Skip to content
  • Home
  • Über mich
  • Jesuiten

PaterBerndHagenkord.blog

Vatican News

powered by Logo des Jesuitenordens

Schlagwort: #SinodoAmazonico

Es kann auch scheitern

Veröffentlicht am 21. Oktober 20196. Oktober 2019
die Machtlosigkeit der Indigenen Der General-Kazike der Munduruku: Kaba Remubu’, Arnaldo Amancio Ceutemo Kube

Hört sich mächtig wichtig an: General-Kazike! Er ist der gewählte Leiter des Volkes der Munduruku, Kaba Remubu’, Arnaldo Amancio Ceutemo Kube. Wobei gewählt: Auch sein Vater hatte das Amt schon inne, es gibt eine Übergabe und es gibt eine Wahl. Andere Welten, andere Zugänge zu Autorität.

Aber wenn er spricht, dann hört man aber nicht Autorität. Sondern die Machtlosigkeit der Indigenen.

Der Kazike ist immer wieder Vertreter seines Volkes, bei Versammlungen aller Indigenen Amazoniens in Vorbereitung auf die Bischofssynode, er war auch schon in Paris zu einem Treffen, er bringt die Perspektive vom Rio Tapajos in die Welt.

Die Machtlosigkeit der Indigenen

„Wir Munduruku und die Region hier sind tot, hier gibt es so viele geplante Wasserkraftwerke, und es gibt das Quecksilber im Wasser, das ist unser Ende.“ 30.000 Munduruku gebe es, deren Zukunft sieht der Kazike schwarz. „Die Regierung weiß nicht, was die Indigenen sind“, sagt er, „der Präsident will uns zertreten.“

Deutliche Worte, dramatische Worte, er weiß die Schwierigkeiten seines Volkes deutlich zu artikulieren. Und trifft in der Deutlichkeit seiner Worte die Drastik seines Präsidenten, der von Indigenen einmal als „Tiere im Zoo“ gesprochen hatte.

Drastische Worte

„Gott hat den Rio Tapajos geschaffen, damit er in Ruhe gelassen bleibt, und nicht damit man da rumfuhrwerkt“, Kazike Arnaldo wendet sich klar gegen die Regierungslinie, dass sich alle in die kapitalistische Wirtschaftsordnung einordnen müssen. Die 43 Wasserkraftwerke, die in der Region geplant seien, würden tief in den Kreislauf eingreifen. Und sie als die Menschen, die vom Fluss leben, seien nicht gefragt.

Aber was sollen sie machen? Die Klarheit seiner Sprache sucht nach der Möglichkeit, jetzt etwas tun zu können. Kazike Arnaldo sieht schwarz, anders als viele andere Indigene, die ich auf meiner Reise getroffen habe. Aber er ist als Vertreter seines Volkes und hat einen anderen Einblick und auch andere Informationen über das, was hier alles passieren soll.

Hilfe von der Synode?

Wäre die Synode in Rom eine Lösung? Er selber hat ja an einem Vorbereitungstreffen zu Beginn des Jahres teilgenommen. Kazike Arnaldo ist sehr skeptisch. „Unser Wunsch ist, dass wir Unterstützung in unserem Kampf für unsere Rechte bekommen“.

Der Pessimismus ist schwer auszuhalten. Wir haben auf der Reise bis dahin immer wieder Leute getroffen, die etwas tun oder tun können. Nun treffen wir einen Indigenen, der keine Zukunft für sein Volk sieht. Der die Pläne für sein Land kennt und um das Gift im Fluss weiß und auch den Streit und der die Worte seines Präsidenten hört.

„Diese Region ist tot“, dieser Satz klingt nach. Es ist halt nicht irgendein Projekt, die Welt besser zu machen, das da im Vatikan verhandelt wird. Hier geht es um Gottes Schöpfung, um die Würde jedes Menschen. Neue Wege zu finden ist auf einmal sehr viel dringender geworden.

Nichts hat bei der Reise in Amazonien diese Perspektive so klar gemacht wie das Gespräch mit dem General-Kaziken: Es kann auch scheitern.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter #SinodoAmazonico, Brasilien, Gerechtigkeit, Indigene, Papst Franziskus, Regierung, Synode6 Kommentare zu Es kann auch scheitern

Gold im Amazonas

Veröffentlicht am 19. Oktober 201913. August 2019
Gold im Fluss José Dallarosa erklärt den Prozess des Goldwaschens und wofür dabei Quecksilber gebraucht wird

Sein ganzes Leben sei er Goldsucher gewesen und etwas anderes wolle er auch nicht machen. José Dallarosa nimmt uns mit in einem kleinen Boot, dem malerischen Fluss Crepori hinauf, bis hin zu den Stellen, an denen auf Flößen nach Gold im Fluss gesucht wird. Der Flussboden wird aufgesaugt, das Wasser nach Gold gefiltert, und dann geht alles zurück, aufgewühlt und dreckig.

Wir steigen aus dem Boot und klettern in den Urwald hinein. Eine Lichtung, ein Loch, infernalischer Lärm. Das was die Goldsucher im Fluss machen, das stellt José mit seinen Leuten an Land nach. Ein tiefes Loch hat er graben lassen, auf einer in den Wald geschlagenen Lichtung. Mit viel Druck spülen zwei Leute den Lehm von den Wänden, der wird dann mit dem Wasser aufgesaugt und gefiltert, bevor alles zurück in den Fluss fließt.

Gold im Fluss …

Wer einmal den Clint Eastwood Film „Pale Rider“ gesehen hat, der kann sich das etwa vorstellen. Am Amazonas-Nebenarm geht es nicht in ganz so großem Stil zu, aber ähnlich industriell. Dreckig ist es, laut und heiß. Dallarosa selber arbeitet nicht mehr, er lässt arbeiten. Er hat es zu was gebracht, Gold-Claims, ein Restaurant in der Stadt, und dann ist er noch Vizebürgermeister. Wieder so ein Pionier. Wieder so eine Persönlichkeit, die es mit harter Arbeit und nicht zu viel Rücksicht zu Wohlstand gebracht hat und der nun arbeiten lässt.

Nun muss die Frage nach dem Quecksilber gestellt werden. Viele Indigene klagen, dass die Garimpeiros – die Goldsucher – den Fluss mit diesem Metall vergiften. José Dallarosa steht uns Journalisten bereitwillig Rede und Antwort, das mit dem Aufwühlen des Schlamms sei doch gar nicht so schlimm, und alles sei legal, mit Genehmigung und so weiter. Auch bei den Suchern auf den Flößen? Das wisse er nicht. Und was das mit dem Quecksilber sei? Das brauchen sie, um nach einem Monat des Filterns die Filter auszuwaschen und das dort verfangene Gold heraus zu bekommen. Vielleicht gerate was davon in den Fluss, aber nur sehr wenig. Quecksilber sei teuer, es sei in ihrem eigenen Interesse, das zu behalten.

… und Quecksilber um es heraus zu bekommen

Quecksilber im Fluss? Eine schnelle Recherche ergibt, dass es ganz von der Art des Quecksilbers abhängt, wie giftig es ist. Aber Fakt ist auch, dass die Krankheitsfälle unter den Indigenen, die auf und vom Wasser leben, sprunghaft angestiegen seien. Vor allem bei Kindern, sagen uns immer wieder Vertreter der indigenen Völker. Quecksilber ist Gift und gehört nicht ins Wasser. Und ob das alles wirklich so legal sei, würden viele bezweifeln.

Nicht so Josè Dallarosa. Garimpeiro sei er, das brasilianische Wort für Goldsucher ist Synonym für eine ganze Kultur. Einer der ersten sei er gewesen, dort wo jetzt eine kleine Goldgräberstadt stehe. Er zeigt auf seine Mitarbeiter, die bis zur Brust im Schlammwasser stehen: er gebe Arbeit, und das sei doch was Gutes. Quecksilber-Vergiftung des Flusses? Keine Reue.

