Weibliche Kaziken, das ist noch selten unter den indigenen Kulturen Amazoniens. Aber dass Frauen den Laden schmeißen, das ist dort so wahr wie hier auch. Und so übernehmen sie auch in der Kirche Gemeindeleitung, wie etwa Amelia Braga Cabral, Lehrerin und Organisatorin der katholischen Kirche in Murutinga, einem Dorf der Mura. Eine leidenschaftliche Kämpferin für ihre indigene Kultur.
Sie führt uns durch das Dorf, während wir sie fragen, wie das so ist mit der katholischen Kirche vor Ort. Ach, sagt sie, zu wenig Leute. Und die Evangelikalen seien sehr präsent hier.
Leidenschaftliche Kämpferin für ihre indigene Kultur
Sie zeigt auf eine nagelneue Hütte: Das sei die Igreja de Deus, eine der vielen wachsenden Gemeinden hier. Alles stabil und anders als die Wohnhäuser blitzblank und fast noch nicht in Gebrauch. Die seien mit viel Geld gekommen, sagt Amelia. Aber was sie am meisten aufregt ist die Attitüde: „Die verbieten, dass wir unsere eigene Sprache sprechen“, sagt die Lehrerin. „Für die ist das die Sprache des Teufels. Wir dürfen auch unsere Trachten nicht tragen oder uns im Gesicht bemalen, aber das gehörte immer schon dazu.“
Aber warum gehen dann Menschen dahin, wenn das mit jede Menge Verboten belastet ist? „Nun, erst schenken sie Boote und Mobiltelefone und andere Dinge. Und dann bekommen sie die Frauen, weil sie den Männern verbieten, Schnaps zu trinken. Das ist alles voller Moral, aber das funktioniert. Es wirkt. Und deswegen gehen die Frauen dahin und bringen die Männer mit.“
Moral-Verkündigung
Sie will dagegen die eigene Kultur weiter pflegen, die katholische Kirche und zum Beispiel auch die Baptisten sähen das ähnlich, traditionelle Kultur und Kirche widersprächen sich nicht. „Das gibt Konflikte, Konflikt mit unserer Kultur. Denn diese Religionen wie die Adventisten und die Igreja [de Deus] sagen, dass wir nicht zu unserem Pajé gehen dürfen, nicht zu unserem Schamanen. Die sagen der kann nichts und sei schon gar nicht eine religiöse Figur. Wir haben aber eine ganz andere Tradition, wir wissen, dass der Baum lebt und Medizin gibt. Der Baum ist etwas Wichtiges, für die ist es aber nur ein Baum, der kann weg.“
Für Indigene sei ein Baum nicht nur ein Baum, sondern Teil einer immer auch spirituellen Welt. Für die Pentekostalen sei der Baum – und sie legt ihre Hand an ein besonders altes Exemplar – entweder ein Hindernis oder aber Kapital. Da sei keine geistliche Welt dahinter. Traurig, sagt sie.
Keine geistliche Welt mehr in der Schöpfung
Und so geht die Verbindung von katholischer Kirche und indigener Kultur immer weiter zurück, die pentekostalen Kirchen wachsen, fast täglich entstehen auch neue. Vor einigen Jahren seien sogar Prediger aus Korea gekommen, erzählt sie. Mit der gleichen Botschaft: Die indigene Sprache sei des Teufels und so weiter. Und sie habe denen dann gesagt, dass sie ja auch nicht nach Korea fahre und denen vorschreiben wolle, wie sie zu leben haben.
Sich für die eigene Kultur, die eigenen Werte einsetzen ist nicht einfach. Die neuen Kirchen versprechen Wohlstand, zeigen Wohlstand, auch wenn es nur ganz kleine Schritte sind. Amelia hat wenig dagegen zu setzen, Priester kommen selten – es gibt einfach zu wenige – und die Bibelstunden der Pentekostalen seien einfach attraktiv. Da müsse sich die katholische Kirche schon was einfallen lassen.
