Wer ernst genommen werden will, der muss selber ernst nehmen. Alte Regel, weise Regel. Nur haben wir in der Kirche den Wert dieser Regel leider etwas verhüllt. Das Zentrum unseres Glaubens soll ja die Liturgie sein, das Lob und der Dank und die Feier. Allzu oft nehmen wir die aber nicht ernst. Und dann wundern wir uns, dass wir selber nicht mehr ernst genommen werden. Wir müssen wieder lernen, wie man nicht die Messe feiert, scheint mir.
Wie man die Messe nicht feiert
Ich gebe ja gerne zu, dass die Lücke zwischen Lebenswelt und liturgischen Zeichen und liturgischer Sprache oft klafft. Priester oder die Liturgie gestaltende Laien entfalten oft pädagogischen Eifer, um diese Lücke zu schließen. Aber damit muss man vorsichtig sein, denn das Ernstnehmen darf dabei nicht verschütt gehen.
Fallbeispiel gefällig? Nehmen wir das Äquivalent zur Text-Bild-Schere: Eine Messe in einer Kirche in Berlin, es ist heiß, die Türen sind offen. Der Priester lädt die Leute ein, sich zu setzen, betet dann aber: „Herr, wir stehen vor dir …“.
„Herr, wir stehen vor dir …“
Als Text-Bild-Schere bezeichnet man das Phänomen, dass ein Foto in einer Zeitung oder auf einer Webseite etwas von der Aussage des Textes völlig verschiedenes illustriert. Der Leser ist verwirrt. Genauso wie der Messbesucher. Ich saß in dieser Messe ziemlich weit vorne und hörte es kichern: offenbar wusste der Priester nicht, was er da sagte oder las nur Gebetsworte vor, die aber mit der Realität um ihn herum nichts zu tun hatten.
Worte und Realität müssen aber überein stimmen, das gilt auch und vielleicht gerade für Gebete. Ähnliches gilt auch für „wir haben uns um deinen Altar versammelt …“. Nein, haben wir nicht. Der Priester steht hinter dem Altar und die Gemeinde in Klassenzimmer-Atmosphäre davor, in Reih und Glied gesessen. Da ist nichts mit „um den Altar“.
Freestyle-Hochgebet
Ein anderes Beispiel: Freestyle-Hochgebet. Einschübe in diesen Teil der Messe sind fast schon normal geworden, man ändert hier was, oder da was. Nur leider knirscht es da immer mal wieder. Als Messbesucher möchte ich Messe feiern, nicht die Privatdevotion des Priesters. Und als Priester muss ich das ernst nehmen.
Unter Ordensleuten sehr beliebt zum Beispiel ist es, nach dem Gebet für den Papst, die Bischöfe und Priester die Ordensleute einzuschieben. Die da nichts zu suchen haben. Hier geht es nicht um Wichtigkeit oder Respekt, hier geht es theologisch um Ämter. Und Ordenschrist zu sein ist kein Amt. Ordensleute hier einzuschieben ist ein krasses Beispiel von Klerikalismus, der zwar unschuldig daher kommt, aber um so spaltender wirkt. Und Leute in die Hierarchie hinein nimmt, die da vielleicht gar nicht hinein wollen.
Gitarren haben am Altar nichts zu suchen
Die Spannung besteht wie oben angemerkt zwischen Vermittlung und Näherbringen auf der einen und Ernstnehmen auf der anderen Seite. Wenn ich möchte, dass das, was ich als Priester tue, ernst genommen wird, dann muss ich der erste sein, der genau das tut.
Gitarren haben am Altar nichts zu suchen. Versammlungen von Brillenetuis, Taschentuch-Packungen und Blumengestecken auch nicht.
Dadurch schaffe ich nur eins: eine Schere. Die Dinge passen nicht mehr zusammen. Und ich erwarte – Stichwort „um den Altar versammelt“ – dass die Leute etwas anderes glauben als das, was sie sehen und wahrnehmen.
„Heruntergefeierten Liturgie“
Viele Klagen gehen derzeit in Richtung der „heruntergefeierten Liturgie“. Zu Recht. Das zu vermeiden bedeutet aber, Liturgie ernst zu nehmen und zu füllen. Und die mitfeiernden Gläubigen ernst zu nehmen.
In meinen frühen Ordensjahren hatte ich mal einen Oberen, der uns jung-Ordensleuten auf dem Weg zum Priestertum beibrachte: „wer nicht gemeinsam Essen kann, der kann auch nicht Eucharistie feiern“. Da ist was dran. Gemeinschaft, Stil, Rituale, Wertschätzung, sich Zeit lassen: wenn ich das beim gemeinsamen Essen nicht kann, dann fehlt das auch in der Messe.
Und wer sich keine Mühe gibt, darf sich nicht wundern, wenn Gäste nicht mehr kommen.
Zugegeben, wie man die Messe nicht feiert ist einfach zu sagen. Schwierig wird es, das Ganze positiv zu formulieren. Meckern kann jeder. Deswegen mein Hinweis auf das gemeinsame Essen. Nicht nur, weil Eucharistie ja von einem gemeinsamen Mahl ausgeht, damals in Jerusalem. Sondern auch, weil es eine Form von sinnstiftender Gemeinschaft ist, wie eine Liturgie sie auch sein soll. Und will.
Ernst nehmen, sich selber, die Liturgie, die Mitfeiernden, das alles ist da ein guter Anfang.