„Jeder der herkommt um Gold zu suchen hat natürlich den Traum, reich zu werden”, sagt er. „Aber dem Traum rennen wir hier nur hinterher. Irgendwann einmal reich zu werden.” Nachher rechnen wir aus: 600 Gramm Gold gewinnen sie in einem Monat, hatte Dallarosa gesagt, verteilt auf sechs Personen. Wir fragen im nächsten Laden in der Goldwäscherstadt Crepurizão, was der Ankaufpreis für das Flussgold ist und rechnen aus, einige Euro pro Kopf sind das. Und dann vermuten wir, dass der Chef auch noch seinen Schnitt macht, das Essen, die Unterkunft, Miete für Stiefel und Kleidung und was weiß ich. Die Goldsucher werden sicherlich nicht reich dabei. Und romantisch ist das auch nicht.

Wir gehen zurück zum Boot, der Lärm des Generators und der Wasserpumpen bleibt zurück. Und selbst wenn, sagt unser ortskunfige Begleiter, uns selbst wenn das alles in Ordnung ist, schaut euch das an, wachsen tut hier nie wieder was. Das Land ist kaputt.

Gold im Fluss
Mit Lärm und Druck: Wasser spült den Lehm weg, dann wird alles gefiltert
Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter #SinodoAmazonico, amazonas, Gold, Goldsucher, Quecksilber, Synode, Wasser9 Kommentare zu Gold im Amazonas

Nicht einfach zu überwinden: Die Barriere zwischen Laie und Priester

Veröffentlicht am 17. Oktober 201913. August 2019
Seelsorge zu zweit Seelsorger in Morais Almeida: Oseas und Maria-Clara Araujo Pereira

Er war Gemeindeleiter, als Laie. Aber sie als Ehefrau und Mutter war immer dabei. Seelsorge und Gemeindeleitung durch Laien geht nur gemeinsam, als Paar. Seelsorge zu zweit, sozusagen. Oseas Araújo Pereira hat die Ausbildung und Begleitung, seine Frau Maria-Clara wusste von Anfang an, dass sie das alles mit heiraten würde.

Zu Anfang sei es „nur“ kirchliches Engagement gewesen, damals als Oseas noch für eine Baufirma gearbeitet habe, erzählt Maria-Clara bei unserem Besuch. Beide seien kirchlich engagiert gewesen, das war immer Teil beider Leben.

Seelsorge zu zweit

Dann aber habe Oseas als Gemeindeleiter gearbeitet, in einem Projekt des Bistums Itaituba, weil es so wenig Priester gibt und Seelsorge und Gemeindeleitung durch Laien gefördert werden sollte. „Gerade hier in der Stadt ist die Barriere spürbar zwischen einem Priester und einem Laien, da merke ich schon dass ich kein Priester bin. Die Leute haben mich das auch spüren lassen. Aber draußen, etwa bei den Goldsuchern, ist das schon anders, die sind froh, wenn da jemand kommt und mit ihnen über das Wort Gottes spricht. Da gab es diese Barriere nicht“, so berichtet Oseas.

„Für mich war diese intensive Zeit sehr wichtig, vor allem war mir wichtig, dass ich von meiner Familie begleitet und unterstützt worden bin. Das hat mich gestärkt, und die mussten das auch mittragen, wenn ich mal wieder einige Tage unterwegs war.“

Familie in der Seelsorge

Ein Nicken von seiner Frau Maria-Clara, seit die Tochter vier war, seien sie fast immer gemeinsam unterwegs gewesen, aber „Wenn es mal Zeiten gab, in denen wir zu Hause bleiben mussten, habe ich mir immer gesagt dass da gerade Menschen sind, die ihn vielleicht dringender brauchen als die eigene Familie.“

Dringender als die eigene Familie? Das sagt mehr über die außergewöhnliche Situation der Familie aus als alles andere. „Die Zeit hier in Morais Almeida war die beste Zeit, die wir beide in dieser Hinsicht hatten, auch für mich selbst, persönlich. Ich habe hier bereichernde und religiöse Erfahrungen machen können, über die Arbeit in der Gemeinde. Das ging weit über das hinaus, was ich bis dahin für Religion und Glauben gehalten hatte“, das sagt sie im Rückblick auf die vier Jahre als Gemeindeleiter und in der „Seelsorge zu zweit“.

Nicht einfach, Gemeinden und Pfarrer zu überzeugen

Damit ist es aber leider vorbei, denn zum einen war es nicht einfach, die Gemeinden von Laien-Leitung in der Kirche zu überzeugen, „verheirateter Pater!“ hätten sie ihn genannt, sagt Oseas. Außerdem habe immer alles von Priestern abgehängt, jetzt die Gemeinden zu überzeugen, selber etwas zu tun und auch finanziell etwa zu Reisekosten beizutragen, sei fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die Gemeinden wollten Priester! Die Zentrierung aufs Klerikale hat auch im Regenwald Spuren hinterlassen.

„Der Laiendienst war und ist akzeptiert, aber ich habe das Gefühl, dass es da Grenzen gibt. Im Bistum sehe ich nicht das Problem, die wollen Laien und Priester in Zusammenarbeit. Aber vor Ort ist das immer anders“, sagt Oseas. Das sei auch bei den Pfarrern so, mit denen er zusammengearbeitet habe, zumindest einigen. „Es stimmt, erst wird man angeregt, sich zu engagieren, aber dann spannt die Kirche die Zügel an und hält einen zurück. Die Kirche zentralisiert, und da gibt es Angst, Macht zu verlieren.“ Das sei einer der Gründe, weswegen jetzt nicht mehr in der Gemeindeleitung dabei sei.

Er selber habe nie ein verheirateter Priester sein wollen, Viri Probati und dergleichen sieht er als keine Option für sich, da ist Oseas klar. Aber wenn nur diese kleinen alltäglichen Klerikalismen überwunden werden könnten, dann wäre man schon sehr viel weiter.

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #SinodoAmazonico, Gemeindeleitung, Laien, Papst Franziskus, Priester, Seelsorge, SynodeSchreiben Sie einen Kommentar zu Nicht einfach zu überwinden: Die Barriere zwischen Laie und Priester

Überlappende Konflikte: Die Option ist immer für die Indigenen

Veröffentlicht am 15. Oktober 201913. August 2019
Priester und Anwalt P Jose Boeing SVD

Er ist Priester und Anwalt: Eine Kombination, wie geschaffen für die an Konflikten reiche Amazonaswelt. Pater José Boeing ist Steyler Missionar und seit 28 Jahren in Amazonien tätig. Und er lebt in mitten all der sich überlappenden und gegenseitig verschärfenden Konflikte. Die Kommission für Landpastoral der Kirche ist seine Arbeitsbasis.

Im Gespräch mit uns Besuchern versucht er all die Konfliktlinien zu erklären. Nicht einfach. Indigene und Kleinbauern, Holz, Extraktivisten, also Leute die von den Früchten des Waldes lebten ohne diesen zu bewirtschaften: Alles reibt sich aneinander. Und weil es klare ökonomische Interessen gäbe, stünden auch Indigene gegen Indigene und Kleinbauern gegen Kleinbauern. „Es gibt keine homogene Gruppe, für die wir eintreten, die Interessen werden gegeneinander ausgespielt.“

Priester und Anwalt

Sein Jurastudium ist die Grundlage seiner Arbeit, auch wenn man sich auf den Staat hier nicht wirklich verlassen könne, das sei schwer. Weil der Staat auf der Seite der Stärkeren sei, weil internationale Interessen lokale Auswirkungen hätten gegen die man nur schwer ankäme, aber auch weil die eigene Regierung die Konflikte einseitig verschärfe.

Die Kirche dagegen setze auf Dialog. Auf Gesprächsgruppen, zwischen Indigenen und Kleinbauern, zwischen Goldsuchern und allen anderen. „Es gibt aber eine klare Option der Kirche“, darauf besteht er sehr deutlich. „Diese Option ist die Verteidigung der Rechte der Indigenen und die Verteidigung der Menschen, die hier schon lange und im Einklang mit der Natur leben.“ Ganz in der Tradition der Kirche Lateinamerikas.

