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Schlagwort: geistlich

Streit, Debatte, Gebet: Orte des Geistlichen

Veröffentlicht am 18. April 2021
Ein geistlicher Prozess Wallfahrtskapelle Etzelsbach, Eichsfeld: ein geistlicher Ort

Eine Wallfahrtskapelle wie die auf dem Foto ist ein geistlicher Ort. Wir sind geladen, ein geistliches Leben zu leben, aber wir können uns dazu nicht ständig in Kapellen aufhalten. Dasselbe gilt für den Synodalen Weg, der soll ein geistlicher Prozess sein. Aber auch wenn wir im Dom in Frankfurt gemeinsam Beten und Feiern, kann das ja nicht alles sein. Es braucht Orte des Geistlichen auch in unserem Alltag.

Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern hatte mich gebeten, vergangenen Samstag dazu einen Impulsvortrag zu halten. Danke sehr für die Einladung, die Kerngedanken dessen, was ich zu sagen hatte, möchte ich hier gerne für alle nachreichen.

Ein geistlicher Prozess

Wie gesagt, der Synodale Weg soll ein geistlicher Prozess sein. Aber was das genau sein soll, erschließt sich nicht sofort. Vielleicht war und ist das sogar eine der beiden großen Fragen, welche den Weg umrahmen: wo führt das hin und was ist das Geistliche?

Wenn man genauer hinschaut, dann sieht man bereits einiges von diesem geistlichen Prozess am Werk. Nicht spektakulär, aber stetig. In Begegnungen über Meinung und Position hinweg, in gemeinsamen Gebeten, in spirituellen Elementen aus ganz verschiedenen geistlichen Traditionen: das alles kann wirklich zu einem geistlichen Weg wachsen, wenn wir es lassen. Wenn wir annehmen, dass der Synodale Weg nicht dazu da ist, die Welt quasi in einem Streich zu retten, sondern dazu, allmählich Hindernisse für unser Kirchesein und die Verkündigung der Botschaft Jesu aus dem Weg zu räumen, dann sind wir auf einem guten Weg.

Hindernisse aus dem Weg räumen

Leider ist der geistliche Prozess immer wieder auch Vehikel des Streits: es würde nicht genug gebetet und so weiter. Einig sind wir uns also noch nicht, bei allen guten Anfängen. Deswegen habe ich drei „Orte des Geistlichen“ identifiziert, wo der geistliche Prozess wachsen kann.

Der erste dieser drei Orte ist das Gebet. Ein offensichtlicher Ort, scheint es. Aber so klar ist das nicht, mindestens bei uns ist es üblich, das Gebet außerhalb von Familie an die Zuständigen zu delegieren. Wenn ein Priester da ist, dann soll der das Bitteschön machen.

Aber wir sind auch beim Synodalen Weg unbeholfen, scheint mir, „das wirklich Wichtige“ sind die Debatte und die Textarbeit, die Auseinandersetzung. Da kann man Ergebnisse sehen, da wird Energie investiert.

Unbeholfen im Gebet

Bitte nicht falsch verstehen: klug mit den Problemen umgehen ist wichtig. Statistiken, Analysen, Prognosen und all das haben selbstverständlich ihre Bedeutung. Auch so kann man die berühmten Zeichen der Zeit erkennen. Stehen bleiben dürfen wir dabei allerdings nicht, das „Gläubig-Sein“ erschöpft sich hier nicht.

Gebet stellt Fragen, die über all das hinaus gehen (können), es richtet den Blick über den Horizont des Status quo hinaus. Wenn wir wirklich nach dem Willen Gottes suchen, dann können wir den nur wahrnehmen, wenn wir nicht betäubt sind vom Erreichten, vom Erfolg, vom Status. Das ist das genuine Metier von Gebet und geistlichem Tun.

