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Schlagwort: Zeit

Trau keinem, der zu viel von Vertrauen spricht

Veröffentlicht am 6. Juli 201929. Juni 2019
Vertrauen ja oder nein? Bruce Naumann: Room with my soul left out, Museum Hamburger Bahnhof, Berlin

Auf meinem Schreibtisch steht ein Doppelbildschirm. Wie man das bei Medienmenschen heute so hat, und nicht nur da. Zwei große Flächen, um zu arbeiten und zu lesen. Meistens ergänzen sich die Inhalte der beiden, aber ab und zu widersprechen sie sich auch. Wie neulich, als zwei völlig unterschiedliche Botschaften erschienen: Vertrauen ja oder nein?

Auf der einen Seite der Philosoph Wilhelm Schmid in der ZEIT, der für ein „gesundes Misstrauen“ im Umgang miteinander wirbt. Auf der anderen Seite der Artikel meines US-amerikanischen Mitbruders und Journalisten Thomas Reese, der für Brückenbauen wirbt und sagt, dass ohne Vertrauen menschliches Miteinander unmöglich ist. Misstrauen und Vertrauen, diese beiden …

Vertrauen Ja oder Nein?

Schmid geht es um ein Grunddilemma in der Gesellschaft, das mich hier besonders mit Blick auf die Kirchen interessiert: verlorenes Vertrauen. „Vertrauen geht verloren, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden“, sagt er schlicht und überzeugend.

Und Schmid hat auch den Weg zu neuem Vertrauen, so dieses denn verloren ist: „Was genau ist zu tun, wer definiert die Erwartungen, wer soll sie erfüllen, wer darf das kontrollieren? Einvernehmen darüber zu erzielen macht ein neues Vertrauen wahrscheinlicher.“ Erwartungen – er fügt hinzu ‚berechtigte Erwartungen‘ – sind also der Schlüssel zum Vertrauen.

Erwartungen und Erfüllung

Um nun herauszufinden, ob ich Vertrauen schenken kann, empfiehlt der Philosoph einen „Prozess der Prüfung“. Genau hinschauen. Nicht sofort glauben, sondern Erfahrungen sammeln und sich dann zu Gewissheiten verdichten lassen. Hier kann Misstrauen sinnvoll sein, nicht als Grundhaltung allen und jedem gegenüber, aber es hat seinen Platz. Oder vielleicht sollten wir es besser Skepsis nennen.

Und zwar in Maßen, was Schmid mit einer Warnung verbindet: „Ein größeres Misstrauen ist auch am Platz, wenn ein Mensch ständig vom Vertrauen spricht: Er könnte ein Interesse daran haben, mich einzulullen.“ Ein Gruß an Kirche und Politik!

Wer zu viel von Vertrauen spricht

„Vorsicht geboten ist schließlich gegenüber einer Kultur, die das Misstrauen theoretisch missachtet, praktisch aber befördert, mit immer neuen Versprechungen, die sich als uneinlösbar erweisen: immerwährender Fortschritt, Aufhebung aller Widersprüche, universelles Glück.“ Ein Gruß an unsere Konsumkultur.

Tom Reese dagegen spricht nicht als Philosoph, sondern als Praktiker. Kirche und Politik in den USA sind gespalten, Verschwörungstheorien allenthalben, fehlender Respekt dominiert die Debatten. Und das sei nicht erst seit Trump so, obwohl dessen Umgang mit der Realität einen neuen Tiefpunkt darstelle. Reese definiert den Beginn des Misstrauens in den 60er Jahren, mit Vietnam und den Dauerlügen der Politiker.

Vertrauen und Missbrauch

Der Missbrauch und der Umgang damit habe ähnliches in der Kirche ausgelöst, Vertrauen sei hier sehr schwierig wieder zu gewinnen. Im Gegensatz zu Schmid sagt Reese, dass Misstrauen und Skepsis der Normalzustand seien, die es aber zu überwinden gelte. Naives Vertrauen sei natürlich keine Lösung, aber das Verbleiben in gegnerischen Lagern ohne Dialog sei auch kein Weg.

