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Schlagwort: Wirtschaft

„Lange Zeit dachten wir, wir könnten in einer kranken Welt gesund sein”

Veröffentlicht am 1. Dezember 20201. Dezember 2020
Der Welt geht es nicht gut Ein Buch, frisch aus Rom

Rassismus und Ausgrenzung. Die Missbrauchskrise. Die Polarisierung von Gesellschaft und Politik. Eine zerstörerische Form der Wirtschaft. Und natürlich allem voran die weltweite Corona-Krise: Der Welt geht es gerade nicht besonders gut. Papst Franziskus äußert immer wieder dazu, nun aber ausführlich und konkret an der Corona-Krise aufgehängt. Und er tut es  ausdrücklich aus einer geistlichen Perspektive. (Nebenbemerkung: die muss man nach den medialen Verarbeitungen der Vergangenheit allerdings erst gegen Widerstände entdecken. Aber das lohnt sich).

Es ist ein ganzes Buch geworden, entstanden aus Gesprächen und Austausch mit dem britischen Journalisten Austen Ivereigh. Die erste Version des Buches, die Originalsprache Englisch, ist seit heute auf dem Markt. Eine deutsche Übersetzung folgt am 4. Dezember. Und dann schreibe ich hier auch mehr zum Inhalt. Aber etwas schon mal vorweg:

Der Welt geht es nicht gut

„Lange Zeit dachten wir, wir könnten in einer kranken Welt gesund sein. Aber die Krise hat uns vor Augen geführt, wie wichtig es ist, für eine gesunde Welt zu arbeiten“. Dieses Papst-Zitat steht über dem nun veröffentlichten Buch, und es gibt sehr gut die Zielrichtung wieder. Es ist nicht das erste Mal, dass der Papst sich dazu äußert, nun tut er es aber ausführlich und darüber hinaus leidenschaftlich und sehr persönlich.

Zur Transparenz ein persönliche Bemerkung: In den vergangenen Monaten konnte ich nicht nur das Buch schon lesen, sondern ich war auch an seiner Übersetzung beteiligt. Spannend, auch weil der Papst selbst bis zuletzt sehr aktiv bei der Erstellung beteiligt war.

Ein sehr persönliches Buch

Und auch wenn es ein Papstbuch ist, der Helfer beim Zustandekommen war der Papstbiograph Austen Ivereigh. Und dem habe ich zum Erscheinen einige Fragen gestellt:

Hagenkord: Austen, du hast das Projekt begonnen und ausführlich mit dem Papst an diesem Thema gearbeitet, was sagt Franziskus, das andere noch nicht gesagt haben?

Austen Ivereigh: Dies ist das erste Buch eines Papstes als Antwort auf eine globale Krise, ein Buch, das uns geistliche Orientierung inmitten einer Krise bietet. Natürlich hat er das schon seit dem berühmten Urbi et Orbi vom 27. März dieses Jahres an getan, aber hier tut er dies in einer konzentrierten, intimen, direkten Weise. Er spricht sozusagen zu jedem von uns als Individuen und zu uns allen als Gemeinschaft.

Das große Thema des Buches ist, wie wir vermeiden können, die Chance dieser Krise zu verpassen, indem wir Gott in die Geschichte – in unsere Geschichte – hineinlassen und den Versuchungen und Hindernissen ausweichen, die dazu führen, dass wir diese Chance verpassen. Es ist so etwas wie eine ausführliche Meditation zum Hölderlin-Zitat aus dem Prolog des Buches: „Wo aber Gefahr ist, wächst / das Rettende auch“.