Gebet über den Status quo hinaus

Und noch etwas, was mir wichtig ist: Gebet bedeutet „Unterscheidung“, also das Prüfen der Situation darauf hin, wohin Gott uns führen will. Das baucht Offenheit, das braucht Übung. Das bedeutet aber kein Votum gegen die „Entscheidung“. Geistlich und Gebet bedeutet nicht, alles ins Fromme zu verlegen und die Entscheidungen werden dann woanders getroffen.

Aus der geistlichen Tradition, aus der ich selber komme, möchte ich sagen: Wenn Gott ins Spiel kommt, wird es erst richtig spannend. Gebet hat Folgen, gerade im Alltag. Es ist keine bloße fromme Umrahmung, es führt zum Kern dessen, was wir da tun. Deswegen stimme ich dem Papst zu: die Kraft für wahre Reform kommt aus dem Gebet.

Wahre Reform kommt aus dem Gebet

Der zweite der drei Orte ist die Debatte. Von Beginn des Synodalen Wegs an klang uns das hier etwas unschön angekommene Wort des Papstes von der „Parlamentarisierung“ in den Ohren. Er hatte es bei einer Bischofssynode und dann immer wieder gesprochen und vor Taktieren, Abstimungs-Deals und so weiter gewarnt. Das möge Teil moderner Demokratie sein, solle aber nicht in der Kirche ankommen.

Der Papst warnt auch davor, nur auf die eigenen Kräfte zu bauen. Gerade auch uns Deutsche, in seinem Brief zum Synodalen Weg wird das sehr deutlich.

All diese Warnungen teile ich, aber ich meine auch, dass das keine Ablehnung einer demokratisch organisierten Debatte ist. Denn auch solch eine Debatte kann geistlich sein. Leider wird das oft gegeneinander ausgespielt, beim Synodalen Weg solle über „die Wahrheit“ abgestimmt werden.

Demokratische Debatte ist geistlicher Ort

Dem möchte ich entgegen halten, dass jeder Entscheidungsmodus gleichermaßen geistlich oder ungeistlich sein kann. Auch wenn nur ein geweihter Mensch alleine in Amtsvollmacht entscheidet, sozusagen das monarchische Prinzip, dann kann das sehr ungeistlich sein. Und leider haben wir hier in den vergangenen Jahren viel von derlei Entscheidungen gesehen.

Umgekehrt kann es bei einer Geschäftsordnungsdebatte geistlich zugehen, wenn es um Gleichberechtigung und Transparenz der Regeln geht. Das widerspricht sich nicht.

Es gibt kein theologisches Argument, dass den Heiligen Geist für eine bestimmte Form der Entscheidungsfindung reserviert. Natürlich mit klaren Kategorien: nicht taktieren, ehrlich und transparent sein, auf Argumente hören und innerlich offen an die Sache heran gehen. Aber wenn wir genau hinschauen, dann gelten diese Kategorien auch für alle anderen Entscheidungformen, auch für die monarchische.

Anfang einer evangeliumsgemäßeren Struktur

Deswegen gilt, dass grundsätzlich Debatte und demokratische Methoden auch ein Ort des Geistlichen sein können. Oder wie es meine Mit-Begleiterin ausgedrückt hat: „Der Synodale Weg ist in dieser Hinsicht der notwendige und dringende Anfang für eine neue und auch mehr evangeliumsgemäße Kommunikation, Entscheidungsfindung und Struktur in der Kirche in Deutschland.“

Der dritte Ort des Geistlichen ist der Streit. Von Beginn an prägt der ja den Synodalen Weg, drinnen und vor allem auch draußen. Sachauen Sie nur ins Internet oder lesen Sie Beiträge von außerhalb Deutschlands, von Menschen die oft wenig Ahnung haben, was wir eigentlich tun: da wird Streit angezettelt.

Streit wird angezettelt

Selbst gutwillige Kommentatoren verstehen oft nicht, was der Synodale Weg soll, die wollen eher eine Abstimmung über Frauenpriesterweihe und solange wir das nicht liefern, nehmen die uns nicht ernst. Und so leben die Konflikte.