Natürlich spricht Reese dann über Parteipolitik, und an dieser Stelle können wir sein Argument verlassen, aber die Grundlage gilt auch für uns: er wirbt mit unserem Ordensgründer dafür, in einer Aussage erst einmal das Gute zu suchen. „Die Aussage des Nächsten zu retten“ als bevorzugte Option, nennt es Ignatius. Das ist nicht dasselbe was Schmid vorschlägt.

Werben

Und was nun? Vertrauen Ja oder Nein? Beide Argumentationslinien haben ihren Wert. Wenn ich die Philosophische Haltung meinen Kollegen hier erkläre – und ich habe es versucht – erkennen sie sofort den Deutschen, oder besser das Bild, das wir aus den deutschsprachigen Kirchen in der Welt haben. Skepsis, nicht sofort an Bord gehen, immer gleich etwas zu Kritisieren haben, nichts lassen wie es ist. Das sind angeblich wir.

In Tom Reese hingegen erkennen wir eine Haltung, wie sie immer und immer wieder vom Papst vertreten wird, auch an Orten wo wir selber zögern. Die Tür sei immer offen, sagt Franziskus. Der Vorteil hier ist der Einsatz für den Dialog, immer und überall. In Misstrauen kann man sich halt auch einrichten, oder besser: denen zum Opfer fallen, die von Misstrauen und Spaltung leben. Dem müssen wir entgegen treten, mit Brücken und nicht mit neuen Mauern.

Vertrauen war mal in Mode

Vertrauen galt mal als wichtig, Trump und Konsorten haben uns das ausgetrieben. Aber ohne gibt es keinen Glauben, keine Kirche. Allein Beten geht schon nicht ohne Vertrauen, Gebet ist Vertrauen. Aber wie dahin kommen, wo dieses nicht mehr da ist?

Beide Bildschirme haben Recht. Eine einfache Lösung gibt es nicht. Ich brauche Brücken, ich darf dem trennenden Misstrauen nicht das letzte Wort geben. Gleichzeitig darf ich auch nicht naiv sein, verlorenes Vertrauen sei es in Kirche oder Gesellschaft kann man, ja darf man nicht einfordern, darum muss man werben. Und immer wieder werben. Und Strukturen einziehen, die Vertrauen schenken ermöglichen, etwa Transparenz und so weiter.

Strukturen des Vertrauens

Was zählt heute noch Vertrauen?, müssen wir uns fragen. Und wie kommen wir dahin?

Nur eines scheint mir sicher, auch mit Blick auf die Bemerkung weiter oben über das Beten: Ohne geht es nicht. Ohne wir es wie das Foto über dem Stück, dann leben wir in einem Raum ohne Seele. Klingt Ihnen zu pathetisch? Vielleicht, aber ich glaube das wäre die Welt, in die wir im Augenblick drohen, hinein zu spazieren.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Gesellschaft, Kirche, Missbrauch, Skepsis, Tom Reese, Vertrauen, Zeit13 Kommentare zu Trau keinem, der zu viel von Vertrauen spricht

Umso schlimmer für die Wirklichkeit

Veröffentlicht am 8. Februar 20198. Februar 2019
Durch den Missbrauchsskandal gelernt. Der Vatikan im Winter Vatikan im Winter: Vorbereitet auf die Kinderschutz-Konferenz in zwei Wochen

Es ist meine Lieblingsfrage. In Interviews vor allem nach Papstreisen, Tagungen oder dergleichen frage ich gerne Beteiligte danach, was sie gelernt haben. Das ist meine Art zu fragen, was das Ganze gebracht hat. Weiß jemand persönlich jetzt etwas, was er oder sie vorher nicht wusste? Gibt es eine neue, den Horizont erweiternde Frage. Genau diese Frage bekam in der ZEIT diese Woche auch Bischof Peter Kohlgraf aus Mainz gestellt: Was habe er über sich und die Kirche durch den Missbrauchsskandal gelernt? (Interview aus der Beilage Christ&Welt ist noch nicht online verfügbar).

