in der gleichen Situation, wie ich’?” Wird er denken, wahrscheinlich…
Wer ist “klein”? Derjenige, der sozialschwach, oder der intellektuell schwach ist? Ist diese Einstufung keine Überheblichkeit? Ich selbst komme aus sehr armen Verhältnissen, meine Familie war als “klein” markiert, aber überstand alles. Die dagegen, die dich “groß” schätzten zerbrachen an ihren Denkweisen und Lebensschicksalen . Ich war von Kind an sehr oft “zurechtgewiesen” und nur deshalb bin ich heute so, wie ich bin. Und bin dankbar jedem, der mich zurechtgewiesen hatte. Manchmal war es respektvoll , manchmal herabsetzend. Meine erste Reaktion bei jeder Ermahnung war immer dieselbe: Niedergeschlagenheit, Wut, Traurigkeit …. Danach folgte aber Nachdenken, Zugeben falls der Fehler erkannt war, und schliesslich die Korrektur. Ohne die Zurechtweisung, würde ich mich wahrscheinlich in Deutschland nicht aufstellen können. Denn nach 29 Lebensjahren mit anderen Werten aufgewachsen, registriert man nicht alles, was neu auf einen zukommt, als überlebensrelevant und achtet nicht immer darauf, das Richtige zu tun, um die eigene Identität nicht zu verlieren.
…auch wenn die Botschaft an eine bestimmte Person oder Gruppe adressiert ist, es ist wert sich zuerst selbst mit ihr auseinanderzusetzen. Ähnlich wie mit einer Ermahnung, die an den anderen gerichtet wurde – da kann man sich einiges ersparen 😉
anna, das wort zurechtweisen,egal in welchem schmuck..brüderlich, schwesterlich, macht mich..unlustig. feed back oder das positive bestätigen. damit kommt man sehr weit. es ist nicht einfach..ich weiß.am besten, man ist nicht so wie seine vergangenheit, sondern versucht, rauszukommen. auch das ist schwer. wenn ich so wäre wie meine eltern..wäre ich..tot ,oder in der psychiatrie. oder im knast.jeder hat sein schicksal-. die aufgabe ist, es zu überwinden.scheint mir.
@ Anna Maletzka:
Klein meine ich im Sinne von: sich selbst als unbedeutend, inkompetent, wenig wertvoll fühlen oder an den Rand gedrängt worden und rechtlos sein und sich entsprechend verhalten. Die Bibel nennt in diesem Zusammenhang oft die „Fremden, Witwen und Waisen“. Auch die „gekrümmte Frau“ aus Lk 13 fällt mir dazu ein. Ich meine es nicht wertend, schon gar nicht abwertend, sondern beschreibend.
Feedback(ich benutze den Ausdruck lieber, weil da nicht so etwas Moralisierendes mitklingt) bei muss gewollt und wertschätzend formuliert sein, im Sinne von: „Mir ist da etwas an deinem Verhalten aufgefallen. Möchtest du meine Gedanken dazu hören?“ Sonst kann ich es mir sparen, weil mein Gegenüber es als Angriff erleben und mit Abwehr reagieren wird oder mit Ihren Worten: mit „Niedergeschlagenheit, Wut und Traurigkeit“. Damit erreiche ich nichts, maximal wenig und ärgere mich noch zusätzlich. Mein Gegenüber wird so in den meisten Fällen weder über mein Feedback ernsthaft nachdenken noch sein Verhalten ändern. Auch Ärger ist keine gute Grundlage für ein Feedback, da braucht es einen besseren, späteren Zeitpunkt. Es geht nicht um ein „Zurückweisen“, sondern um ein in-Beziehung-Treten, weil mir an meinem Gegenüber etwas liegt, weil er oder sie mir etwas bedeutet und wertvoll ist. Mit den Stichworten „Barmherzigkeit“, „Sanftmut“ und dem „liebenden Blick“ sagen die biblischen Zitate der Fastenbotschaft in meinen Augen genau das.
Ob ich jemanden als überheblich empfinde, hängt von seinem Verhalten und ganz stark von unserer Beziehung zu einander ab. Wenn ich jemanden als respektvoll mir gegenüber erlebe und ihm oder ihr deshalb erlaube, mir Feedback zu geben, dann gestehe ich dieser Person für diesen Moment eine gewisse Autorität zu. Das ist nicht selbstverständlich. Selbst wenn mein Kind mir sagt, dass ich blöd bin, wenn ich so oder so handle und ich – ohne beleidigt oder verärgert zu sein, weil ich mit meiner größeren Lebenserfahrung weiß, dass Kinder so reden und noch vieles lernen müssen – zurückfrage, was genau es meint und wir darüber ins Gespräch kommen, dann gestehe ich auch diesem Kind in dieser Angelegenheit auf seinem Niveau Kompetenz und Autorität zu, die ich überaus ernst nehme.