Das Gleiche gilt aber auch im Saal, sozusagen. Die Aufmerksamkeit wird von Maximalforderungen geprägt: wer über den synodalen Weg spricht ist sich der medialen Aufmerksamkeit sicher, wenn er oder sie Forderungen stellt: dies oder jenes dürfe auf keinen Fall passieren, dieses oder jenes müsse auf jeden Fall passieren, solche Formulierungen prägen die Debatte.

Man warnt vor Spaltungen, nennt dann aber Kriterien, die selber zur Spaltung führen. So ist man fein raus und kann danach mit dem Finger zeigen.

Mit dem Finger zeigen

Sie sehen, Streit ist nicht schön, gar nicht. Und trotzdem glaube ich, dass auch der Streit ein Ort des Geistlichen ist.

Wie es Maria Boxberg formuliert hat, die ich weiter oben schon mal zitiert habe: Diskussion und Konflikt gab es schon vorher, nun aber versammelt sich der in einem Raum, zu konkreten Themen. Der Synodale Weg führt Menschen zusammen, die viel Leidenschaft in diese Kirche stecken und sie lieben. Das streite ich niemandem ab, der mitmacht!

Es besteht mindestens die Chance, dass nicht übereinander, sondern miteinander gesprochen wird. Und dass all die Konflikte, Vorbehalte, Verletzungen etc. ausgesprochen werden können. Wir können nicht so tun, als gäbe es diese Konflikte nicht, nur weil sie bisher oft nicht oder nur verdeckt und in kleinerem Rahmen ins Gespräch gekommen sind.

Eine geistliche Chance

Deswegen ist auch der Streit ein Ort des Geistlichen: weil die Chance besteht, dass er ausgetragen wird und nicht ausschließlich destruktiv wirkt.

Drei Orte des Geistlichen für den Synodalen Weg, die nicht gleich ein Gehen in die Kapelle voraus setzen. Die aber im Alltag und in der Arbeit des Synodalen Wegs wirken können.

 

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Die Tücken des Geistlichen: Zum Synodalen Weg

Veröffentlicht am 16. Januar 202110. Januar 2021
der geistliche Charakter der Kirche Quo Vadis, Kirche?

Die Aufmerksamkeit wird von Maximalforderungen geprägt: wer über den Synodalen Weg spricht ist sich der medialen Aufmerksamkeit sicher, wenn er oder sie Forderungen stellt: dies oder jenes dürfe auf keinen Fall passieren, dieses oder jenes müsse auf jeden Fall passieren, solche Formulierungen prägen die Debatte.  Aber sie zerstören auch das, was der Synodale Weg eigentlich sein soll: ein geistlicher Prozess. Schnell hatten sich DBK und ZdK auf diese Dimension geeinigt, als es los ging, das Ganze sollte nicht nur „wir reden miteinander“ sein, der geistliche Charakter der Kirche solle den Weg prägen.

Wer die Debatten in Frankfurt zu Beginn des vergangenen Jahres im Stream verfolgt hat, hat mitbekommen, wie schwierig das ist. Geschäftsordnung und Satzung sind nicht wirklich Themen des Gebetslebens und die Debatte von Texten hat eine eigene Dynamik, die sich als sperrig herausstellt, wenn man geistliche Dimensionen einführen will.

Der geistliche Charakter der Kirche

Aber was will das überhaupt sein, so ein „geistlicher Prozess“? 