Ich glaube nicht, dass dies jemals zuvor getan wurde. Und obwohl das der Schwerpunkt ist, erstreckt sich das Buch weit über viele Themen, die er als Papst noch nie zuvor, zumindest nicht auf diese Weise, angesprochen hat. Von diesen Themen möchte ich sein Verständnis von Leitung durch Frauen als Zeichen der Zeit erwähnen; außerdem seine Meditation über die „abgeschottete Geisteshaltung“ als eine Form der Abwendung von der Sendung der Kirche – die Versuchung von Eliten und kleinen Gruppen von Puristen, sei es auf der linken oder rechten Seite der Kirche; ich möchte nennen seine Sichtweise auf die Unterscheidungsprozesse während der Bischofssynoden seines Pontifikats; und schließlich die These in Teil III des Buches, dass unsere vielfältigen Krisen ihren Ursprung im Verlust des Sinns für die Würde des Volkes haben und wie wir die Wiederherstellung dieser Würde zum zentralen, übergeordneten Prinzip unserer post-Covidischen Welt machen müssen. All dies ist neu. 

Hagenkord: Es ist nicht das erste Mal, dass der Papst über unseren Weg aus der Krise spricht, es gibt sogar ein kleines Buch mit seinen Texten. Was macht diesen neuen Text besonders?

Ivereigh: Was ‚Let Us Dream‘ als Text einzigartig macht, ist, dass er die Frucht der vielen Gespräche ist, die Franziskus und ich im Laufe des Sommers geführt haben, aber dass er nicht als Interview, sondern als Narrativ geschrieben ist. Es ist in drei Teile gegliedert: „Eine Zeit zum Sehen”, „Eine Zeit zum Wählen” und „Eine Zeit zum Handeln“.

Jeder Abschnitt fühlt sich sehr unterschiedlich an, aber jeder ist ein wichtiger Teil eines Prozesses der Umkehr: Lernen, die Wirklichkeit zu betrachten und von dem, was wir sehen, berührt zu werden; lernen, zu unterscheiden, was von Gott ist und was Gott ablenkt oder untergräbt; und mutig im Einvernehmen mit dem Guten Geist handeln, um eine neue Zukunft herbeizuführen: eine Wirtschaft, die sich um die Armen kümmert, Zugang zu Arbeit ermöglicht und der Natur Raum gibt; eine Politik, die den Menschen nicht nur eine Stimme, sondern einen Platz am Tisch gibt; und eine Gesellschaft, die die Geschwisterlichikeit widerspiegelt, anstatt sie zu untergraben.

Auch wenn ich die Fragen gestellt und die ersten Entwürfe gemacht habe, habe ich eigentlich nur das Gerüst bereitgestellt, an dem er seine Einsichten und Anleitungen aufhängen konnte. Auch die Tatsache, dass es sowohl in Englisch als auch in Spanisch verfasst wurde – wir haben zwei Originaltexte erstellt, von denen die anderen Übersetzungen, einschließlich der deutschen, angefertigt wurden – war ein weiteres Novum in der Geschichte solcher Bücher. Es gab bereits erste Reaktionen dazu, wie natürlich Franziskus auf Englisch klingt. Ich scherzte mit ihm, dass er in ‚Let Us Dream‘ der am natürlichsten englisch klingende Nachfolger des heiligen Petrus seit Adrian IV. im zwölften Jahrhundert ist, der einzige englische Papst überhaupt! Das gefiel ihm, glaube ich. 

Hagenkord: Glaubst du, dass Franziskus eine Chance hat, mit diesen Themen gehört zu werden?

Ivereigh: Er wird bereits gehört. Teile des Buches wurden zusammen für einen großen „Op Ed” in der New York Times letzte Woche verwendet, der einen großen Eindruck hinterließ. Es wurde in La Repubblica in Italien, ABC in Spanien und The Times hier im Vereinigten Königreich auszugsweise veröffentlicht. Und es hat wegen seiner akuten Beobachtungen über die Krise, über Frauen, über die Verfolgung der Uiguren (die eine verärgerte Reaktion der chinesischen Regierung auslöste) eine weltweite Berichterstattung ausgelöst – also ja, er wird gehört.

Und all das, bevor das Buch tatsächlich herauskommt und gelesen wird. Meine Hoffnung für ‚Let Us Dream‘ ist, dass sich die Menschen jenseits der Schlagzeilen und der aufmerksamkeitsstarken Dinge darin, die verblassen werden, mit der spirituellen Weisheit und Leitung im Herzen des Buchs beschäftigen. 