Bischof Kohlgraf spricht vom Zusammenhang Lehre – Leben, aufgehängt an der Sexualmoral: „Wir müssen uns von der Hybris verabschieden, ganz genau zu wissen, was in jeder Lebenssituation gut für den einzelnen Menschen ist. Wir können nicht mehr das Leben einzig und allein nach der Lehre bewerten. es muss umgekehrt sein: Die Lehre muss sich im Leben bewähren“, so im ZEIT-Interview.

Durch den Missbrauchsskandal gelernt?

Das meint natürlich auch die Art und Weise, wie Papst Franziskus diese Fragen anspricht, ausdrücklich nennt der Bischof Amoris Laetitia, das Schreiben nach der Bischofssynode zum Thema Familie.

Um Amoris Laetitia drehen sich die schärfsten Debatten, jedenfalls bis jetzt die Missbrauchs-Debatte auch im Vatikan verhandelt wird. Der Brief der vier Kardinäle hat vielen zum Mittel der Kritik am Papst gedient, nicht immer nur redlich.

Das Schweigen des Papstes damals halte ich immer noch für ein Verweigern des Machtgestus. Der Papst will Dynamik, nicht Macht. Und auch dazu finde ich in dem Kohlgraf-Interview Interessantes: „Es geht nicht um Macht. Es geht um Seelsorge. Bischöfe und Priester sind keine Wächter der reinen Lehre, sondern Begleiter auf dem Weg zu Gott.“

Es geht nicht um Macht

Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee, sagt der Papst dazu. Nicht eine Idee, nicht wie der Papst sagt „Formen von Verschleierung von Wirklichkeit“ bestimmen, sondern die konkrete Situation. Menschen auf dem Weg zu Gott, auf dem Weg miteinander, im Glauben und Zweifeln zu begleiten, dafür sollte die Kirche stehen. Das ist der Traum und der Wunsch nach der Reform der Kirche.

Bischof Kohlgraf nimmt hier noch mal den Macht-Diskurs auf: „Der einzelne hat die Macht, nicht der Bischof. Diesen Perspektivwechsel müssen wir zulassen.“ Es geht hier um Gewissen und Gespräch, um Begleitung und Unterscheidung. Und um die Welt und die Lebenssituationen, wie sie sind und nicht wie wir sie gerne hätten.

Hegel und Morgenstern

Ein Blick in die Geschichte und Literatur gefällig? Nur so zur Unterhaltung?

In seiner Habilitationsschrift hatte der Philosoph Georg Friedrich Wilhelm Hegel die Siebenzahl der Planeten deduziert. Seine Denkvorstellung kannte also diese sieben Planeten, und es konnten nur sieben sein. Auf die Existenz eines achten Planeten hingewiesen, der eben erst entdeckt worden war, stellte Hegel – in einer zugegeben apokryphen Geschichte – nicht seine Denkvorstellung in Frage, sondern antwortet baff: „Um so schlimmer für die Tatsachen“. Damit wurde seine Vorstellung zu einer „Form von Verschleierung von Wirklichkeit“.

Das gibt es leider auch in der Kirche, eine einmal festgeschriebene Wahrheit, als Lehre deklariert, die sich Veränderungen der Welt nicht anpassen will. Dann muss halt die Wirklichkeit schlecht sein. So kann das aber nicht gehen. Um einen anderen Bischof zu zitieren: Gott liebt uns durch die Wirklichkeit.

Die andere Sicht, das Verschleiern, wirkt dagegen fast tragisch. Christian Morgenstern dichtet das so:

Und er kommt zu dem Ergebnis:
„Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil“, so schließt er messerscharf,
„nicht sein kann, was nicht sein darf!“

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, InterviewSchlagwörter Amoris Laetitia, Interview, Kinderschutz, Kirche, Kohlgraf, Lehre, Medien, Missbrauch, Papst Franziskus, Zeit36 Kommentare zu Umso schlimmer für die Wirklichkeit

Erste Tage und letzte Ordnungen

Veröffentlicht am 2. Februar 20169. Mai 2020
Kalender Shakespeare-Handschrift von "Julius Caesar", (Flickr)

In einem Buch über Georg Friedrich Händel bin ich vor einigen Tagen einer witzigen Datumsangabe begegnet: „A Londres, se 29./18. De juillet 1735″. Händel hatte einen Brief geschrieben, aus London nach Deutschland, und deswegen ein Doppeldatum angeben müssen. Denn der Kontinent rechnete damals schon mit dem Gregorianischen Kalender, das anglikanische England wollte sich solch papistischen Verschwörungen aber nicht unterwerfen und blieb deswegen beim julianischen Kalender. Während also in England der 18. Juli war, war es auf dem Kontinent der 29. Juli.

