Meine Redaktion ist gewohnt, dass ich mich schon mal aufregen kann, wenn wieder jemand in einem Bericht jemanden etwas „scharf kritisieren“ lässt. Das heißt nichts mehr. Warum kann man nicht mehr „kritisieren“, warum muss alles „scharf kritisiert“ werden? „Scharf kritisieren“ hat etwas von verlautbaren, von einer automatischen Zuordnung die schon irgendwie verrät, dass man sich mit dem Objekt, über das man berichtet, nicht wirklich befasst hat.
Genau, es geht um die Papstpredigt während der Chrisam-Messe. Dass nicht jeder meine positive Lesart teilt, finde ich erfrischend, nichts ist schöner als eine lebhafte Diskussion. Aber leider, leider gibt es auch wieder Berichterstattung aus der Fertigsuppen-Tüte.
Benedikt XVI. hat nicht „mit ungewöhnlich scharfen Worten“ kritisiert (Aargauer Zeitung). Im Gegenteil. Predigt lesen, hinhören, dann kann man nicht mehr gerechtfertigt von „ungewöhnlich scharfen“ Worten sprechen. Ungewöhnlich vielleicht, aber eben weil sie gar nicht scharf waren.
Die Aargauer Zeitung diene nicht als Beispiel? Nun gut: New York Times gefällig? Die macht mit dem Uralthausschuh von „God’s Rottweiler“ auf, womit natürlich Joseph Ratzinger gemeint war. Die vom Papst erwähnte „Radikalität des Gehorsams“ sei eine Formulierung, die das Wesen oder die Essenz der Theologie des Papstes perfekt zusammenfassen würde. Liebe NYT: Das tut dieser Satz nicht, Joseph Ratzinger hat mehr zu sagen. Es wird auch nicht besser, wenn man dann noch behauptet, der Papst wolle eine kleinere Kirche, erweitert um etwas Missbrauchsskandal.
Das ist wirklich Journalismus à la Fertigsuppe. Vorurteil aufreißen, heiße Aktualität drauf, Garniert mit immer denselben Beigaben, schmeckt garantiert immer gleich. Und bitte nicht falsch verstehen: Das ist keine Kampagne, das ist einfach nur schlecht.
Man kann gut über diese Predigt berichten, man kann das auch kritisch und mit Betonung der Absage an die Pfarrerinitiative tun, und viele Berichte haben das auch gezeigt. Man kann – wie die Pfarrerinitiative selbst und deren Gegenpart, der Wiener Kardinal Christoph Schönborn – darin auch eine Ermutigung sehen.
Aber all das geht nur, wenn man selber liest, selber denkt, und von den lieben kleinen immer gleich schmeckenden Vorurteilen Abstand nimmt.