Dialog gewünscht

Priester und Rechtsanwalt: Pater José erzählt von Gewalt und von finanzstarken Interessen etwa um den Soja-Anbau. Nach Recht und Ordnung hört sich das nicht an. Aber er klingt auch nicht wirklich verzweifelt, trotz der Allgegenwart von Gewalt und Verleumdungen.

Die Konflikte überlagern sich, die Kleinen werden gegeneinander ausgespielt und die Großen holen sich, was sie brauchen. Genau das richtige Arbeitsfeld also für einen Rechtsanwalt. Und für einen Priester.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #s, #SinodoAmazonico, Amazonien, Anwalt, Bischofssynode, Konflikte, Priester, Rechte, Steyler2 Kommentare zu Überlappende Konflikte: Die Option ist immer für die Indigenen

Es war einmal Wald

Veröffentlicht am 13. Oktober 201913. August 2019
Aus Wald wurde Forst Erst Regenwald, nun Forst: im Sägewerk von Oberon Perondi

Es ist ein Traum für jeden rational denkenden Umweltschützer und Forstwirt: ein System von Konzession und Zertifizierung, das den Wald schützt und trotzdem Menschen ernährt. Wir sind zu Gast bei Oberon Perondi, Forstwirt und Besitzer eines Sägewerks in Morais Almaida tief im Regenwaldgebiet. Aber wo einmal unberührter Wald war, dort ist nun bewirtschafteter Forst. Aus Wald wurde Forst.

Oberon Perondi ist unser Gastgeber, er empfängt in seinem Sägewerk in Morais Almeida, tief drinnen im Gebiet des Regenwaldes. Eine Stadt, die vom Holz lebt, sagt er, fünf Betriebe gebe es hier. Und der Wald profitiere genauso wie die Menschen.

Aus Wald wurde Forst

Holz schlagen im Regenwald, das hört sich zuerst nach Abholzung an. Aber nein, Oberon Perondi besteht darauf, dass sie – die Forst- und Holzwirte hier – die wahren Waldbewahrer seien. Wir stehen neben einem Stapel gesägten Tropenholzes. Perondi zeigt auf einen Code, der an der Seite angebracht ist. Dieses Zertifikat zeige jedem Käufer, dass es sich um legales Holz handle.

Es ist ein kluges System, dass sich der Staat ausgedacht hat, erklärt Perondi. Es werden Konzessionen zu strengen Bedingungen vergeben. So hätten die fünf Betriebe hier 240.000 Hektar Regenwald zugewiesen bekommen, und nur sie, niemand sonst, dürfe dort Bäume schlagen.

Ein kluges System

Aus Wald wurde Forst
Noch ist das hier Regenwald

Perondi ist 40 Jahre jung, dynamisch, klug und zurückhaltend. Vor allem aber ist er überzeugt davon, dass das Konzessions-System den Wald bewahre und gleichzeitig Arbeitsplätze schaffe.

240.000 Hektar Regenwald: ein ganz schönes Stück, im beliebten Vergleich gemessen fast so groß wie das gesamte Saarland. Oder wie Vorarlberg. Oberon Perondi schaut auf eine Landkarte und beschreibt den Wald, den er als Fortwirt bewirtschaften darf.

„Wir sind fünf Betriebe, die gemeinsam im Nationalwald die Konzession bekommen haben, Bäume schlagen zu dürfen. Wir haben das gesamte Gebiet unserer Konzession in 30 Teile geteilt, 30 Bezirke, von denen wir pro Jahr nur einen bewirtschaften. Ein Bereich kommt also alle 30 Jahre lang dran, den Rest der Zeit bleibt er für sich. Dabei wird ein Baum pro Hektar geschlagen, mehr nicht.”

8.000 Bäume pro Jahr

Machen wir die Rechnung auf: 240.000 Hektar werden in 30 Gebiete aufgeteilt, pro Jahr kommt eines davon in Bewirtschaftung, jedes Gebiet ist also nur alle 30 JAhre dran. Teilen wir die Fläche durch 30 dann sind das 8.000 Hektar für jedes Jahr, im Regenwald gibt es pro Hektar etwa 380 Bäume, einer davon darf pro Jahr geschlagen werden, das sind also 8.000 Bäume, die in Konzession gefällt werden. Umgerechnet seien das 25,8 Kubikmeter Holz, 36,3 Raummeter, für diejenigen die sich mit Holz auskennen.

Oberon Perondi zeigt auf seine Karte, der gesamte Floresta Nacional ist farblich markiert, darin seine eigene Konzession. Überhaupt ist alles gut erschlossen, es wird mit GPS-Markierungen gearbeitet, mit genauen Karten und mit Chips, die an Bäumen angebracht werden, damit die Einhaltung der Bedingungen der Konzession überprüft werden kann. Sehr modern, sehr rational.

Sehr modern, sehr rational

„Wir machen eine Bestandserhebung in dem Gebiet, wir untersuchen den Umfang und den Reifegrad der Bäume, das alles muss über eine Liste der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden. Und wenn die das dann abgesegnet hat, dann entscheidet der Markt, welche Bäume nun geschlagen werden.” Nur so bekommen die die Zertifizierung, die Oberon Perondi so wichtig ist und die an der Seite seiner Tropenholz-Stapel befestigt ist. „Bei der Zertifizierung geht es darum, dass die Illegalen keine Chance haben weil jeder Käufer genau weiß, woher das Holz kommt.”

Nur so lasse sich die Waldwirtschaft und gleichzeitig der Schutz des Waldes gemeinsam umsetzen, sagt er. Die staatliche Regulierung über Konzession und Zertifikat stelle den Schutz sicher und erlaube eine Bewirtschaftung, welche den Wald als solchen erhalte.

Bewirtschaftung, die den Wald erhält?

Dem rational und wirtschaftlich denkenden Geist klingt das alles sehr logisch. Holz wird geschlagen, da ist es besser dass es reguliert und überwacht passiert als wild. Die Nachfrage ist da, das Angebot folgt aber klaren Regeln, die sich unter anderem am Waldschutz orientieren.

Perondi ist überzeugt, dass das der Weg für den Wald ist. Menschen wollen leben, über die Konzessionen werden klare Grenzen und Bedingungen gesetzt, die Zertifizierung erlaubt es jedem Käufer, genau nachzuvollziehen, was er da kauft und ob das alles legal ist.

Da stehen wir nun auf dem Hof des Sägewerkes, Stapel von Tropenholz um uns herum. Ist das nun der Weg zum Schutz der Umwelt? Der rationale Kapitalismus? Geht Schutz wirklich nur so?

Geht Schutz wirklich nur über Kapitalisierung?

Das hieße ja im Umkehrschluss, dass Regenwald nur als Regen-Forst überleben könne. Dass das aufgeklärte Eigeninteresse in diesem Fall der Forst- und Holzwirte für den Schutz der Bäume und des Waldes sorgt. Die Indigenen würden widersprechen, mindestens.

Ist das nun schon Bewahrung der Schöpfung wie sie Laudato Si‘ etwa fordert? Und für Christen als nicht optional definiert? Oder ist das der Schritt in die Kapitalisierung des Waldes, der letztlich diejenigen verdrängen wird, die sich dem Kapitaldenken versagen?

Oberon Perondi kennt diese Zweifel nicht. „Wir sind die wahren Umweltbewahrer“, sagt er. Aber bei aller Klugheit des Systems, bei aller Zertifizierung: es ist kein Regenwald mehr. Es ist ein bewirtschafteter Wald. Ein Forst.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter #SinodoAmazonico, amazonas, Amazonien, Forstwirdschaft, Holz, Landwirtschaft, Regenwald, Umweltschutz, Wirtschaft2 Kommentare zu Es war einmal Wald

Wohlstandsversprechen vs. Wahrung der Kultur – auch ein kirchlicher Streit

Veröffentlicht am 11. Oktober 201913. August 2019
Leidenschaftliche Kämpferin für ihre indigene Kultur Amelia Braga Cabral (Gemeindeleiterin und Lehrerin)

Weibliche Kaziken, das ist noch selten unter den indigenen Kulturen Amazoniens. Aber dass Frauen den Laden schmeißen, das ist dort so wahr wie hier auch. Und so übernehmen sie auch in der Kirche Gemeindeleitung, wie etwa Amelia Braga Cabral, Lehrerin und Organisatorin der katholischen Kirche in Murutinga, einem Dorf der Mura. Eine leidenschaftliche Kämpferin für ihre indigene Kultur.

