Es gibt viele Grundlagentexte, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil von einzelnen Ortskirchen oder Verbünden geschrieben wurden, neben den postsynodalen Schreiben der Päpste zu einzelnen Regionen gibt es etwa das Papier „Missionarisch Kirche sein“ der deutschen Kirche oder die Ergebnisse des Prozesses „Apostelgeschichte 2010“ in Österreich. So will man den Weg des Konzils fortsetzen.
Unter all diesen Dokumenten haben die Texte der Generalversammlungen der lateinamerikanischen Bischöfe immer herausgeragt, Puebla und Medellin waren zwei der auch die übrige Kirche prägenden Versammlungen, die unter anderem die Option für die Armen formuliert haben. Das jüngste Dokument, ebenfalls benannt nach dem Tagungsort: Aparecida.
Den Weg des Konzils fortsetzen
Nicht uniteressant, dass der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, dem Redakionskomittee vorstand, als Papst hat er die Gedanken nach Rom und in die Weltkirche mitgebracht, vieles findet sich auch weiter entwickelt in seiner Enzyklika Laudato Si wieder.
2007 war das, als sich die CELAM in Brasilien versammelt hatte, eben im Wallfahrtsort Aparecida. Papst Benedikt XVI. hatte die Versammlung eröffnet, danach wurde zwei Wochen getagt. Herausgekommen ist ein Dokument von knapp 300 Seiten, das bis heute die Pastoral in Lateinamerika prägt.
Es ist aber mehr als das. Entstanden ist ein Dokument der Reflexion und der Grundlagen. Ohne das Rad neu erfinden zu wollen sollte ein Weg für die Kirche für alle verstehbar und nachvollziehbar formuliert werden. Und das ist geglückt.
Dynamik, nicht bloß Worte
Was beim Lesen vor allem auffällt ist die Dynamik, die sich durch den Text zieht. Es ist keine bloße Rhetorik, die Kirche versteht sich als gegründet und gesandt, man fordert die „Dynamik des Samariters“ für das eigene Tun. Auch das ein Thema, das Kardinal Bergoglio als Papst immer wieder nennt. Jüngerschaft und Mission seien zwei Seiten derselben Medaille, so das Dokument. Man sieht die Kirche in dieser Dynamik des Rufes Jesu, der Folgen haben muss für das eigene Leben.
Sehr deutlich fällt immer wieder die Ablehnung aller Formen der Vereinfachung der Realität aus, man wehrt sich gegen zu schnelle Lösungen und zu einfache Analysen. Ebenso wehrt man sich deutlich gegen die Fluchtbewegungen in „tröstliche Vorstellungen, in Echtzeit, live“; tröstende Phantasien könnten die Realität nicht ersetzen. Hier käme eine internationale und standartisierte Kultur zum Tragen, die lokale Traditionen missachte und indifferent gegenüber Unterschieden sei. Es sei eine „kulturelle Kolonisierung“, die von statten gehe. Deutlicher kann man in Lateinamerika nicht werden: Konsumkultur ist Kolonisierung.
Wider die Vereinfachungen
Auffällig ist weiterhin, dass einige Passagen in Gebetssprache verfasst sind. Es bleibt nicht bei der abstrakten Analyse. Der Dank spielt eine wichtige Rolle, aber ebenso die Klage über fehlenden Enthusiasmus, über die eigenen Mängel und Schattenseiten.
Herausgekommen ist etwas, womit Christen nicht nur in Lateinamerika etwas anfangen können. Deutliche Analysen über die Zersetzungskräfte der Gesellschaft, aber auch Hoffnung für das eigene Beten und Tun. Perspektiven nicht nur für die Kirche als Ganzes, sondern ganz konkret für die einzelnen Gemeinschaften und Pfarreien, in denen Kirche lebt.
Für den ganzen Kontinent
Die entscheidende Formulierung steht in Nr. 263:
„Wir verpflichten uns, eine große Mission im ganzen Kontinent durchzuführen. Sie wird uns abverlangen, alles, was wir denken und was uns bewegt, tiefer zu erfassen und einfallsreicher darzulegen, damit jeder Gläubige ein missionarischer Jünger werden kann“. Aus dem Papier wird so ein Prozess, der bis heute durch die Bistümer und Pfarreien geht, immer unterschiedlich, je nach Bedürfnis oder Fragestellung. Aber hier in Lateinamerika gibt es die lebendige Umsetzung eines Papiers zum Anfassen. Es soll die Kirche im Sinn des Konzils umformen, man setzt auf nichts weniger als „ein neues Pfingsten“.