Kalender

Kurios ist deswegen auch das Sterbedatum der heiligen Teresa von Avila: sie starb in der Nacht vom 4. auf den 15. Oktober 1582, also genau dann, als zur Angleichung an die neue Kalenderrechnung auf dem Kontinent, nicht aber etwa in England, zehn Tage ausgelassen wurden. Das erklärt die zehn Tage Unterschied in Händels Brief.

Dabei geht es aber nicht nur um reine Mathematik oder Kalenderdruckerei. Heute mag das sehr pragmatisch klingen, wenn wir einen Tag im Februar einfügen oder wenn wir einfach Uhren vor und zurück stellen. Aber das war nicht immer so. Kalender sind mehr als nur Zeit-Ordner. Sie ordnen das Leben. Und damit sind sie wichtig.

Mehr als nur reine Pragmatik

Der Schalt-Tag, den wir in diesem Jahr wieder haben, stammt zum Beispiel aus der Neuordnung der Zeit unter Papst Gregor XIII., kurz Gregorianischer Kalender genannt. Die klugen Jesuitenpatres aus dem Collegio Romano – kurz darauf nach demselben Papst „Gregoriana“ genannt – haben gerechnet und geplant und einen neuen Kalender entwickelt. Zum Frust der nicht-katholischen Herrscher im Osten und im Norden, sie haben sich dieser Reform erst einmal verweigert, die orthodoxen Länder haben sogar noch länger mit der Umstellung gewartet als die anglikanischen. Auch hier zeigt sich: das ist nicht reine Pragmatik. Das hat mit Weltdeutung und damit Macht und Einfluss zu tun.

Wunderbar nachlesen kann man den Streit und auch die religiöse Dimension bei William Shakespeare, wo sonst. In Julius Caesar geht es immer wieder um Zeit und Messung und die Frage, was für ein Tag heute eigentlich ist. Der Streit um den Kalender tobte gerade unter Königin Elisabeth und Shakespeare wickelt die Diskussionen für sein Publikum witzig verpackt in sein Stück ein.

Julius Caesar hatte ja selber einen neuen Kalender eingeführt – den „julianischen“ – und da lag das Thema nahe. Brutus, Caesar’s Mörder, fragt im Stück „Is not tomorrow, boy, the first of March?“ (II,i,40), obwohl es doch die Iden sind, die anstehen. Da fehlen zehn Tage. Die Zuhörer im Globe Theater werden gelächelt haben.

Das Ganze spielt heute keine Rolle mehr? Pustekuchen! Natürlich ist das auch heute noch wichtig. Nehmen wir einfach nur mal den Streit unter Christen, wann eigentlich Ostern zu feiern ist. Nach dem julianischen Kalender – so halten es die orthodoxen Christen – oder nach dem gregorianischen. Zu besichtigen jedes Jahr im Heiligen Land. Stellen wir uns vor, alle Christen würden sich auf den orthodoxen Termin einigen, die säkulare Gesellschaft würde im Dreieck springen, wenn die Christen auf einmal bestimmen könnten, wann Oster-Schulferien zu nehmen sind.

Ostertermin und Sabbat

Nehmen wir die Frage nach dem Buß- und Bettag. Nehmen wir die Frage nach den zweiten Feiertagen zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten, die es so nur in der deutschen Kultur gibt. Nehmen wir den Advent als geprägte Zeit, der selbstverständlich via „Weihnachtsmarkt“ und dann „Wintermarkt“ einen Teil des Jahres prägen soll, aber bitte ohne Inhalt, vor allem ohne christlichen Inhalt. Hier übernimmt der Konsum die Dominanz des Kalenders.