Er ist geistlich, wenn er sich um ‚Unterscheidung‘ bemüht, würde ich nach einem Jahr Synodaler Weg sagen. Ein Begriff aus der ignatianischen Tradition, der mit Papst Franziskus in den allgemeinen kirchlichen Sprachgebrauch gefunden hat. Aber es ist ein sperriger Begriff, besonders in der deutschen Sprache, in der das Wort eine Alltagsbedeutung hat, die nicht sofort beim Verstehen des Geistlichem hilft. Versuchen wir also eine Annäherung:

Die Kirche in Deutschland hat sich Themen gesetzt, von Autorität und deren Kontrolle über die Rolle der Frauen bis zu Moraltheologie und priesterlicher Lebensform. Das große Problem dabei ist, dass nicht wirklich klar ist, wohin das führen wird. Zu Entscheidungen? Zu Forderungen an Rom und die Weltkirche? Wird es sich verlaufen, wie frühere Prozesse auch schon? Wird es nichts bringen?

Der Begriff der ‚Unterscheidung‘ kann uns aus diesem Dilemma befreien, auch wenn er keine schnellen Lösungen anbietet. Lange vor seiner Papstwahl hatte Pater Jorge Mario Bergoglio eine wunderbare Formulierung dafür gefunden: „Ideen werden diskutiert, Situationen werden unterschieden.“ Unterscheidungen schauen auf Situationen, sie sind keine Werkzeuge, Fragen zu beantworten. Es gilt, sauber ‚Unterscheidung‘ von ‚Entscheidung‘ zu trennen.

Ideen und Situationen

Es ist also gar nicht so einfach, ‚Unterscheidung‘ für den synodalen Prozess anwendbar zu machen. Aber nur so, davon bin ich überzeugt, wird es gelingen, die Unterschiede in Balance zu halten und kreativ und gemeinsam voran zu gehen. Es werden eben nicht die Abstimmungen der Maximalforderungen sein, die einen Erfolg ausmachen.

Nicht selten begegnet dem Begriff „geistlicher Prozess“ ein gewisses Misstrauen. Hier solle etwas auf die fromme Ebene gehoben werde und den Problemen die Spitze genommen werden, könnte man vermuten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Unterscheidung ist keine Verharmlosung von Themen. Wenn es geistlich wird, dann wird es erst wirklich ernst, weil Gott ins Spiel kommt.

Eine zweite Überlegung: Die Frage bei jedem Unterscheidungsprozess – ob individuell oder in Gemeinschaft – ist und bleibt die nach den Eingrenzungen durch Vorgaben und Regeln. Dazu gilt es, das Verhältnis von Unterscheidung und Rahmen zu verstehen. Und das ist eindeutig.

Und was ist mit Vorgaben und Regeln

Bei der Unterscheidung geht es um das, was Karl Rahner einmal die „Konkretheit und Unableitbarkeit des menschlichen freien Handelns“ genannt hat. Soll heißen: man kann die Entscheidungen des Handelns nicht vom allgemein Gültigen her klären, sonst wäre das „Konkrete zu einem bloßen Fall des Allgemeinen“ degradiert.

Die sich auf Ignatius von Loyola berufende Tradition will nichts weniger, als den Betenden in Kontakt zu bringen mit dem Willen Gottes. Nicht mit allgemeinen Prinzipien. Es geht nicht um eine Übung der Anwendung allgemeiner menschlicher, christlicher und kirchlicher Normen auf einen Einzelfall, es geht nicht um die Einzelrealisation des Allgemeinen. Wenn Gott ins Spiel kommt, dann immer über alle allgemeinen Normen hinaus.

Eine Wahl – das Ergebnis der Unterscheidung – erfolgt in der Einmaligkeit der Begegnung zwischen Gott und Mensch.

Begegnung mit Gott

Rahner besteht darauf, dass die Kirche als Handelnde in dem Gebetsprozess des Individuums nicht vorkommt. Sie ist Rahmen, sie ist Ort, sie ist Vorgabe und Vermittlung, handelt selber aber nicht zwischen Gott und Mensch, wenn es um Unterscheidung geht. Das macht den Einzelnen nicht zum Herrn über die Kirche, Rahmen und Ort bleiben Rahmen und Ort, es gibt kein „für mich ist das aber so oder so“. Aber es gilt auch die Unmittelbarkeit im Gebet. „Der Wille Gottes ist nicht einfach und restlos vermittelt durch die objektiven Strukturen von Welt, allgemeiner Gültigkeit des Christlichen und der Kirche“, um noch einmal Rahner zu zitieren.