„Herabsetzende Zurechtweisungen“ finde ich sehr schlimm. Das ist etwas, was andere wirklich „klein“ und „unmündig“ macht. Wenn Sie sich damit versöhnen konnten und im Nachhinein sogar einen Wert für sich darin sehen, verdient das großen Respekt! Allerdings schätze ich am meisten, „uns gegenseitig zu Liebe und guten Taten anzuspornen“ und einander Feedback zu geben über das, was schon gut gelingt. Denn wer mehr „Gutes“ tut, der hat automatisch weniger Zeit und Energie für anderes (zumindest rein rechnerisch).
Mh. Ameleo, wenn ich mir das Priesterbild des Heiligen Vaters ansehe, oder das, was man freundlicherweise nun im Internet an Ordensregel von zumindest einem bestimmten Orden herunterladen und lesen kann..da sehe ich nichts von Zurechtweisung oder modern feed back an die Oberen..da sehe ich nur den Appell, alles zu tun, was diese sagen, nicht individuell(ist wohl ein Schimpfwort) mal zu durchdenken und mit dem zu vergleichen, was man als Missionar oder Ordensmensch im Aussendienst so alles erlebt den lieben langen Tag.Hauptroblem in Orden ist der Gehorsam, habe ich aus berufenem Munde gehört. Aber w a r u m das so ist, wird selten durchdacht.Ich erinnere mich an meine Studienzeit(1970-1976), da habe ich mal P Kerber SJ bei einer akademischen Woche kennengelernt. Sein Spruch war :”Der Papst ist katholisch, ich auch”.Wenn es mal nur um den Papst ginge, sage ich heute.Im neuen Heft Geist und Leben geht es um Mystagogik. Und den uralten Spruch von Karl Rahner, der zukünftige Gläubige wird mystisch sein, oder er wird nichts sein. Frei wiedergegeben. Was ist denn ein Mystiker oder mystisch veranlagter Mensch? Der hält sich nicht an Hierarchien und ihre besondere Begabung, den Geist zu verschlafen und zu verbeten mit festgefügten: Herr, bitte mach Dies und Jenes.Vor allen Dingen führe die Menschheit zum wahren Glauben, der natürlich grundsätzlich der Glaube des Beters ist.Was anderes bringt einen nur durcheinander..wenn es weiterhin so ist wie es immer war, dass nämlich mystisch veranlagte Menschen erstmal verfolgt werden, dann nach ihrem Tod halbwegs erkannt und heiliggesprochen, kann Kirche gleich dichtmachen. Natürlich muss man überprüfen, da gibt es aber Methoden der weitaus schnelleren Sorte..die Propheten waren die ersten, die verfolgt wurden.Die Tendenz in Kirche geht gewaltig in Richtung fertigmachen, nicht von Priestern ans Volk,(Ausnahme Neokatechumenat oft), sondern das Volk untereinander. Liturgie als Glaubensersatz..hebt so schön in den Himmel. Kann man zusätzlich sich dran erfreun, aber nicht anstatt..Glaubensformeln als Ersatz für Gottesbegegnungen. Rausch in allen Variationen.Bevor man sich über Wohlfühlesoterik negativ äussert, betrachte man die eigene heile katholische oder orthodoxe Welt, die nicht besser ist oft..mit ebenso viel Weihrauch.Wenn im Jahr des Glaubens nicht der persönliche Bezug zu Gott angesprochen wird,und die Folgen daraus.. ist es ein vertanes Jahr.
@ A. Wachsmann:
Dass Kirche sich mystisch begabten Menschen gegenüber oft zwiespältig verhält, zwischen Misstrauen und Bewunderung, sehe ich auch so. Wie das Leben vieler Heiliger zeigt, pendeln Mystiker und Mystikerinnen selbst auch zwischen einem “Genießen” und einem Leiden an ihrer Art der Gottesbeziehung. Dass im “Jahr des Glaubens” auch solche Begabungen in den Blick genommen und gefördert werden sollen, sehe ich nicht. Denn wie die Geschichte ebenfalls zeigt (und du ja auch schreibst) sind mystisch Begabte häufig äußerst unabhängig und (glaubens-)stark. Sie brauchen ein ebenso starkes Gegenüber, aber …
das mit dem ebenso starken gegenüber, das mystiker brauchen, immer schon gebraucht haben..i s t das problem. an der gottesbeziehung leidet niemand, sonden an den menschen, die runterziehen, vor denen man geheimnisse haben muss. mystik an sich ist nicht auf rückzug aus, sondern auf hinausgehen in die welt..wenn die dann abschießt..