Fast schon völlig vergessen ist die Frage, wann eigentlich die Woche beginnt. Was ist der erste Tag? Wir feiern den ersten Tag der Woche als den Tag, als Christus von den Toten erstanden ist, heißt es im Hochgebet der Messe. Also den Sonntag. Aber der gehört zum Wochen-„Ende“, also zum Schluss, nicht zum Anfang. Was denn nun?

Auf meinem Rechner beginnt die Woche wirklich am Sonntag, man kann das der Software ja vorgeben. Und ich muss gestehen, es bleibt verwirrend, so tief hat sich das „Wochenende“ schon eingeschliffen. Dabei geht der wichtigste Gehalt des Tages verloren: wir beginnen unsere Zeit mit der Auferstehung, sie kommt nicht am Schluss. Auferstehung ist neue Schöpfung, deswegen findet sie am ersten Tag der Woche statt, am Schöpfungstag Eins, nicht am Sabbat, dem Schöpfungstag an dem Gott ruhte.

Und nur ein kleiner Hinweis auf eine ganz andere Ordnung der Zeit, die aber ebenso wirkmächtig zu sein scheint: die Astrologie. Sternzeichen und Aszendent und so weiter sind für einige Leute nicht unwichtig. Angeblich bestimmen sie Charakter bei der Geburt oder andere Dinge. Aber das nur als Nebenbemerkung.

Sonntag oder Sabbat?

Wobei wir beim Schlussakkord wären. Denn es gibt ja sogar ein Gebot dazu. Lesen wir im Buch Deuteronomium: „Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat.“ Im Buch Exodus, der zweiten Quelle für die Zehn Gebote, ist es etwas kürzer, aber in der Substanz dasselbe.

Das machen wir aber nicht mehr. Wir halten den Sonntag, und das ist nicht der Sabbat. Verwirrend, oder? Aus theologischen Gründen feiern wir nicht den Sabbat, sondern den Sonntag, nicht den letzten Tag, sondern den ersten, trotz des Gebotes. Die Auferstehung des Herrn und damit die neue Schöpfung bestimmt unseren Kalender. Oder zumindest sollte sie das tun, das Wochenende hat aber dafür gesorgt, dass beide zusammen kleben und eigentlich nicht mehr zu trennen sind. Der erste und der letzte Tage der Woche verschmelzen, Inhalte außer „nicht arbeiten müssen aber trotzdem shoppen wollen“ haben sie nicht mehr.

Die Ordnung unserer Zeit lassen wir uns heute von anderen Mächten vorgeben als früher. Es ist nicht so, dass wir freier geworden wären, nur weil die Kirche oder der Staat die Hoheit über unsere Kalender und damit die Ordnung der Zeit verloren hätten. Noch vor wenigen Jahren war es der „Wirtschaftsstandort Deutschland“, der uns Feiertage weggenommen hat. Jedes Jahr ist es der Konsum, der die Weihnachtszeit in Weihnachtsmarkt, Fest am 24. und Umtauschzeit mit Ferienstress danach einteilt.

Wir wollen es ja so. Wir machen es mit. Und für mich ist der erste Tag der Woche der Sonntag. Ganz aufgegeben habe ich noch nicht.

 

Kategorien Allgemein, Glaube und Vernunft, Kunst, Kultur und KönnenSchlagwörter Gregor XIII., Kalender, Kirche, Kultur, Ordnung, Zeit13 Kommentare zu Erste Tage und letzte Ordnungen

Er teilt das Risiko

Veröffentlicht am 27. März 201527. März 2015

Was will der Papst eigentlich? Wenn man bei den vielen Artikeln zum zweiten Jahrestag der Papstwahl – von uns Journalisten gerne als Anlass für Einschätzungen genommen – eine Frage immer wieder und in ganz verschiedenen Schattierungen hat lesen können, dann diese. Es gibt eine Unsicherheit darüber, wofür der Papst steht, was er genau umsetzen will, man kann nicht wirklich einschätzen, was er als nächstes tun will.

Mir begegnet diese Frage schon etwas länger, sei etwa einem halben Jahr, meistens in der Form „wann endlich …?“. Und da ist ja auch etwas dran, es gibt einige Prozesse wie zum Beispiel die Kurienreform, die man konkret nennen kann. Aber was er mit der ganzen Kirche will, das ist nicht unmittelbar einsichtig.