Zu dieser Leitplanke gehört aber auch notwendigerweise ihr Gegenstück: Regeln und Normen geben den Rahmen vor, lehrt uns Ignatius. Sie sagen uns, wo überhaupt eine Unterscheidung stattfinden kann und wo nicht. Regeln werden nicht ungültig, wenn ich auf den Geist Gottes höre. Aber es kann zu Reibungen kommen. Ein Missverständnis besteht zum Beispiel darin, dass Unterscheidung der Weg zum Individualismus oder gar Voluntarismus sei. Was mir richtig erscheint, das gilt. Das ist nicht gemeint. Die Gemeinschaft, die Traditonsgemeinschaft der Kirche, die heilige Schrift, die Worte des Herrn, all das wird natürlich nicht meinen – fehlbaren – Unterscheidungsprozessen unterworfen.

Wo kann überhaupt eine Unterscheidung stattfinden?

Ein Beispiel: In den geistlichen Übungen des Ignatius geht es darum, die eigene Berufung zu finden und zu unterscheiden. Aber Ignatius ist sehr streng wenn es darum geht, wo alles eben keine Unterscheidung möglich ist. Nämlich immer dann, wenn bereits eine Entscheidung getroffen ist.

Ich bin bereits Priester? Ordensfrau? Oder habe eine andere Berufung angenommen? Dann ist die Unterscheidung eben nicht die Methode, das jetzt ungültig zu machen. Wenn Ordensleute nach zehn oder fünfzehn Jahren in ihrer Ausbildung noch einmal den Monat der Exerzitien durchlaufen, ist die Suche deswegen nicht die, ob ich eine Berufung habe. Es kann nur um die Suche nach Bestätigung durch den Geist gehen und um die Frage, was daraus jetzt für das Leben folgt. Unterschieden wird, wie sich die eigene Berufung weiter ausgestalten kann, vertiefen kann.

Die Unableitbarkeit des Prozesses aus den Normen auf der einen und die Rahmengebung durch die Regeln auf der anderen Seite scheinen einen Widerspruch zu bilden. In jedem Fall stehen sie in Spannung zueinander. Hier gilt es gilt nun, eine Balance zu finden. In jedem Fall ist deutlich, das ich Unterscheidung weder als Umsetzungsvehikel für eigene Einsichten noch für Begrenzungen der Offenheit des Prozesses benutzen darf.

Konsequenzen!

Das Ganze bleibt aber fruchtlos, wenn es keine Konsequenzen hat. Und das ist ja auch ein wenig die Problemperspektive des synodalen Wegs: was folgt nun daraus? Unterscheidung ist eine „innere Haltung, die in einem Glaubensakt verwurzelt ist”, so nennt das der Papst. Bleiben wir bei Franziskus, auch wenn es viele andere Referenzen dafür gibt.

Unterscheidungen in einem geistlichen Prozess erschöpfen sich nicht darin, intellektuelle Übung zu sein. Sie sind kein Abwägen, sondern immer ein Hören auf den Geist Gottes. Und das ist immer die Frage, wohin der Geist uns führen will. Wir können fast gar nichts über Gottes Geist sprechen, ohne Vokabeln der Bewegung oder Aktivität zu benutzen.

Keine Produktion von Eindeutigkeit

Weil es um die Umsetzung und Praxis der Unterscheidung geht, muss an dieser Stelle noch einmal betont werden, was Unterscheidung nicht ist. 