Sie führt uns durch das Dorf, während wir sie fragen, wie das so ist mit der katholischen Kirche vor Ort. Ach, sagt sie, zu wenig Leute. Und die Evangelikalen seien sehr präsent hier.

Leidenschaftliche Kämpferin für ihre indigene Kultur

Sie zeigt auf eine nagelneue Hütte: Das sei die Igreja de Deus, eine der vielen wachsenden Gemeinden hier. Alles stabil und anders als die Wohnhäuser blitzblank und fast noch nicht in Gebrauch. Die seien mit viel Geld gekommen, sagt Amelia. Aber was sie am meisten aufregt ist die Attitüde: „Die verbieten, dass wir unsere eigene Sprache sprechen“, sagt die Lehrerin. „Für die ist das die Sprache des Teufels. Wir dürfen auch unsere Trachten nicht tragen oder uns im Gesicht bemalen, aber das gehörte immer schon dazu.“

Aber warum gehen dann Menschen dahin, wenn das mit jede Menge Verboten belastet ist? „Nun, erst schenken sie Boote und Mobiltelefone und andere Dinge. Und dann bekommen sie die Frauen, weil sie den Männern verbieten, Schnaps zu trinken. Das ist alles voller Moral, aber das funktioniert. Es wirkt. Und deswegen gehen die Frauen dahin und bringen die Männer mit.“

Moral-Verkündigung

Sie will dagegen die eigene Kultur weiter pflegen, die katholische Kirche und zum Beispiel auch die Baptisten sähen das ähnlich, traditionelle Kultur und Kirche widersprächen sich nicht. „Das gibt Konflikte, Konflikt mit unserer Kultur. Denn diese Religionen wie die Adventisten und die Igreja [de Deus] sagen, dass wir nicht zu unserem Pajé gehen dürfen, nicht zu unserem Schamanen. Die sagen der kann nichts und sei schon gar nicht eine religiöse Figur. Wir haben aber eine ganz andere Tradition, wir wissen, dass der Baum lebt und Medizin gibt. Der Baum ist etwas Wichtiges, für die ist es aber nur ein Baum, der kann weg.“

Für Indigene sei ein Baum nicht nur ein Baum, sondern Teil einer immer auch spirituellen Welt. Für die Pentekostalen sei der Baum – und sie legt ihre Hand an ein besonders altes Exemplar – entweder ein Hindernis oder aber Kapital. Da sei keine geistliche Welt dahinter. Traurig, sagt sie.

Keine geistliche Welt mehr in der Schöpfung

Und so geht die Verbindung von katholischer Kirche und indigener Kultur immer weiter zurück, die pentekostalen Kirchen wachsen, fast täglich entstehen auch neue. Vor einigen Jahren seien sogar Prediger aus Korea gekommen, erzählt sie. Mit der gleichen Botschaft: Die indigene Sprache sei des Teufels und so weiter. Und sie habe denen dann gesagt, dass sie ja auch nicht nach Korea fahre und denen vorschreiben wolle, wie sie zu leben haben.

Sich für die eigene Kultur, die eigenen Werte einsetzen ist nicht einfach. Die neuen Kirchen versprechen Wohlstand, zeigen Wohlstand, auch wenn es nur ganz kleine Schritte sind. Amelia hat wenig dagegen zu setzen, Priester kommen selten – es gibt einfach zu wenige – und die Bibelstunden der Pentekostalen seien einfach attraktiv. Da müsse sich die katholische Kirche schon was einfallen lassen.

Die Kirche muss sich was einfallen lassen

„Ich habe den Traum und die Hoffnung, dass Amazonien als Lebensraum für uns und überhaupt erhalten wird. Wir haben in den vergangenen Jahren viele Negativbeispiele erlebt, Staudämme etwa, und daran kann man sehen was passiert, wenn hier jeder herkommt und einfällt und Bodenschätze abräumen will. Ich hoffe, dass wir hier leben bleiben können und nicht weiter eingeschränkt und eingeschlossen werden. Wir wollen überleben und das in Freiheit tun.“ Das wünscht sie sich von der Bischofssynode.

Amelia Braga Cabral jedenfalls wirkt wie jemand, die das auch mittragen würde. Aber alleine tragen, das könne sie nicht.

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Ökumene, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Evangelikale, katholische Kirche, Schöpfung, Verkündigung2 Kommentare zu Wohlstandsversprechen vs. Wahrung der Kultur – auch ein kirchlicher Streit

Bischof in Amazonien sein: „Wir müssen lernen!“

Veröffentlicht am 9. Oktober 201913. August 2019
Ein reisender Bischof Dom Wilmar Santin OCD, Bischof der Apostolischen Prälatur Itaituba in Brasilien

Sein Bistum ist halb so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Wald, Fluss, wenige Straßen und nur eine Stadt: Itaituba. Und deswegen ist Wilmar Santin OCD dauernd unterwegs. Ein reisender Bischof in Boot, Flugzeug und Wagen. Immer möglichst umweltschonend, darauf besteht er, schließlich geht es auch ihm um den Schutz Amazoniens, des Waldes wie der Kulturen.

Also sitzt Dom Wilmar bei uns im Boot zum Besuch bei den Munduruku, dem Volk das die Mehrheit der Indigenen im Bistum (eigentlich: in der apostolischen Prälatur) Itaituba stellt. Er teilt den Traum von Papst Franziskus, sagt er uns, eigentlich hätte er gerne einen indigenen Priester für jedes indigene Dorf. Bislang hat er keinen einzigen. Einundzwanzig Priester hat er für die ganze Fläche, zwanzig davon seien Ordensleute. Also von außen, meistens aus dem Süden Brasiliens.

Ein reisender Bischof

Das habe ganz merkwürdige Auswirkungen, sagt Dom Wilmar. So seien Heiligenfeste im Ort wichtiger als Weihnachten oder Ostern. Der Grund: zu Patronatsfesten komme der Priester, dann wird geheiratet, getauft, gefirmt, Messe gefeiert. Ostern und Weihnachten kommt niemand, da hätten die Priester in den größeren Dörfern zu tun, in den sieben Pfarreizentren. Was das bei einer solchen Fläche an Abständen bedeutet, kann man sich ausmalen.

Weil die katholische Kirche aber immer auf Missionare gesetzt habe, gebe es keine Kultur der Beteiligung. Laien seien nie ermutigt worden, selber die Dinge in die Hand zu nehmen. Die neuen christlichen Kirchen, die Evangelikalen und Pentekostalen machten das anders, da sei alles in Laienhand und die Pastoren seien auch immer präsent. Deswegen liefen sehr viele Indigene zu denen.

Die katholische Kirche muss reagieren

Darauf müsse die katholische Kirche dringend reagieren, sagt Dom Wilmar. Die katholische Kirche müsse lernen. Nicht übernehmen, aber von dem lernen, was sie wahrnähmen.

Lernen könne die Kirche durch eine erneuerte Betonung des Wortes Gottes. Messe und Sakramente sind wichtig, der Erfolg und die Methoden des Evangelikalen zeigten aber, dass die Bibel und die eigene Beschäftigung damit attraktiv seien. Das müsse auch die katholische Kirche wieder betonen.