In seiner Eröffnungsansprache hatte Benedikt XVI. von der „Kultur des Lebens“ gesprochen, die auf der Förderung des ganzen Menschen beruhen müsse, was die Priorität des Glaubens genauso umfasst wie das Beseitigen sozialer Ungerechtigkeiten. Das Dokument aus Aparecida will genau das umsetzen. Es lohnt sich ein Neu-Lesen, auch, aber nicht nur, anlässlich der Papstreise in diesen Tagen.
P.S.: Zur Erinnerung – ich selber bin gerade in Brasilien unterwegs, bitte sehen Sie mir nach, wenn nicht alle Kommentare sofort erscheinen, ich werde nicht dauernd online sein.
Schöner Text mit der Brücke von Franziskus zum Pontifikat von Benedikt XVI. Alle großen Päpste machten sich doch Gedanken um den SchöpferGott und die Natur als Darlegung des Heiligen Geistes.
Ach JPII prangerte den Konsum als Reflex auf Atheismus, Diesseitsfixierung und letztlich Verhalten in einem marxistischen oder “wirtschaftlichen” Gesamtkontext an.
Man kann, Gedankensprung, mal in der Antike oder Frühmittelalter stöbern, heute online (Fribourg), auch dort findet man schöne Texte – hier Johannes von Damaskus 8. JH zu Religion und Schöpfung. Damals war die Natur jedoch in Ordnung!? die Enzyklika zitieren bestimmt noch bessere Sachen.
http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1689-6.htm-Sch%C3%B6pfer%C2%A3%C2%A3Natur%C2%A3%C2%A3Genesis
Es gibt heute Kritiker der Kirche und des Christentums (z.B. Precht in Deutschland), die ja mit dem alten Vers “macht Euch die Erde untertan” der Kirche die Schuld am Zustand der Natur oder an Tierquälerei geben.
Vielleicht ist der erste “Priester” in der Genesis, dieser verklärte Melchisedek, von dem sich Abraham gerne Segnen lässt, auch ein ewiger Bewahrer der Natur. Und wenn man im Urwald missioniert, sollte man bei Melchisedek nachlesen?
Da wäre mal entgegen zu halten, dass es die kleinen ehrlichen Bauern immer waren, die einen besonderen Glauben lebten. Oder die Fischer. Das sollte die Weltkirche nicht vergessen.
“Es gibt heute Kritiker der Kirche und des Christentums (z.B. Precht in Deutschland), die ja mit dem alten Vers “macht Euch die Erde untertan” der Kirche die Schuld am Zustand der Natur oder an Tierquälerei geben.”
Die Kritiker sollten erstmal die menschliche Geschichte sorgfältig studieren, bevor sie irgendwem/-etwas als Verursacher die Schuld an irgendwas Schlimmen geben.
Denn z.B. wurden in Neuseeland die Laufvögel Moas (größer als Strauße) lange vor Ankunft der ersten christlichen Europäer von den Maori möglicherweise innerhalb von nur 100 Jahren ausgerottet.
Z.B. gab es auf den Osterinseln im 17. Jhd. massive Bevölkerungsrückgänge vermutlich bedingt durch massive Hungersnöte bedingt durch eine drastische Reduzierung der Anzahl an Bäumen (ggf. sogar im Rahmen des Baus der beerühmten Statuen), Jahrzehnte bevor die ersten christlichen Missionare dort ankamen.
Und wenn bei manchen ökologischen Problemen in Asien an – wo Christen meist nur Minderheiten sind – ist die biblische Weisung auch nicht unbedingt Hauptursache.
Meiner Ansicht nach ist ein ausbeuterisches Verhalten gegenüber der Natur genauso Teil des menschen Verhaltensspektrums wie Krieg, Mord und ähnliches.
Wesentlicher Unterschied meiner Ansicht nach also vor allem, dass es die naturwissenschaftliche Revolution gab und es seitdem völlig andere Auswirkungen hat, wenn mal wieder das ausbeuterische Verhalten auftritt.
Während in Neuseeland oder auf den Osterinseln ein paar Bäume oder Vögel ausgerottet wurden und es in Folge jeweils wohl zu einer tragischen aber lokalen Hungersnot kam, kann der Mensch mit den Möglichkeiten heute im Prinzip globalen Schaden anrichten, egal ob er nun Christ oder anderes ist.