Erstens geht es nicht darum, Zeichen zu suchen, die Gott sendet. Das ist ein Missverständnis, das einem häufiger begegnet. Ein Zeichen würde ja die ‚Unterscheidung‘ aufheben, weil sich daraus eine Eindeutigkeit ergäbe. Bekomme ich ein Zeichen, ist ja alles eindeutig. Es geht bei Unterscheidung um Sorgfalt, um Gebet und immer wieder Gebet, es geht um Nuancen und innere Freiheit, es geht um das Handeln Gottes in mir, es geht um Erfahrung und Wahrnehmung. Das ist das Gegenteil von Eindeutigkeit.

Das kann Angst auslösen, weil es keine automatisch sich ergebenden Lösungen für Probleme gibt. Und das ist das Zweite, das Unterscheidung in einem geistlichen Prozess nicht ist: Methode. Ich kann nicht einfach eine Situation in einen Entscheidungsgenerator hinein geben und heraus kommt ein durch Ethik, Moral, Gesetz und Tradition gedecktes Ergebnis. Ohne eigenes Zutun. Genau das ist Unterscheidung nicht.

Geduld, Geduld

Letzte Zutat: Geduld. Unterscheidung ist kein „jetzt, sofort“ Generator. Die Zeitmaßstäbe Gottes entsprechen niemals den unseren. Wir müssen uns zurück lehnen können, beten und warten können, großherzig sein, das Unkraut auch mal wachsen lassen. Der Unterscheidungsprozess des Synodalen Wegs hat vielleicht hier seine größte Schwäche: die Ungeduld vieler Katholikinnen und Katholiken mit der Kirche scheint zu drängen, die Enttäuschungen und der Vertrauensverlust von Kirche ebenso. Aber Gott lässt sich nicht drängen.

Unterscheidung in Gemeinschaft, wie sie der synodale Weg vorhat, hat viele Klippen zu umschiffen. Eines ist klar: ein gemeinsames geistliches Vorgehen garantiert keinen Erfolg und produziert nicht quasi automatisch Ergebnisse. Stattdessen fügt sie dem auch so schon anspruchsvollen Programm noch weitere Problemdimensionen hinzu.

Aber es gibt keine Alternative, wenn der synodale Weg tatsächlich ein geistlicher Prozess sein soll. Machen wir uns – jeder einzeln und in Gemeinschaft – dieses Vorgehen zu eigen, dann hat der Geist Gottes eine Chance, uns zu verwandeln. Und damit wären wir dann beim Grundanliegen, das Papst Franziskus dem synodalen Weg mitgegeben hat: der Umkehr und der Verwandlung in eine Kirche, die den Glauben lebt, bezeugt und verkündet, statt um sich selbst zu kreisen.

.

Dieser Beitrag ist die stark gekürzte Version eines Artikels, die Vollversion finden Sie in der Zeitschrift „Ordens Korrespondenz“, Heft 4/2020.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter geistlich, Kirche, synodaler Weg9 Kommentare zu Die Tücken des Geistlichen: Zum Synodalen Weg

Unterwegs-Sein, geistlich

Veröffentlicht am 31. Januar 2020
geistliche Reflexion der Arbeit der Synodalversammlung Auftakt-Messe der Vollversammlung in Frankfurt

„Für den Synodalen Weg gibt es eine Geistliche Begleiterin und einen Geistlichen Begleiter. Sie geben spirituelle Impulse und sorgen für eine geistliche Reflexion der Arbeit der Synodalversammlung.“ So nüchtern sagt es die Satzung für den synodalen Weg. Einer dieser beiden bin ich.

Und so sitze ich seit Donnerstag erst im Bartholomäusdom in Frankfurt und seit Freitag in der Aula des ehemaligen Dominikanerklosters, gemeinsam mit Maria Boxberg. Wir sollen diesen synodalen Weg geistlich begleiten.

Geistliche Reflexion der Arbeit der Synodalversammlung

Papst Franziskus spricht von einem gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes. Es geht um das Hinhören, um das Erkennen neuer Horizonte, um die Einwirkung des Heiligen Geistes. Dem auf die Spur zu kommen ist Teil des synodalen Weges.