Die Kirche muss sich was einfallen lassen
„Ich habe den Traum und die Hoffnung, dass Amazonien als Lebensraum für uns und überhaupt erhalten wird. Wir haben in den vergangenen Jahren viele Negativbeispiele erlebt, Staudämme etwa, und daran kann man sehen was passiert, wenn hier jeder herkommt und einfällt und Bodenschätze abräumen will. Ich hoffe, dass wir hier leben bleiben können und nicht weiter eingeschränkt und eingeschlossen werden. Wir wollen überleben und das in Freiheit tun.“ Das wünscht sie sich von der Bischofssynode.
Amelia Braga Cabral jedenfalls wirkt wie jemand, die das auch mittragen würde. Aber alleine tragen, das könne sie nicht.
Danke für diesen sehr offenen Bericht. Er berührt und macht traurig. Es zeigt die Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit, denen diese Völker im Amazonas ausgesetzt sind. Kulturdemontage zur Vorbereitung für den christlichen Glauben. Man hat das Gefühl, dass dort alles verändert und beseitigt werden muss, damit der „wahre“ Glaube dort wohnen kann. Und dies mit einseitigen, ausgrenzenden Überzeugungen tw. aus einem anderen Kulturkreis und fragwürdigem Geschenk- / Objektersatz als Lockmittel. Christliche Wertschätzung und Demut vor der (Noch – ) Freiheit dieser Menschen sieht anders aus.
Auch wenn ich gerade in diesem sehr schwierigen Kontext überzeugt bin, dass jeder Bibelvers aus dem Zusammenhang zu einer Fehlinterpretation führen könnte, würde mir trotzdem das Pauluswort in den Sinn kommen „ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph. 4,6). Auch in den engagierten Frauen, die noch den Mut haben, fragwürdige Forderungen und Veränderungen beim Namen zu nennen.
Was könnten wir in diesem Blogg tun, diese Menschen in ihrem Umfeld und in ihrer Not zu unterstützen?
“Aber alleine tragen, das könne sie nicht.”- dieser Satz bringt es auf den Punkt. Die Bischofssynode muss sich in der Tat was einfallen lassen – das Instrumentum Laboris ist eine sehr gute Basis – spannend wird sein was am Ende rauskommt. Nur, wenn Worte nicht durch Taten bekräftigt werden in den nächsten Jahren bis 2030 wird sich nichts ändern. Die Menschen dort brauchen konkrete und professionelle Unterstützung im ganzheitlichen Sinne. Dazu braucht es Ressourcen, Kompetenzen und den unbedingten Willen die genannten Probleme zu lösen. Für die Umsetzung der Ergebnisse – wäre die Schaffung eines eigenen aber sehr stark dezentral und digtial organisierten AMAZONAS Hilfswerk sinnvoll. Statt einer “Schlussbemerkung” braucht es einen “Umsetzungsbeschluss” incl. des nötigen Capacity Building, auch hinsichtlich universitärer Ausbildung in den katholischen Universitäten – nicht nur in den genannten Bereichen, sondern auch in neue Richtungen zur Umsetzung von Laudato Si wie der neue Ansatz Planetary Health (Harvard). Man sollte auch mal weiterdenken z.B. auch Vergabe von Mikrokrediten, innovativer Finanzierungsinstrumente durch uns. Mir wäre es wirklich wohler, wenn z.B. unsere reiche deutsche Kirche ihr Geld bzw. unsere Kirchensteuer dort “investiert” bzw. verleiht, als wie in Eichstätt 50 Mio.€ in Immobilienprojekte in den USA verfeuert. Nur, weil sie nicht mehr wissen wohin mit dem Geld ! Wir könnten unsere erfolgreiche Idee der kirchlichen Siedlungswerke exportieren – mit unserem Ressourcen, etc. Es braucht auch einen kritischen Dialog über das “Wohlstandsevangelium” der Evangelikalen. Ja klar, unsere Kirche muss insgesamt charismatischer werden und ja es braucht “viri probati”.