Eine Wallfahrtskapelle wie die auf dem Foto ist ein geistlicher Ort. Wir sind geladen, ein geistliches Leben zu leben, aber wir können uns dazu nicht ständig in Kapellen aufhalten. Dasselbe gilt für den Synodalen Weg, der soll ein geistlicher Prozess sein. Aber auch wenn wir im Dom in Frankfurt gemeinsam Beten und Feiern, kann das ja nicht alles sein. Es braucht Orte des Geistlichen auch in unserem Alltag.
Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern hatte mich gebeten, vergangenen Samstag dazu einen Impulsvortrag zu halten. Danke sehr für die Einladung, die Kerngedanken dessen, was ich zu sagen hatte, möchte ich hier gerne für alle nachreichen.
Ein geistlicher Prozess
Wie gesagt, der Synodale Weg soll ein geistlicher Prozess sein. Aber was das genau sein soll, erschließt sich nicht sofort. Vielleicht war und ist das sogar eine der beiden großen Fragen, welche den Weg umrahmen: wo führt das hin und was ist das Geistliche?
Wenn man genauer hinschaut, dann sieht man bereits einiges von diesem geistlichen Prozess am Werk. Nicht spektakulär, aber stetig. In Begegnungen über Meinung und Position hinweg, in gemeinsamen Gebeten, in spirituellen Elementen aus ganz verschiedenen geistlichen Traditionen: das alles kann wirklich zu einem geistlichen Weg wachsen, wenn wir es lassen. Wenn wir annehmen, dass der Synodale Weg nicht dazu da ist, die Welt quasi in einem Streich zu retten, sondern dazu, allmählich Hindernisse für unser Kirchesein und die Verkündigung der Botschaft Jesu aus dem Weg zu räumen, dann sind wir auf einem guten Weg.
Hindernisse aus dem Weg räumen
Leider ist der geistliche Prozess immer wieder auch Vehikel des Streits: es würde nicht genug gebetet und so weiter. Einig sind wir uns also noch nicht, bei allen guten Anfängen. Deswegen habe ich drei „Orte des Geistlichen“ identifiziert, wo der geistliche Prozess wachsen kann.
Der erste dieser drei Orte ist das Gebet. Ein offensichtlicher Ort, scheint es. Aber so klar ist das nicht, mindestens bei uns ist es üblich, das Gebet außerhalb von Familie an die Zuständigen zu delegieren. Wenn ein Priester da ist, dann soll der das Bitteschön machen.
Aber wir sind auch beim Synodalen Weg unbeholfen, scheint mir, „das wirklich Wichtige“ sind die Debatte und die Textarbeit, die Auseinandersetzung. Da kann man Ergebnisse sehen, da wird Energie investiert.
Unbeholfen im Gebet
Bitte nicht falsch verstehen: klug mit den Problemen umgehen ist wichtig. Statistiken, Analysen, Prognosen und all das haben selbstverständlich ihre Bedeutung. Auch so kann man die berühmten Zeichen der Zeit erkennen. Stehen bleiben dürfen wir dabei allerdings nicht, das „Gläubig-Sein“ erschöpft sich hier nicht.
Gebet stellt Fragen, die über all das hinaus gehen (können), es richtet den Blick über den Horizont des Status quo hinaus. Wenn wir wirklich nach dem Willen Gottes suchen, dann können wir den nur wahrnehmen, wenn wir nicht betäubt sind vom Erreichten, vom Erfolg, vom Status. Das ist das genuine Metier von Gebet und geistlichem Tun.
Gebet über den Status quo hinaus
Und noch etwas, was mir wichtig ist: Gebet bedeutet „Unterscheidung“, also das Prüfen der Situation darauf hin, wohin Gott uns führen will. Das baucht Offenheit, das braucht Übung. Das bedeutet aber kein Votum gegen die „Entscheidung“. Geistlich und Gebet bedeutet nicht, alles ins Fromme zu verlegen und die Entscheidungen werden dann woanders getroffen.
Aus der geistlichen Tradition, aus der ich selber komme, möchte ich sagen: Wenn Gott ins Spiel kommt, wird es erst richtig spannend. Gebet hat Folgen, gerade im Alltag. Es ist keine bloße fromme Umrahmung, es führt zum Kern dessen, was wir da tun. Deswegen stimme ich dem Papst zu: die Kraft für wahre Reform kommt aus dem Gebet.
Wahre Reform kommt aus dem Gebet
Der zweite der drei Orte ist die Debatte. Von Beginn des Synodalen Wegs an klang uns das hier etwas unschön angekommene Wort des Papstes von der „Parlamentarisierung“ in den Ohren. Er hatte es bei einer Bischofssynode und dann immer wieder gesprochen und vor Taktieren, Abstimungs-Deals und so weiter gewarnt. Das möge Teil moderner Demokratie sein, solle aber nicht in der Kirche ankommen.