Das ist die Aufgabe aller Mitglieder. Wir beiden sind hier dabei, um Hilfestellungen zu leisten, wie ein Sportlehrer am Barren. Wir beiden wollen Räume schaffen – zeitliche, innerliche – damit diese Dimension unseres Glaubens hier vorkommen kann. Unsere Hilfestellung will eine Weitung der Debatten.

Eine Weitung der Debatten

Wie genau das passieren wird, werden wir noch heraus finden. Wir überhaupt der gesamte synodale Weg muss sich auch geistliche Begleitung beim Tun erfinden. Es gibt Vorbilder, etwa bei kanonischen Synoden in Bistümern oder bei den Versammlungen der Bischofssynode in Rom, aber was wir hier machen muss sich noch finden.

Es gibt kein festes Muster, nach dem wir agieren. Das wir sozusagen auf die Versammlung drauf legen. Oder anders formuliert, wir reagieren auf das, was in den Debatten und unter den Mitgliedern passiert.

Schwerpunkte unseres Tuns

Aber es gibt natürlich Schwerpunkte. Das Hinhören und das Lernen etwa. Im Anderen, in den Anderen, und auch in mir auf die Stimme Gottes zu hören. Dazu braucht es neben Zeiten des Redens auch Zeiten der Stille, neben der Debatte auch das Gebet.

Wir beide sind nicht hier, weil wir dazu zuständig wären. Wir sind nicht die Delegierten fürs Fromme. Für die geistliche Dimension zuständig sind die Beteiligten, das möchte ich noch mal betonen.

Hören, Unterscheiden, Antworten

Es ist unser Anliegen, dass die Tage der Vollversammlung geistliche Elemente bekommen. Uns geht es dabei ums Hören, Unterscheiden, Antworten. Es geht um Kommunikationsfähigkeit – mit sich selbst, dem Anderen, mit Gott – um Konfliktfähigkeit, um Gemeinschaft in Verschiedenheit, um Anliegen und Überzeugungen. Um gemeinsames Beten. Um reifen Umgang miteinander. Um innere Freiheit. Um Mut und Zutrauen.

Und wie genau das passiert, das zeigt sich jetzt in diesen Tagen.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Frankfurt, Gebet, geistlich, Kirche, Spiritualität, synodaler Weg2 Kommentare zu Unterwegs-Sein, geistlich

Einmal hin und zurück, bitte

Veröffentlicht am 21. Juli 2014

Am 25. Juli feiert die Kirche den heiligen Jakob, den Apostel Jakobus den Ältern. Auf spanisch: Santiago. Sie ahnen, worum es in diesem Beitrag geht. Genau, um das Pilgern.

Bild: Ansgar Koreng
Bild: Ansgar Koreng

In diesen Tagen kommen anlässlich des Festes einige Meldungen über die Agenturen, so zum Beispiel die Schätzung, dass es etwa zehn Österreicher jährlich sind, die den gesamten Weg gehen, also 3.000 Kilometer in etwa 100 Tagestouren.

Insgesamt werden im Jahr etwa 210.000 Pilger in Santiago gezählt, gemessen an den ausgegebenen Pilgerurkunden, für die die gelaufenen letzten 100 Kilometer ausgegeben werden.

Warum pilgert man? Weil es ein körperliches Beten ist. So allgemein möchte ich das mal als These anbieten. Man läuft, der Körper – normalerweise unterbeansprucht – übernimmt die Hauptlast, es ist belastend, es ist anstrengend aber auch zutiefst befriedigend, man muss Schweinehunde überwinden und Berge und Wetter und dergleichen und kommt voran.

 

Niederschwellig und schweißtreibend

 

Das ist geistliches Leben ganz praktisch.

Kein Wunder also, dass das Pilgern zunimmt und in Mode gekommen ist, nicht nur unter Christen. Irgendwie kann man da etwas Geistliches mitmachen, ohne gleich voll und ganz einzusteigen, es ist niederschwellig und auch deswegen beliebt.