–aber. ameleo.sie haben keine wahl, die kirchens, die sich nun, ohne das volk zu konsultieren, mal wieder über evangelisierung gedanken machen und nur am erfolg interessiert zu sein scheinen,erfolg gleich höhere berufungszahlen.mehr kirchgänger?. mit denen, die sie holen wollen, reden sie nicht…der mensch der zukunft wird mystiker sein oder nichts.. die kirche der zukunft, eher wäre gegenwart nötig ,wird sich mit mystik auseinandersetzen müssen ,oder sie wird weiterhin oder immer mehr nichts sein..
Vieles in Ihren Posts teile ich, leider nicht alles. Da habe ich andere Meinung, die ich ja bereits mit meinem Beispiel und Leben zeigen wollte. Man sollte zulassen, dass nicht jeder so funktioniert wie ich „selbst“. .. und die gesellschaftlichen Normen von den Religionsnormen trennen und unterscheiden 🙂
Ein Feedback, oder Herantreten auf den Anderen mit den Worten „Mir ist da etwas an deinem Verhalten aufgefallen. Möchtest du meine Gedanken dazu hören?“ hört sich ein wenig wie „political correctness“ und Euphemismus. Sie sprechen von einem Gespräch unter „gleichen“, das eine emotionale Kompetenz (Claude Steiner in seinem gleichnamigen Buch beschreibt es treffend) und eine gewisse Reife erfordert. So weit sind wir noch nicht. Die meisten „Feedbacks“ kommen von „Unbekannten“, von Menschen, die verärgert auf uns reagieren, wenn wir die Moralwerte, gesellschaftliche Sitten verletzen, oder einfach blöd denken, z.B. „fundamentalistisch“ Bibelworte verstehen (wissen Sie, dass manche Männer fremdgehen, da die geheiratete Frau „heilig“ sein sollte, und die kann man einfach nicht „begehren“). Und sie sind meistens „ehrlich“ gemeint – auch diese Ermahnungen sollten „Zuhören“ finden. Ich meine, das meint auch der Papst in Seiner Fastenbotschaft, wenn man aufmerksam liest. P. Hagenkord, hat den Pingback nicht umsonst noch einmal auf der Stelle gesetzt, meine ich. Feedback, anders „Verstärkung“, bedeutet nur auf das „endlich“ „Gute“ zu reagieren. Ja, um diese endlich korrekte Verhaltensweise dauerhaft zu machen, kann ein Feedback Wunder bewirken. Was ist mit denen, die immer wieder die gleichen Fehler machen? Die, die auf Ihre Frage „nein“ antworten? Was bedeutet brüderliche „Ermahnung“? Wenn Sie wirklich jemanden lieben, dann machen Sie alles um sein Verhalten auf den „richtigen“ Weg zu richten (symbolisch „Zurechtweisen“ – „weise machen“) – und dann, wenn die Frage „ mir ist da etwas an deinem Verhalten…“ keine Früchte bringt, bedient man sich anderer Mittel, manchmal auch, „hör auf das Blödsinn zu machen!“ Dann erst gibt man auf, wenn dies auch nicht funktioniert. … und noch eins dazu, manche brauchen auch „herabsetzende“ Worte, um wirklich zu verstehen.
Ameleo, Sie sagten, „Wenn ich jemanden als respektvoll mir gegenüber erlebe und ihm oder ihr deshalb erlaube, mir Feedback zu geben, dann gestehe ich dieser Person für diesen Moment eine gewisse Autorität zu.“
Dieser Aussage stimme ich leider nicht zu. Unter „Gleichen“ kommt keine „Autoritätsfrage“ vor. Man teilt seine Gedanken mit, (es ist optimal und schön, wenn man dazu die richtigen Worte und den richtigen Ort findet) die aus dem Zuhören, Zusehen, Beobachten des Gleichen einfach aus dem Herzen kommen. Wenn ich das nicht tue und sehe, dann spielt im Hintergrund immer ein „Egoismus“ eine Rolle. Erich Fromm sagte „Die Angst ist die größte Form des Egoismus“ – und da ist was dran.
Und derjenige, der auf die Ermahnung „früher“ oder „später“ nicht mit „Wachsen“ reagiert ist wahrscheinlich nicht „weise“ ;(
oder dem fehlen einfach die christlichen Tugende, die der Papst in Seiner Botschaft nennt…