Aber das sei nicht nur eine Reaktion auf die Evangelikalen, „sondern ich lerne da auch aus meiner persönlichen Erfahrung im Umgang mit den Menschen. Ich spüre, dass sie einen großen Hunger haben, das Wort Gottes kennen zu lernen. Wir arbeiten seit einiger Zeit vermehrt mit Bibelkreisen in Dörfern und Pfarreien.“

Hunger nach dem Wort Gottes

Lernen könne die Kirche zweitens, dass ein indigener Klerus eine Frage des Zölibats ist. Ehelosigkeit sei kulturell nicht zu vermitteln. Deswegen setzt er auf ein Ausbildungsprogramm für ständige Diakone, und auch für liturgische Dienste wie das Taufen oder das Verheiraten. 48 Munduruku habe er schon offiziell zu „Dienern des Wortes Gottes“ ausgebildet und ernannt, das umfasse Katechese aber auch Liturgien und Austausch und Bibelkreise.

Viri Probati? Ja, auch darüber müsse die Kirche sprechen, aber das sei nicht nur eine Frage Amazoniens. Das ginge alle an, weltweit. Aber auch hier könne man lernen, von anderen.

Dom Wilmar spricht ruhig und entspannt. In seiner Zweck-Kleidung würde unsereiner nie auf den Gedanken kommen, er sei ein Bischof. Nicht einmal den Ring trägt er, das tut er nur zu liturgischen Zwecken. Er spricht mit den Munduruku, übersetzt für uns, erklärt, und man merkt wie sehr ihm diese Völker ans Herz gewachsen sind.

Lernen, und zwar auch in Rom

Jetzt zur Synode ist auch Dom Wilmar in Rom. Im Bischofsgewand wird er kaum wiederzuerkennen sein, aber das gehört zur Synode dazu. Seine Erfahrungen will er einbringen. Und auch wenn er nicht glaubt, dass es zu einer Debatte um den Zölibat kommen werde – dafür seien die Widerstände zu stark – hofft er doch auf Spielraum, um neue Wege gehen zu können.

Er spricht von einer Revolution, die es braucht. Wie ein Umstürzler wirkt er aber so ganz und gar nicht. Sondern wie einer, der für seine Leute das Beste will.

Lernen will er auch hier in Rom. Das sagte er mir im Gespräch bei meinem Besuch auf den Flüssen seines Bistums. „Es wird bei der Synode viele Vorschläge geben“, sagte er mir im vergangenen Mai. „Viele gute Dinge passieren ja schon, von denen andere nichts wissen. Nicht nur hier in Brasilien, sondern auch in den anderen Amazonas-Ländern. Erfahrungen aller Art, die uns helfen können aufzuwachen und ähnliche Dinge zu probieren.“

„Revolution“

Der Papst wolle ja ausdrücklich „Neue Wege für die Kirche“, das steht ja auch im Titel über der Synode. Deswegen werde es viele Vorschläge geben, welche die Pastoral und die Kirche in Amazonien revolutionieren werden. Da ist es wieder, das Wort „Revolution“. Es können Dinge entstehen, die dann auch über das hinausgingen, was die Synode vorschlagen werden.

Er will eine „Weitung der positiven Erfahrungen für ganz Amazonien“, nicht nur auf ein Bistum oder eine Region beschränkt. Bischof Wilmar Santin will lernen, dafür fährt er mit dem Boot über die Flüsse seines Bistums, und auch deswegen ist er nach Rom gekommen.

Eine neue Sorte Bischof, möchte man meinen. Nicht lehren, sondern erst einmal lernen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Bischof, Bischofssynode, Brasilien, Diakon, Indigene, Lernen, Liturgie, Papst Franziskus, Zölibat3 Kommentare zu Bischof in Amazonien sein: „Wir müssen lernen!“

„Früher waren wir Helden …”

Veröffentlicht am 7. Oktober 20196. Oktober 2019
Held oder Verbrecher Paolo Ghizoni, Viehbauer in Amazonien

Er hat es zu was gebracht: Paolo Ghizoni kam vor Jahrzehnten ins Amazonasgebiet, weil es hier Land gab und es immer schon sein Traum war, eigenes Land zu bebauen. Die Regierung habe damals gefördert, Pionier sei er gewesen, mit wenig Land und viel harter Arbeit habe er angefangen. Und es zu etwas gebracht. Aber heute sähen viele das anders, ob er Held oder Verbrecher sei, sei nicht mehr so klar.

Ghizoni ist wohlhabend, er hat sich durch harte Arbeit eine Existenz aufgebaut. Ja, er habe von dem Land das er gekauft hat mehr abgeholzt als er durfte, aber sonst hätte er gar nicht überleben können. Und Land und Wald gäbe es schließlich genug hier, sagt er.

Held oder Verbrecher

„Früher waren wir Helden, heute sind wir Verbrecher”, sagt Ghizoni, aber ihm ist klar, wer ihm das alles vorwirft: „Das sind Leute, die nicht wissen was Arbeit ist. Wir haben Staub gefressen und gearbeitet und mussten abholzen, um überleben zu können“. No nonsense, so würde man ihn beschreiben können. Ein freundlicher Mann, mit der Selbstsicherheit dessen, der sich alles selber aufgebaut hat.

Landwirtschaft hat ihre eigenen Regeln, meistens geschrieben von der Notwendigkeit harter Arbeit. Rauh geht es auch schon mal zu, Diebe müsse er auch schon mal mit einer Ladung Schrot vertreiben, sagt Ghizoni lachend. Er wirkt wie einer, der sich nichts vorzuwerfen hat weil er mit eigenen Händen und viel Schweiß aufgebaut hat.

Mit eigenen Händen aufgebaut

Genauso wie Manuel Maia. Auch er ist ein Viehbauer, in Autazes, und ganz modern hat er mit 38 weiteren Bauern eine Kooperative gegründet. Die große Gefahr, sagt er, seien die Zwischenhändler, die machten ihnen das Leben schwer. Dagegen helfe Solidarität untereinander. Wirtschaftlich klug gedacht. Er hat Büffel, deren Milch sei besser für Käse, und er empfängt uns in der Milchverarbeitung der Kooperative. Modern, sauber, solidarisch. Eigentlich ein Erfolgsmodell. Wären wir nicht in Amazonien, wo Land und Wald Konfliktstoff sind.

Invasives Verhalten? Wegnahme von Land? Drohungen? Illegales Abholzen? Das stimme alles nicht, sagt er. Ja, es gebe Konflikte mit Indigenen, aber die seien geschürt, von außen. „Wir brauchen die und die brauchen uns”, sagt er. Auch er ist wie Paolo Ghizoni einige hundert Kilometer weiter jemand, der weiß was Arbeit ist. Und er hat das Selbstbewusstsein, wie es nur Arbeit bringt.

Selbstbewusstsein, wie es nur Arbeit bringt

Dass Amazonien aber nicht Land wie jedes andere ist, dass indigene Kultur nicht ohne weiteres kompatibel ist, davon ist bei beiden nicht die Rede. Sie sehen die Welt aus der Sicht derer, die Land erschlossen haben. Da ist kein Platz für eine andere Sicht.

Beide haben kein Verständnis dafür, dass sie heute als für ihr eigenes Land gefährlich gesehen würden, als Verbrecher, wie Ghizoni es gesagt hat. Was haben sie denn falsch gemacht? Sie haben Land gekauft und es bestellt. Man muss Menschen wie Paolo Ghizoni und Manuel Maia zuhören, um das Land verstehen zu können.

1.000 Argumente fallen sofort ein, man will sofort widersprechen, argumentieren. Von Zerstörung sprechen, vom Klima, von unwiederbringlichen Kulturen. Aber wenn man die Geschichte der beiden Viehbauern hört, dann wird klar, dass auch die beiden zu Amazonien gehören. Wie alle anderen auch. Ein zurück zur Zeit davor kann es nicht geben. Wer Amazonien zuhören will, wie es die Synode sagt, der muss auch Paolo Ghizoni und Manuel Maia und all die anderen hören. Und auch ihnen eine Perspektive bieten.

