Ein Trend in der Krise: Die „Messe ohne Volk“. Eine Brücke, ein Ersatz für die Messfeiern, die im Augenblick nicht stattfinden. Corona hat uns kirchlich tief verunsichert, auch was unser Selbstverständnis angeht. Kann es eine Messe ohne Volk überhaupt geben? Ist die nicht auch von der Communio aller Glaubenden getragen? Oder schon Retrokatholizismus? Wie debattieren wir Alternativen?
Corona hat uns kirchlich tief verunsichert
Dass wir in einer Krise sind, ist nicht neu, das debattieren wir seit Jahren. Dass es wenn es konkret wird aber ausgerechnet am Thema Sakramente ausbuchstabiert wird, hat dann doch einige überrascht. Und so wird die Frage nach der Messe deswegen auch gerne in alten Mustern analysiert.
Mir zeigen sich da aber jenseits der Konzils-Debatten und der Forderung, sich den staatlichen Vorgaben nicht zu unterwerfen, noch eine andere Dimension: Wir haben ein Sakraments-Problem.
Das Konzilsdokument „Lumen Gentium“ (Nr. 11) wird dann hervorgezogen und daraus – meistens verkürzend – der Satz zitiert: „In der Teilnahme am eucharistischen Opfer, der Quelle und dem Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens, bringen sie das göttliche Opferlamm Gott dar und sich selbst mit ihm“. Die Rede ist von den Gläubigen, die „priesterliche Gemeinschaft“ der Kirche.
Sakrament, was soll das sein?
Nun stellen wir erstaunt bis entsetzt fest, dass wir nicht wissen, was das genau heißt.
Johannes Paul II. konnte in seiner Enzyklika zum Thema noch vertrauensvoll schreiben „Die Kirche lebt von der Eucharistie“. Das sind die Anfangsworte von Ecclesia de Eucharistia von 2003. Aber stimmt das denn noch? Wissen wir, was das ist, so ein Sakrament, erweitert gefragt?
Wenn die Rede zum Beispiel auf die Eucharistie fällt, dann begegnet mir in Gesprächen eher eine große Verunsicherung. „Messe“ als Wort geht, aber wichtiger sind Predigt, Musik, Atmosphäre, Gemeinschaft und so weiter. Und das nicht aus Bosheit, sondern wie ich meine auch aus Verunsicherung. Dass Eucharistie wichtig ist, das erleben wir ja gerade sehr deutlich. Nur können wir uns nicht sagen, was das denn sein soll.
Theologen-Sprech
Ein Ausweg ist der Theologen-Sprech. Ich bin sehr für eine präzise wissenschaftliche Sprache, auch in der Theologie, und die darf sich auch gerne mal den Nicht-Fachleuten entziehen. Aber wenn sie sich im Kreis dreht und das, was sie zeigen will, schon als Voraussetzung einbaut, dann hört es auf, sinnvoll zu sein. Das gibt es leider immer wieder.
Und woran liegt das? Wie ist uns das abhanden gekommen?
Fangen wir an einer anderen Stelle an: In Rom habe ich jahrelang erlebt, wie die Bischofsweihe Amt und Rang verwechselt. Da bekamen und bekommen Männer das Sakrament der Weihe nicht zur Leitung eines Bistums, sondern als Rang. Weil sie Abteilungsleiter werden, und noch dazu die absurde Hinzufügung „Erzbischof“, als ob das außerhalb einer Metropolie Sinn hätte. Und gleichzeitig wird uns von gleicher Stelle die Wichtigkeit und Zentralität von Sakramenten für das kirchliche Leben verkündet.
Inkonsequente Kirche
Das ist nur ein einziges Beispiel, aber damit will ich ausdrücken, dass es wir selber sind, die Kirche, die zu der großen Verunklarung beigetragen haben. Dazu gehören auch die Traditions-Debatten, die immer wieder passieren, Handkommunion und außerordentliche Form des Ritus (vulgo: tridentinischer Ritus), oder auch die Kommunion für konfessionsverbindende Ehen oder die Interkommunion.
Aber dieses Mal ist das gar nicht das Zentrum der Debatte, sondern wirklich die Verunsicherung, was das ist, so ein Sakrament. Und das kirchliche Verhalten ganz oben macht es nicht einfacher.
Nun schauen wir auf die Bildschirme, entweder professionell gemacht über die Messübertragungen im TV oder die eher handgestrickten Internet-Übertragungen, dafür aber vom vertrauten Ort und Priester, und fragen uns, wie wichtig das eigentlich ist. Und was das eigentlich ist.
Was ist das eigentlich?
Vielleicht war es ja mal an der Zeit. Nicht die Feier eines Gedächtnisses, nicht dass wir zusammen kommen um den Altar steht in Frage, sondern der Charakter. Darüber müssen wir uns wieder unterhalten lernen. Und zwar so, dass wir uns selber und andere uns ernst nehmen können. So, dass verständlich wird was wir meinen.
Das Wiederholen das früher Gesagten reicht nicht aus. Und wenn uns das neue Reden über Sakrament und Sakramente gelingt, dann ist die Debatte alleine ja schon wieder das, was das Konzil von der Eucharistie sagt: Quelle kirchlichen Lebens.