Der Papst warnt auch davor, nur auf die eigenen Kräfte zu bauen. Gerade auch uns Deutsche, in seinem Brief zum Synodalen Weg wird das sehr deutlich.
All diese Warnungen teile ich, aber ich meine auch, dass das keine Ablehnung einer demokratisch organisierten Debatte ist. Denn auch solch eine Debatte kann geistlich sein. Leider wird das oft gegeneinander ausgespielt, beim Synodalen Weg solle über „die Wahrheit“ abgestimmt werden.
Demokratische Debatte ist geistlicher Ort
Dem möchte ich entgegen halten, dass jeder Entscheidungsmodus gleichermaßen geistlich oder ungeistlich sein kann. Auch wenn nur ein geweihter Mensch alleine in Amtsvollmacht entscheidet, sozusagen das monarchische Prinzip, dann kann das sehr ungeistlich sein. Und leider haben wir hier in den vergangenen Jahren viel von derlei Entscheidungen gesehen.
Umgekehrt kann es bei einer Geschäftsordnungsdebatte geistlich zugehen, wenn es um Gleichberechtigung und Transparenz der Regeln geht. Das widerspricht sich nicht.
Es gibt kein theologisches Argument, dass den Heiligen Geist für eine bestimmte Form der Entscheidungsfindung reserviert. Natürlich mit klaren Kategorien: nicht taktieren, ehrlich und transparent sein, auf Argumente hören und innerlich offen an die Sache heran gehen. Aber wenn wir genau hinschauen, dann gelten diese Kategorien auch für alle anderen Entscheidungformen, auch für die monarchische.
Anfang einer evangeliumsgemäßeren Struktur
Deswegen gilt, dass grundsätzlich Debatte und demokratische Methoden auch ein Ort des Geistlichen sein können. Oder wie es meine Mit-Begleiterin ausgedrückt hat: „Der Synodale Weg ist in dieser Hinsicht der notwendige und dringende Anfang für eine neue und auch mehr evangeliumsgemäße Kommunikation, Entscheidungsfindung und Struktur in der Kirche in Deutschland.“
Der dritte Ort des Geistlichen ist der Streit. Von Beginn an prägt der ja den Synodalen Weg, drinnen und vor allem auch draußen. Sachauen Sie nur ins Internet oder lesen Sie Beiträge von außerhalb Deutschlands, von Menschen die oft wenig Ahnung haben, was wir eigentlich tun: da wird Streit angezettelt.
Streit wird angezettelt
Selbst gutwillige Kommentatoren verstehen oft nicht, was der Synodale Weg soll, die wollen eher eine Abstimmung über Frauenpriesterweihe und solange wir das nicht liefern, nehmen die uns nicht ernst. Und so leben die Konflikte.
Das Gleiche gilt aber auch im Saal, sozusagen. Die Aufmerksamkeit wird von Maximalforderungen geprägt: wer über den synodalen Weg spricht ist sich der medialen Aufmerksamkeit sicher, wenn er oder sie Forderungen stellt: dies oder jenes dürfe auf keinen Fall passieren, dieses oder jenes müsse auf jeden Fall passieren, solche Formulierungen prägen die Debatte.
Man warnt vor Spaltungen, nennt dann aber Kriterien, die selber zur Spaltung führen. So ist man fein raus und kann danach mit dem Finger zeigen.
Mit dem Finger zeigen
Sie sehen, Streit ist nicht schön, gar nicht. Und trotzdem glaube ich, dass auch der Streit ein Ort des Geistlichen ist.
Wie es Maria Boxberg formuliert hat, die ich weiter oben schon mal zitiert habe: Diskussion und Konflikt gab es schon vorher, nun aber versammelt sich der in einem Raum, zu konkreten Themen. Der Synodale Weg führt Menschen zusammen, die viel Leidenschaft in diese Kirche stecken und sie lieben. Das streite ich niemandem ab, der mitmacht!
Es besteht mindestens die Chance, dass nicht übereinander, sondern miteinander gesprochen wird. Und dass all die Konflikte, Vorbehalte, Verletzungen etc. ausgesprochen werden können. Wir können nicht so tun, als gäbe es diese Konflikte nicht, nur weil sie bisher oft nicht oder nur verdeckt und in kleinerem Rahmen ins Gespräch gekommen sind.
Eine geistliche Chance
Deswegen ist auch der Streit ein Ort des Geistlichen: weil die Chance besteht, dass er ausgetragen wird und nicht ausschließlich destruktiv wirkt.
Drei Orte des Geistlichen für den Synodalen Weg, die nicht gleich ein Gehen in die Kapelle voraus setzen. Die aber im Alltag und in der Arbeit des Synodalen Wegs wirken können.