Verbrecher sind sie nicht, auch wenn das die einfache Lösung wäre sie einfach als solche abzutun. Sie sind Teil des Problems. Jetzt kommt es darauf an, die zum Teil der Lösung zu machen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Geschichte, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter #SinodoAmazonico, Adveniat, amazonas, Amazonien, Bauern, Bischofssynode, Landwirtschaft, Papst FranziskusSchreiben Sie einen Kommentar zu „Früher waren wir Helden …”

Der Widerständige

Veröffentlicht am 5. Oktober 201913. August 2019
Landwirtschaft bedroht das Leben Francisco und ein Teil seiner Familie

Er sieht nicht aus wie ein Großvater: Francisco Paraibo da Silva ist ja auch erst 43 Jahre alt, da vermutet man das auch nicht. Wir besuchen ihn und seine Familie vom Volk der Mura am Fluss Madeirinha. Aber Francisco sieht auch nicht aus wie einer, der eingeschüchtert wird. Das wird er aber, Landwirtschaft bedroht das Leben der Mura.

Landwirtschaft, das bedeutet vor allem Viehwirtschaft durch Weiße. „Eindringlinge“ nennt sie Francisco, der auch der gewählte Kazike der Dorfgemeinschaft von Taquara ist. „Invasoren“ seien das. Als wir ankommen, wird gerade ein Jubiläum in der Schule gefeiert. Der Kazike ist nicht gekommen, er will nicht auf die Vertreter der Regierung treffen, das gäbe zu viele Spannungen. Und das passe nicht zum Fest, sagt er.

Weiße Landwirtschaft bedroht das Leben

Die Familie lebt in einer Doppelhütte am Fluss, einfache Holzbohlen, drei Wände, ein einziger großer Raum für alles, was es im Leben so gibt. Seine junge Tochter kümmert sich um ihr eigenes Kind, andere Töchter kochen Hühnchen, Fisch, Reis und Bohnen, das Essen was wir hier überall bekommen. Und bringen Obst herbei, diese unglaublich schmeckenden Früchte Amazoniens.

Und Francisco erzählt, von den Drohungen, von den Vorladungen die er erhält und die er schon wegen der Distanz nicht wird einhalten können. Und wer soll in den Tagen der Reise dann das Essen herbei schaffen?

Einschüchterungen

Einer seiner Söhne ist verletzt. Eine Machete hat ihm beim Holzhacken getroffen, am Abend nehmen wir ihn dann mit zum nächsten Arzt. Da kann er jetzt nicht weg. Das sei alles Schikane, sagt er.

Aber er weicht nicht. Die Weißen mit ihren Büffeln kommen und trampeln seine Pflanzen weg. Die lokale Regierung sei auf deren Seite oder gar mit ihnen verwandt, da stünden die Indigenen schwer unter Druck.

Er weicht nicht

Aber er weicht nicht. Er kommt eher sanft rüber, aber von sich selber sagt er, dass er Mut habe und auch deswegen nun schon seit zehn Jahren Kazike des Dorfes, immer wieder gewählt. Seine Leute schätzen seine Hartnäckigkeit. Eben weil sie menschlich rüber kommt.

Francisco weicht nicht. Einige aus dem Volk und auch aus dem Dorf machen es wie die Weißen und schaffen sich Büffel an. Andere arbeiten sogar auf den kleinen Rinderfarmen, die Konfliktlinie ist also gar nicht so klar und deutlich. Aber er will sein Volk, sein Dorf, seine Kultur erhalten.

Smartphone und eine Angel

Einen Tag verbringe ich mit der Familie, und mit Gästen, man ist selten allein. Sprachlich geht das fast gar nicht, da müssen die sprichwörtlichen Hände und Füßer her. Aber das ist auch nicht wichtig. Seine Kinder haben Smartphones in den Händen, was merkwürdig aussieht in der sehr schlichten Hütte. Sie tragen Fußballer-Shirts, im Raum steht ein Fernseher, auch wenn die Satelliten-Schüssel gerade nicht funktioniert.

Francisco und ein Teil seiner Familie
Zwei Hütten, eine Familie

Aber wenige Minuten später sitzen sie unten am Fluss, fischen oder nehmen ein Huhn aus, das gehört so selbstverständlich dazu wie das Smartphone.

Abgeschnitten ist er nicht von der Welt, zurück gezogen lebt seine Familie nicht. Nur weichen wollen sie auch nicht. Nicht dem Büffel, nicht den Einschüchterungen, nicht den Weißen. Sie wollen ihr eigenes Leben leben, sagt mir Francisco.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und VernunftSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Bischofssynode, Brasilien, Indigene, Kultur, Landwirtschaft, RechteSchreiben Sie einen Kommentar zu Der Widerständige

Die indigene Identität entdeckt sich selbst

Veröffentlicht am 3. Oktober 201913. August 2019
beste Hilfe ist die Selbsthilfe Mit Edina Margarida Pitarelli unterwegs auf den Flüssen Amazoniens

Hilfe ist immer konkret. Oder sie ist keine Hilfe. Und die beste Hilfe ist die Selbsthilfe. Wenn Edina Margarida Pitarelli unterwegs ist, dann will sie genau das. Während unserer Reise in Amazonien begleitet sie uns ein Stück, und erzählt von der Arbeit des Cimi, für den sie tätig ist. Also der kirchlichen Organisation, die sich für die Rechte der Indigenen einsetzt.

Als sie am Rio Maderinha, auf dem wir unterwegs sind, angefangen hat wollten viele indigene gar nicht mehr kämpfen, sagt sie. Das sei gar nicht so lange her, vor vier Jahren erst. Sie hätten nicht gesehen, wie sie gegen die Viehbauern, den Bau von Staudämmen, den Staat, die Zerstörung von Wald und Kultur ankommen könnten. Sie hatten mit nichts Erfolg. Und das entmutige.

Beste Hilfe ist die Selbsthilfe

Jetzt sei die Situation anders, auch dank der Cimi-Hilfe. Der erste Schritt: Gemeinsamkeiten herstellen. „In dem Moment, in dem wir anfangen, vor Ort für die Rechte der indigenen Bevölkerung zu arbeiten, beginnen diese zu erkennen, dass sie sich mit anderen Dörfern zusammenschließen müssen, dass sie sich am gleichen Kampf beteiligen müssen, denn das Problem des einen ist praktisch das Problem aller. Und so war es auch: sie haben sich vereint und eine Bewegung geschaffen.“

Der zweite Schritt: informieren. „Sie haben zum Beispiel den Abbau von Mineralien einfach so hingenommen, bis sie wussten, was ihre Rechte waren.“ Erst dann hätten sie sich begonnen zu wehren. Indigene wüssten oft nicht, was ihre Rechte seien, weil niemand ein Interesse hätte, ihnen das zu sagen.

„Zuerst versuchen wir, einem Dorf zuzuhören: Sehen, was die Menschen denken, was sie fühlen, welche Probleme sie haben. Und von dem Moment an, in dem sie beginnen, die Probleme zu erzählen, beginnen wir mit der Information darüber was das Gesetz ihnen garantiert, den indigenen Rechten – wie wir sie nennen. Wir erklären ihnen auch, wie der brasilianische Staat arbeitet, damit sie wissen, wo sie ihre Rechte geltend machen können.“

Workshops in Sachen Recht und Gesetz

Also sind sie unterwegs, die Leute vom Cimi, in wackeligen kleine Booten oder auch mit dem Wagen, und schulen, informieren, ermutigen, helfen. Sie machen Workshops zu Rechten und zu den Instanzenwegen. Und das stärke dann wiederum den ersten Schritt: „Und von dem Moment an, in dem sie sich ihrer Rechte bewusst werden, beginnen sie, sich untereinander zu stärken, sich zu vereinen und Dinge zu sehen, die sie vorher nicht gesehen haben.“

Immer wieder taucht bei der Reise die Frage auf, ob sich die Kultur der Indigenen nicht ohnehin ändern würde, sie gehen zur Schule, haben Berufe, wollen sie wirklich so weiter leben, wie sie es im Augenblick tun? Zum Beispiel die Mura, bei denen wir zu Gast sind und denen Edina Pitarelli hilft?

Der Volk der Mura entdeckt sich erst

„Ich denke schon, denn sie entdecken, dass sie ohne das Land, ohne die Sprache und ohne die Kultur als Volk aufhören zu existieren“, erklärt sie.

