Wie weit sind wir in Sachen Kinderschutz und Aufklärung von Missbrauch? Wo stehen wir? Immer und immer wieder kommen neue Geschichten, Täternamen werden öffentlich, oder auch Anklagen. Oder jetzt zuletzt die Entscheidung im Fall McCarrick. Zu viele Namen, zu viele Geschichten, und immer wenn es scheint, dass es voran geht, kommt was Neues. Oder: etwas Altes kommt ans Tageslicht.
Das Bild, das entsteht, ist das von Rückschritt, von Verkommenheit, von Kriminalität. Da haben es alle schwer, die dagegen an arbeiten, die sich um Aufklärung, um Richtlinien, um Gerechtigkeit mühen. Aber diese Bemühungen gibt es, seit zwei Jahrzehnten gehen den Studien und auch den Staatsanwaltschaften etwa in den USA nach die Zahlen von Missbrauch zurück. Eine gute Motivation, weiter zu machen und sich von allen üblen Geschichten nicht ins Bockshorn jagen zu lassen.
Nicht ins Bockshorn jagen lassen
Und wo soll es hingehen mit dieser Motivation? Was soll Kirche erreichen, etwa mit der Konferenz, die in der jetzt beginnenden Woche hier im Vatikan stattfindet? Einen gemeinsamen Bewusstseinsstand herstellen, so erhofft sich Kardinal Christof Schönborn in einer Gesprächs-Sendung von Anfang Februar.
Papst Franziskus selber hat beim Rückflug aus Panama noch einmal vor einer überzogenen Erwartungshaltung in Bezug auf die Kinderschutz-Konferenz gewarnt. Und irgendwie ist das ja auch richtig, eine Konferenz kann nicht die Welt auf einmal besser machen. Außerdem geht es immer um lokale Wirklichkeiten, die Rechtssysteme und politischen und gesellschaftlichen Situationen sind zu verschieden, als dass es die eine Lösung geben könnte.
Aufklärung von Missbrauch
Trotzdem kommt die Erwartungshaltung ja nicht aus dem Nichts. Seit 2010 debattiert Deutschland, Österreich streng genommen bereits seit dem „Fall Groer“ in den 90ern, die angelsächsische Welt hat noch früher angefangen. Das ist eine lange Zeit. Jetzt für Geduld zu werben braucht schon eine gute Rechtfertigung.
Diese Konferenz ist aber nicht das erste Mal, dass man sich in Rom zu diesem Thema berät, 2012 etwa hat es zur Gründung des Kinderschutzzentrums schon einmal eine Fachkonferenz gegeben, nur um eine von vielen Konferenzen zum Thema zu nennen. Das war eine, die prominent in Rom stattfand.
Auf dem Weg zur Heilung und Erneuerung
Unter dem Titel „Auf dem Weg zur Heilung und Erneuerung“ ist auch der Tagungsband dazu erschienen. Einer der Veranstalter damals ist auch jetzt in der Vorbereitung für die Kinderschutz-Konferenz dabei, Pater Hans Zollner.
Es sei das erste Mal gewesen, dass Missbrauch und dann auch Prävention und Aufklärung von Missbrauch auf weltkirchlicher Ebene angesprochen wurden, sagte er mir, als ich ihn vor einigen Tagen auf die Konferenz von 2012 angesprochen habe. Das habe „in einigen Ländern zur ersten Auseinandersetzung mit dem Thema geführt und hat vermutlich den Weg zur Schaffung der Päpstlichen Kinderschutzkommission bereitet.“ Es war also nicht einfach eine Lösung, sondern ein Schritt auf dem Weg.
Wobei man hier schon vorsichtig sein muss. Was P. Zollner – so verstehe ich ihn – und was auch ich nicht meine ist ein Vertrösten. Bitte noch warten, wir brauchen noch Jahre, bis wir endlich einer Meinung sind. Das ist genau nicht gemeint.
Kein Vertrösten
Eine Einsicht schon damals war es, dass sexuelle Gewalt und Kinderschutz globale Themen sind, welche die Kirche ins Mark treffen. So sagte es mir damals einer der Teilnehmenden im Interview direkt nach der Konferenz:
„Es wurde hier in diesen Tagen von allen, die einen Vortrag gehalten haben, immer wieder ganz klar betont und herausgearbeitet, dass es kein regional begrenztes Thema ist, nicht nur. USA, Westeuropa, Irland. Nein, es ist ein Thema, das uns in Indien, Asien, Afrika, Nordamerika, Westeuropa betrifft, das die ganze Kirche betrifft. Ich hoffe, dass dieser Irrtum ausgeräumt ist, dass das in meinem Land, in meinem Kulturkreis, ja, in meiner Diözese nicht vorkommt“, so Klaus Franzl. So viel zum Thema des Vertröstens, hier spürt man, wie langsam das gegangen ist.
Ich habe P. Zollner neulich auch gefragt, was ihm von der Konferenz 2012 heute noch hängen geblieben ist. „Das Zeugnis von Marie Collins am Anfang, die Bußliturgie in San Ignazio mit einer starken Predigt von Kardinal Ouellet sowie der Abschlussgottesdienst mit Kardinal Filoni, einige Vorträge, vor allem aber der Eindruck, dass wir weltkirchlich noch einen weiten Weg vor uns haben.“
Weltkirchlich noch ein weiter Weg
Bei der Predigt von Kardinal Ouellet geht es mir ähnlich, da kann ich mich noch ziemlich genau an meine Reaktion erinnern. Da fielen Sätze wie „Missbrauch ist ein Verbrechen, das für das unschuldige Opfer eine echte Erfahrung des Todes bedeutet“. Und „Wir müssen den erschütternden Berichten der Missbrauchten glauben.“ Letzteres klingt erst einmal selbstverständlich, ist es aber nicht. Leider.
Jetzt also einen gemeinsamen Bewusstseinsstand erreichen, da schließe ich mich einmal Kardinal Schönborn an. Das wird nicht einfach, in vier Tagen kann man die Welt nicht retten. Aber das ist noch keine Begründung dafür, besser nichts zu tun oder sich frustriert abzuwenden. Die Konferenz 2012 hat auch nicht die Welt gerettet, aber im Rückblick war es ein Schritt. Ein wichtiger Schritt.