Meine Antwort darauf kennen Sie vielleicht schon. Ich nenne gerne das Prinzip „die Zeit ist wichtiger als der Raum“, das Pater Jorge Bergoglio SJ bereits als Provinzialoberer der Jesuiten genutzt hat und das sich auch in Evangelii Gaudium unter den vier pastoralphilosophischen Prinzipien wieder findet. Nicht das Besetzen von Positionen, nicht das Innehaben von etwas ist wichtig, sondern der Raum, die Offenheit, der Prozess. Und das bedeutet eben, dass wir aushalten müssen, dass es keine Entscheidungen gibt, wo wir doch endlich welche haben möchten. „Aber jetzt muss er doch mal …“. Muss er?

Es ist überfordernd, die Dinge immer offen zu lassen. Der Heilige Geist – dem in so einem offenen Prozess Raum gegeben wird – ist anstrengend. Wir wollen uns irgendwie festmachen, irgendwo Schritte setzen, so dass nicht alles flüssig ist und wir mit unseren Einschätzungen vor Anker gehen können. Immer im Ungewissen zu bleiben, ist wie gesagt überfordernd.

Bei Papst Franziskus ist dieses Prinzip aber weder Entscheidungsschwäche noch Personalismus. Dahinter liegt – unter anderem – eine Überzeugung von seiner Rolle als Papst. Blicken wir zurück auf die Bischofssynode 2014:

Papst Franziskus leitet das Morgengebet bei der Bischofssynode in rom
Morgengebet bei der Synode

Der viel beachtete Absatz in der Eröffnungsansprache der Synode lautete so: „Alles, was sich jemand zu sagen gedrängt fühlt, darf mit Parrhesia [Freimut] ausgesprochen werden. Nach dem letzten Konsistorium (Februar 2014), bei dem über die Familie gesprochen wurde, hat mir ein Kardinal geschrieben: ‚Schade, dass einige Kardinäle aus Respekt vor dem Papst nicht den Mut gehabt haben, gewisse Dinge zu sagen, weil sie meinten, dass der Papst vielleicht anders denken könnte.’ Das ist nicht in Ordnung, das ist keine Synodalität, weil man alles sagen soll, wozu man sich im Herrn zu sprechen gedrängt fühlt: ohne menschliche Rücksichten, ohne Furcht! Und zugleich soll man in Demut zuhören und offenen Herzens annehmen, was die Brüder sagen. Mit diesen beiden Geisteshaltungen üben wir die Synodalität aus.”

 

Parrhesia – Freimut

 

Das ist also der Prozess, den ich angesprochen habe, Parrhesia/Freimut ist ein Wort, dass sich bei Papst Franziskus immer wieder findet, er will dass sich alle einbringen und reden und debattieren können.

Das Gegenstück zu diesem Text stammt sozusagen wie eine Klammer aus der Schlussansprache, er habe mit Dank und Freude gehört, dass die Bischöfe mit Parrhesia [dasselbe Wort wie in der Eröffnungsansprache] gesprochen hätten: „Wie ich zu Beginn der Synode gesagt habe, ist es nötig, das alles in Ruhe und innerem Frieden zu durchleben, damit die Synode cum Petro et sub Petro (mit Petrus und unter der Leitung Petri) verläuft, und die Anwesenheit des Papstes ist für das alles Garantie.“ Hier erklärt sich der Grund für die Parrhesia: „Die Aufgabe des Papstes ist es nämlich, die Einheit der Kirche zu garantieren (..).“ Und dann zählte er zur sichtbaren Überraschung aller die Canones des Kirchenrechtes auf, in denen die volle ordentliche, oberste, volle, unmittelbare und universale Autorität des Papstes in der Kirche beschrieben ist. Starker Stoff, könnte man meinen: Erst bittet er um offene Aussprache, dann aber wedelt der Papst mit dem Kirchenrecht und sagt, dass es zum Schluss doch seine Entscheidung ist. Weiterlesen „Er teilt das Risiko“

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Autorität, Bischofssynode, Franziskus, Michel de Certeau, Papst, Papstamt, Parrhesia, Raum, Zeit8 Kommentare zu Er teilt das Risiko

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