Die Agentur Kathpress schlüsselt auf: 51 Prozent der Pilger führten religiöse Motive an, 43 Prozent „ausschließlich religiöse“. Sechs Prozent sagten hingegen, Religion spiele für ihren Weg keine Rolle. Männer sind bei den Wallfahrern leicht in der Überzahl (55 Prozent), ein gleich großer Anteil gehört der Altersgruppe zwischen 30 und 60 Jahren an. Weiterlesen „Einmal hin und zurück, bitte“

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Beten, Compostella, geistlich, Pilgern, Santiago, Spiritualität2 Kommentare zu Einmal hin und zurück, bitte

Franziskus und Dorotheus

Veröffentlicht am 28. Oktober 2013

SelbstanklageEs ist gar nicht so einfach, auf dem Stand der Dinge zu bleiben, was die Literatur zu Papst Franziskus angeht. Jeder will verstehen und wissen und der Buchmarkt hat fast im Wochentakt ein neues Buch zu verzeichnen, von ihm, über ihn, eine Biografie, ein Buch zu seinen Ideen, zu seinem Führungsstil etc.

Wenn der Staub sich etwas gesetzt hat, dann wird man sehen, welches Buch die Lektüre wert war. Im Augenblick versuche ich nur, den Überblick zu behalten.

Favoriten habe ich aber schon. Im Augenblick ist das ein Buch von Jorge Bergoglio selbst, nicht über ihn. Mit knapp 80 Seiten ist es angenehm dünn.

Es geht um die Selbstanklage, so auch der Titel. Bergoglio hatte einen Text über einen Kirchenvater geschrieben, über Dorotheus von Gaza. Zuerst war der für die Ordensausbildung gedacht, dann hatte er ihn 2005 noch einmal für sein Bistum veröffentlicht. In diesem Text nimmt er Ausgang von einem uns mittlerweile von Papst Franziskus vertrauten Thema: Dem bösen Reden über andere. Wir nähmen Zuflucht bei den Fehlern der anderen und würden sie heraus posaunen, weil wir uns dann besser fühlten. Das zerstöre dann die Einheit unter den Menschen, die Beziehungen und Bindungen. Ein Thema, das er als Papst schon mehrfach sehr deutlich angesprochen hat.

Mit dem Thema ist etwas angesprochen, was einen festen Stellenwert in der Spiritualität des Ignatius von Loyola hat. Wir benennen es mit dem Wort ,Examen‘, auch wenn das nichts mit dem zu tun hat, was man an Universitäten und Schulen tut. Examen ist vielmehr der Tagesrückblick, bei dem es um ein ehrliches Schauen auf das eigene Leben und das Erkennen des Handelns Gottes in ihm geht.

Selbstanklage ist nun ein geistliches Handeln, das den Argwohn anderen gegenüber schwächt. Sie hat mit Demut zu tun und damit, nicht immer alles beim anderen zu suchen. Sie ist durchaus so zu verstehen, wie sie genannt ist, „Anklage“, da ist keine weiche Version gewünscht.

Sie hat aber auch nichts mit einem anderen Thema zu tun, das Ignatius von Loyola umgetrieben hat und das Bergoglio in seinem Buch nicht behandelt: Dem Skrupel, sozusagen der anderen Wegmarke, wenn man es mit dem Selbstanklagen übertreibt. Aber das ist noch einmal ein anderes Thema.

Dieser sehr kurze Text zeigt, wie Bergoglio und jetzt Papst Franziskus geistlich vorgeht, um Probleme zu lösen. Ganz in der Tradition des Ignatius geht der dem auf den Grund, was uns antreibt, was uns hindert und was uns in unserem Leben mit Gott und den anderen fördert. Ein lohnender Text, der uns den Papst viel mehr verstehen lässt, als viele dicke Bücher das können.

 

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