Sie bemerke, dass im Einsatz für die eigenen Rechte sich auch die Identität als Indigene stärke und die Wertschätzung der eigenen Kultur als etwas Wertvolles wachse. Man lerne sich als Volk erst richtig kennen, wenn man gemeinsam für die Rechte kämpfe.

„So haben sie uns beispielsweise bereits um einen Workshop gebeten, der ihnen hilft, das gemeinsame Gebiet zu kartieren, nicht mehr nur das individuelle Gebiet jedes Dorfes. Deshalb glaube ich, dass sie anfangen, mehr als Volk zu leben“. In diesem Jahr gebe es auch bereits die dritte Versammlung aller Mura, auch das etwas Neues. Und sie zeigen sich: am vergangenen Karfreitag hätten sie einen Protestmarsch in Autazes organisiert, als Indigene, um für sich und ihre Rechte einzutreten.

Die beste Hilfe ist halt die Selbsthilfe.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Geschichte, Glaube und VernunftSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Bischofssynode, Cimi, Indigene, Rechte, SelbsthilfeSchreiben Sie einen Kommentar zu Die indigene Identität entdeckt sich selbst

Der Baum

Veröffentlicht am 1. Oktober 201913. August 2019
Regenwald Amazonien Unterwegs auf einem Amazonas-Nebenfluss

Für meine europäischen Augen sieht es idyllisch aus, romantisch fast, auch ein wenig exotisch: mit dem Boot rauschen wir über einen der Nebenflüsse des Amazonas, die Regenzeit hat fast alles mit Wasser bedeckt, und dann ragen da immer wieder einzelne Bäume aus dem Wasser. Und wer wochenland immer wieder „Regenwald Amazonien“ hört und von Wald und Baum reden hört, wer mit Indigenen spricht die den Baum als Schöpfung sehen und mit Waldbauern, die ihn als Kapital betrachen, der kommt ins Grübeln.

Sind wir noch unterwegs auf dem Fluss? Oder ist es schon überschwemmtes Land? Während der Regenszeit ist das nicht einfach zu unterscheiden, und vielleicht auch nicht wichtig, ob etwas Land ist oder nicht ist eine Frage der Jahreszeit. Und damit ist die Untescheidung auch nur für uns, für die Besucher wichtig. Dem Baum jedenfalls ist es gleich, er hat sich angepasst.

„Regenwald Amazonien“

Bäume habe ich viele gesehen. Einzeln wie diesen sehen sie romantisch aus. Als Wald spannend und irgendwie fremd. Nun bin ich kein „treehugger“, wie man auf Englisch sagt, ich neige nicht zu Romantisierungen. Aber Eindruck hinterlassen diese Bäume schon.

Regenwald Amazonien
Der Baum in seiner beeindruckenden Lebensweise: als Wald

Die Indigenen sagen mir, Bäume seien Teil ihrer Welt. Nicht Objekte, Subjekte. Von Seiten der Kirche höre ich immer wieder das Wort „Schöpfung“, das alles ist geschaffen, und zur Sorge überlassen, aber eben genau zur Sorge. Unsere Sorglosigkeit im Umgang mit dem Baum droht, die gesamte Schöpfung aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das ist noch einmal eine andere Sicht, aber sie begegnet der indigenen Sicht, die beiden sind vereinbar.

Sorge und Sorglosigkeit

Gänzlich unvereinbar sind dagegen Sichtweisen, welche den Baum als Material sehen. Als Kapital. Oder als Hindernis für Entwicklung. Das werfen viele den neuen Kirchen vor, den pentekostalen. Baum wird angebaut, geerntet, benutzt und bewirtschaftet. Mehr nicht.

Das Resultat sehen wir auch. Baum, der kein Baum mehr ist, der Hindernis war für das, was jetzt Weide wurde. Kilometerlang fahren wir auf rostroten Lehmstraßen an Land vorbei, das einmal Wald war, das jetzt aber Weide ist. Den Übergang markieren verkohlte Baumstümpfe, der Wald wurde abgebrannt um Raum zu schaffen für das Vieh, für uns und unsere Nahrung. Und er kommt auch nie wieder, der Boden ist nach der Abholzung unwiederbringlich weg, das wächst nur noch Gras.

Oder es wächst der Baum in seiner Plantagen-Variante, der Eukalyptus. Schnell wachsend, monoton, und egoistisch: dieser Baum duldet keine anderen Pflanzen um sich herum. Der perfekte Baum zum Anbau. Die Monotonie dieses Baumes ist in der Reflexion um so bedrückender, als da ja mal der Reichtum der Verschiedenheit war.

Subjekt, Schöpfung, Kapital

Die Fragen drängen sich auf, wenn man durch den Regenwald fährt. Oder durch das, was mal Regendwald war. Hier hat die menschliche Kultur brutal zugeschlagen. Das alles ist keine Natur mehr, das ist Kultur. Menschengemacht.

Der Baum ist in meinen kleinen Geschichten von Begegnungen in Amazonien dabei, eben weil er eine Rolle spielt. Wie gesagt, ich will nicht romantisieren, aber am Baum kann man am ehesten ablesen, was wir Menschen machen und entscheiden. Schöpfung wehrt sich nicht, Schöpfung fügt sich, wenn man die richtigen Instrumente hat. Und die haben wir ja, das haben wir zur Genüge bewiesen.

Der Baum ist Teil des Lebens-Netzes Amazoniens, gleich in welcher Weise, als Subjekt, als Schöpfung, als Kapital. Und wenn es ihn nicht mehr gibt, dann ändert sich alles, der Klimawandel zeigt sich ja bereits auch bei uns. Der Baum ist deswegen auch ein Anzeiger, wie wir mit dem Umgehen, was uns anvertraut ist.

Ein Indikator unserer Sorglosigkeit, oder eben unserer Sorge. Und darüber hinaus: Schön ist er auch, so ein Baum.

Regenwald Amazonien
Der Baum in seiner traurigen Variante: Hier war mal Wald, hier ist nun Weide.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter #SinodoAmazonico, amazonas, Amazonien, Kultur, Natur, Papst Franziskus2 Kommentare zu Der Baum

Heiler, Richter, Beter

Veröffentlicht am 29. September 201913. August 2019
Geistliche Autorität Raimondo Maciel da Rocha Filho, Pajé von Murutinga

Wer ein Problem hat, der geht zu ihm: Raimondo Maciel da Rocha Filho ist der Pajé von Murutinga, einem Dorf des indigenen Volks der Mura. Wer krank ist, der ruft zuerst ihn, dann erst die Krankenpfleger von der Gesundheitsstation. Pajé, das ist so etwas wie der Schamane, Heiler, aber auch Beter und früher auch Richter im Dorf.

Würde, Macht, geistliche Autorität, das alles stellt man sich anders vor. Maciel da Rocha ist 83, ein netter Herr, der leise spricht und in Gruppen nicht besonders auffällt. Soll heißen: er steht nicht im Vordergrund. Oder drängt sich nicht dorthin. Keine Abzeichen, keine besondere Kleidung, kein Ehrenplatz.

Geistliche Autorität

Geistliche Autorität ist bei den Indigenen anders, als wir uns das vorstellen, es wird eine der spannendsten Begegnungen bei meiner Reise, aber auch eine die mir fremd bleibt. Die Vorbereitungen der Synode sprechen davon, die Weisheit der indigenen Völker ernst zu nehmen. Und der Pajé gehört dazu.

Seine Berufung und seine Fähigkeiten habe er von Gott, sagt Raimondo da Rocha mir. „Ich war noch ein Junge, ich war etwa 10 Jahre alt. Jetzt bin ich 83.” Bei meiner nächsten Frage prallen dann die Welten aufeinander. Der Pajé betet, also hat er mit Religion zu tun. Und er hat eine Rolle in der Gemeinschaft. Also denke ich natürlich, diese Rolle muss ihm übergeben worden sein. In einer Art Initiation, so etwas wie die Weihe bei uns, eine Liturgie, ein öffentlicher Akt.