Ja, ich seh das auch so.
Gemeint hatte ich die sehr christlich-feindlichen (das ist noch mehr als kirchenfeindlichen) erfolgreichen Bücher.
Bsp – Precht: “Tiere denken”
Herr Precht ist ja auch ein sehr guter Rhetoriker und in ganz vielen Talkshows etc. Star-Philosoph (?) Deutschlands
An sich ist er da gegen alle Religionen unter Abraham. So mit dem Gedanken “mit den Opfertieren vor 3000 Jahren begann die systematische Tierquälerei”
oder in anderem Zusammenhang, die Publikationen, Das Christentum hat “die gute hellenistische Antike” ausgelöscht. Frau Nixey. Ähnliche Argumentation, nur da auf das Kulurleben komplett gemünzt.
https://www.amazon.de/gp/product/3421047758?pf_rd_p=671e72bc-8864-4ab6-8ef7-60da5d6ead8c&pf_rd_r=5K4D7S64FZ1VDWSMH2N6
Mir machen solche vermehrten Publikationen durchaus Sorgen. Was das nun wieder bringt?
„Whataboutism“, also auf die anderen zeigen, ist nicht wirklich hilfreich. Natürlich ist die Kritik überzogen, aber dass das Christentum oder die Christen Anteil hatten an Zerstörung und dergleichen wird doch wohl niemand bestreiten. Und das im Namen Gottes. Johannes Paul II. hat ja bereits ein Schuldbekenntnis für die Kirche abgelegt. Das sollte Einladung sein, über die Eigenanteile nachzudenken.
Es sollte mE aber die Aufarbeitung differenzierter als bei der Kindermissbrauchs-Diskussion die letzten Jahre sein.
Man kann sich schon immer selbst geiseln. Aber mit Vorsicht und Maß. Denn ich unterstelle den Medien, dass die das stets zynisch verstärken und kaum, wirklich kaum, Religionen noch irgendeine Sympathie entgegenbringen. Also Vorsicht.
Aber diese Diskussion war jetzt wirklich weg vom Stück, und den Fehler hab wohl ich initiiert.
Es steht für mich außer Frage, dass Christen oder jede Religion nach Abraham Natur und Leben stets gut verteidigt haben. Die waren Katastrophen kommen durch die Moderne.
Das ist nicht meine Erfahrung: ich erfahre sehr viel Interesse von Journalisten, auch viel Unvoreingenommenheit, aber auch dass sie uns ernst nehmen. Und dann kritisieren, wenn wir unsere eigenen Maßstäbe nicht einhalten.
Verehrter Pater, ich bin noch immer schockiert und tlw. verärgert, wie nach der Missbrauchs-Synode der Springer-Verlag (also vor allem Bild online) alle Ergebnisse zusammen trammelte und das Sperrfeuer in Sachen Kardinal Pell eröffnete, was vermutlich Tausende Austritte zusätzlich generierte (hamma sie wieder erwischt, die Kirche, die bigotte…). Freilich hätte man ggf. im Februar parallel zum Synodentermin in Rom wissen müssen, was in Australien publiziert wird.
Ich unterstelle bei sowas nirgends mehr Zufall, sondern eben 10 Schippen Zynismus und Berechnung.
Aber ich hoffe, dass beim Thema Klima und Naturschutz die Politik und Medienpolitik raus bleibt und man der Kirche von Anfang an abnimmt, dass sie im Credo wirklich den SchöpferGott meint.
Aber ich sehe auch Gefahr in Verzug.
“Sehr deutlich fällt immer wieder die Ablehnung aller Formen der Vereinfachung der Realität aus, man wehrt sich gegen zu schnelle Lösungen und zu einfache Analysen.”
Gut. Ruft mir nur einen anderen Satz in Erinnerung:
“Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach ihren Taten; denn sie reden nur, tun es aber nicht.”
Zum Wahlsonntag, der ja auch ein Thema für “ranghohe” Vertreter der deutschen katholischen Kirche ist:
https://www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2019-05-13/ausdrueckliche-ablehnung-bistum-augsburg-ruegt-bischof-mixa-wegen-geplanten-afd-auftritts
https://www.focus.de/politik/ausland/europawahl/serie-mein-europa-kirchen-chefs-senden-appell-heute-koennen-wir-europa-das-schoenste-geschenk-machen_id_10748829.html
Ich lasse die Aussagen bewusst unkommentiert.
Allen hier im Blog einen gesegneten Sonntag !