Nichts da. Der Pajé spürt die Berufung und übt sie dann aus. Und allein die Akzeptanz bei den Menschen entscheidet, ob er das weiter machen kann. Keine Autorität durch eine Religion, eine Institution, eine Weihe.

Heiler

Wer ein Problem hat, geht zu ihm, das ist seine Funktion. Heiler zu sein. „Hier gibt es verschiedene Arten von Krankheiten: Krebs, Cholesterin, Diabetes und andere. Dann werde ich für die Person beten und dadurch sehen, welche Art von Krankheit sie hat, damit ich die Medizin herstellen kann. Und wenn ich nicht helfen kann, dann schicke ich den Arzt, um der Person eine andere Art von Medizin zu geben. Dann wird die Person untersucht, damit der Arzt sie behandeln kann. Die Medizin, die ich gebe, ist nur hausgemacht.“

Es gebe Krankheiten, an die gehe er gar nicht erst heran, die brauchen auf jeden Fall sofort einen Arzt, sagt er. „Ich heile von außen. Wenn die Leute kein Wasser schlucken können, dann gehe ich dorthin und bete, nehme ein bestimmtes Blatt, lege etwas Bienenhonig hinein, nehme das Serum und gebe es der Person, die es nehmen soll.“ Er wisse, welche Baumrinde gegen Tuberkulose helfe, und wie man aus dieser Rinde einen Tee mache. Wenn wir andere Indigene fragen, sprechen die mit Ehrfurcht vom Wissen der Pajés um die Heilkräfte von Pflanzen, es gehört fest zu ihrer Kultur dazu, die Pajés pflegen dieses Wissen.

Baumrinde gegen Tuberkulose

Die Gesundheitspfleger, die wir auf der Reise treffen, haben mit den Pajés kein Problem. Immer wenn sie in ein Dorf von Indigenen gerufen würde, sei der Pajé schon da, sagt uns bei der Reise eine Krankenschwester. Das sei aber kein Problem, die Pajés wüssten genau, wann medizinische Hilfe gebraucht würde und traditionelle Heilkräfte nicht mehr reichten.

Er habe geträumt, dass er Pajé sei, erzählt Raimondo da Rocha von seiner Kindheit. Meistens bleibt die Berufung in der Familie, auch Raimondos Vater war schon Pajé. Früher waren die Pajés auch Richter, aber das geht mit dem brasilianischen Recht heute nicht mehr. Heute gibt es Verfahren und Prozesse, da hält er sich zurück, Richter sei er schon lange nicht mehr.

Aber noch einmal zurück zur Gretchenfrage, das mit Gott und der Religion interessiert mich dann doch. Ist das keine Konkurrenz zu den Kirchen, die hier in Amazonien seien, möchte ich von ihm wissen. Und ob er Beziehungen hat zu anderen Religionen, zu Pastoren der Evangelikalen oder zu Priestern? „Nein, nur mit Katholiken“, sagt er. Ob wohl es Evangelikale im Dorf gebe.

Die Frage nach der Religion

Gleich um die Ecke vom Gemeindehaus steht das Gebetshaus der „Assembleia de Deus“, eine der am weitesten verbreiteten pentekostalen Kirchen in Amazonien. Die wollen aber mit indigener Kultur nichts zu tun haben. Die Sprachen der Völker, ihre Trachten und Gebräuche, das sei alles Teufelszeug. Und deswegen auch der Pajé und seine geistliche Autorität.

Nur die Katholiken und woanders auch Baptisten versuchten, die indigenen Kulturen zu erhalten, hören wir immer wieder.

Raimondo da Rocha schweigt dazu. Er sagt nichts Negatives. Gott habe ihm diese Gabe für die Gemeinschaft gegeben, und das mache er.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Dialog, Gesundheit, Indigene, Kultur, Religion2 Kommentare zu Heiler, Richter, Beter

Beitrags-Navigation

Ältere Beiträge

Links

  • Helfen Sie meinem Blog
  • Radio Vatikan
  • RV-Newsletter bestellen

Neueste Beiträge

  • „Wohin auch immer das führen wird“
  • Respekt!
  • Selbstkritik
  • Sammelpunkt der Dynamik des Zuhörens

Kategorien

  • Allgemein
  • Benedikt XVI.
  • Bischofssynode
  • Die deutschsprachige Kirche
  • Franziskus
  • Geschichte
  • Glaube und Gerechtigkeit
  • Glaube und Vernunft
  • Interview
  • Kirche und Medien
  • Kunst, Kultur und Können
  • Neulich im Internet
  • Ökumene
  • Papstreise
  • Rom
  • Spiritualität / Geistliches Leben
  • Sprechen von Gott
  • Vatikan
  • Zweites Vatikanisches Konzil

Artikelarchiv

  • Juni 2021
  • Mai 2021
  • April 2021
  • März 2021
  • Februar 2021
  • Januar 2021
  • Dezember 2020
  • November 2020
  • Oktober 2020
  • September 2020
  • August 2020
  • Juli 2020
  • Juni 2020
  • Mai 2020
  • April 2020
  • März 2020
  • Februar 2020
  • Januar 2020
  • Dezember 2019
  • November 2019
  • Oktober 2019
  • September 2019
  • August 2019
  • Juli 2019
  • Juni 2019
  • Mai 2019
  • April 2019
  • März 2019
  • Februar 2019
  • Januar 2019
  • Dezember 2018
  • November 2018
  • Oktober 2018
  • September 2018
  • Juli 2018
  • Juni 2018
  • Mai 2018
  • April 2018
  • März 2018
  • Februar 2018
  • Januar 2018
  • Dezember 2017
  • November 2017
  • Oktober 2017
  • September 2017
  • August 2017
  • Juli 2017
  • Juni 2017
  • Mai 2017
  • April 2017
  • März 2017
  • Februar 2017
  • Januar 2017
  • Dezember 2016
  • November 2016
  • Oktober 2016
  • September 2016
  • August 2016
  • Juli 2016
  • Juni 2016
  • Mai 2016
  • April 2016
  • März 2016
  • Februar 2016
  • Januar 2016
  • Dezember 2015
  • November 2015
  • Oktober 2015
  • September 2015
  • August 2015
  • Juli 2015
  • Juni 2015
  • Mai 2015
  • April 2015
  • März 2015
  • Februar 2015
  • Januar 2015
  • Dezember 2014
  • November 2014
  • Oktober 2014
  • September 2014
  • August 2014
  • Juli 2014
  • Juni 2014
  • Mai 2014
  • April 2014
  • März 2014
  • Februar 2014
  • Januar 2014
  • Dezember 2013
  • November 2013
  • Oktober 2013
  • September 2013
  • August 2013
  • Juli 2013
  • Juni 2013
  • Mai 2013
  • April 2013
  • März 2013
  • Februar 2013
  • Januar 2013
  • Dezember 2012
  • November 2012
  • Oktober 2012
  • September 2012
  • August 2012
  • Juli 2012
  • Juni 2012
  • Mai 2012
  • April 2012
  • März 2012
  • Februar 2012
  • Januar 2012
  • Dezember 2011
  • November 2011
  • Oktober 2011
  • September 2011
  • August 2011
  • Mai 2011

Schlagwörter

Barmherzigkeit Benedikt XVI. Bischofssynode Deutschland Deutschlandreise Dialog Evangelii Gaudium Familie Flüchtlinge Franziskus Frieden Gebet Generalaudienz Gesellschaft Glaube Glauben Gott Internet Jahr des Glaubens Jesus Kirche Kommunikation Kuba Liturgie Medien Missbrauch Neuevangelisierung Papst Papst Franziskus Papstreise Politik Predigt Radio Vatikan Reform Religion Rom Sommerreise Spiritualität synodaler Weg Synode Theologie Vatikan Verkündigung Öffentlichkeit Ökumene
  • paterberndhagenkord.blog
  • Kontakt / Impressum
  • Datenschutzerklärung
Der Blog von Pater Bernd Hagenkord   |   2011 bis 2023