Hagenkord: Der Papst will unsere Meinung oder unsere Denkweise ändern. War er bei seinem ersten Leser, also bei dir, erfolgreich?

Ivereigh: Auf Englisch sprechen wir von „preaching to the choir”, und in meinem Fall gebe ich gerne zu, dass ich nicht nur sein Biograf, sondern auch ein Schüler bin. Mein Denken und meine Denkweise haben sich durch Franziskus in den letzten sieben Jahren grundlegend verändert.

Du könntest also erwarten, dass ich von meiner Einstellung nicht viel ändern musste, während ich mit ihm an ‚Let Us Dream‘ arbeite. Und doch hat es mich verändert.

Ich stelle mir die Frage, ob ich mich während dieser wiederholten Lockdowns hinter meine Rollen und Funktionen zurückziehe oder ob ich, wie Franziskus drängt, hinausgehe, um zu dienen. Ich denke viel über seine Herausforderung an uns nach, diese Gelegenheit zum Wandel nicht ungenutzt verstreichen zu lassen; ich höre den Nachrichten zu und frage mich: Warten wir nur darauf, zum Status quo ante zurückzukehren? Die Antwort darauf lautet größtenteils ja.

Und doch verfolgt mich das, was der Papst uns sagt: dass wir nicht zurückgehen können, dass man in einer Krise wie dieser entweder besser oder schlechter wegkommt, aber nicht mehr derselbe sein wird. Ich denke also, die Herausforderung des Buches ist, wenn überhaupt, größer denn je. 

Und ich glaube, dass es die Menschen verändern wird, so wie mich.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Austen Ivereigh, Corona, Ivereigh, Krise, Papst Franziskus, Wirtschaft2 Kommentare zu „Lange Zeit dachten wir, wir könnten in einer kranken Welt gesund sein”

„Was ganz konkret und naheliegend ist“

Veröffentlicht am 8. Oktober 20208. Oktober 2020
Text für stürmische Zeiten Ort der Inspiration: Assisi

Es ist ein Text für stürmische Zeiten. Eine Pandemie, inmitten von Finanzkrisen und Schuldenspiralen, inmitten von ökologischen Desastern und globaler Erwärmung, die uns alle gefährdet: wie soll ein gläubiger Mensch darauf reagieren? Politisch, sagt Papst Franziskus. So zumindest habe ich seine neue Enzyklika in meiner ersten Betrachtung genannt.

Ich könnte auch träumerisch-realistisch sagen, das träfe es genauso. Angesichts der Stürme um uns nimmt die Tendenz zu, sich nur um sich zu kümmern. Das geschieht entweder unter dem Deckmantel des Liberalismus oder dem des Populismus. Beides beschädigt aber unsere Gewissheit, Teil einer einzigen Menschheit zu sein. Gerechtigkeit und Frieden rücken so in weite Ferne, anstatt unter möglichen Lösungen für unsere Probleme aufzutauchen (FT 30).

Text für stürmische Zeiten

Der Weg, den der Papst vorschlägt: erstens träumen, zweites ganz praktisch handeln. Beides gehört zusammen. Franziskus ist kein Träumer, der fern von der Realität Utopien verfolgt. Träume müssen sich verwirklichen lassen, sonst bleiben sie formal (FT 219). Und hier kommt nun der Samariter ins Spiel: er handelt ganz praktisch. Er tut was.

„Wir können von unten, bei einer Sache beginnen und für das kämpfen, was ganz konkret und naheliegend ist, und bis zum letzten Winkel des eigenen Landes und der ganzen Welt weitergehen – mit der gleichen Sorgfalt, mit der sich der Reisende von Samaria jeder einzelnen Wunde des verletzten Menschen annahm. Suchen wir die anderen, und nehmen wir die uns aufgetragene Wirklichkeit in die Hand, ohne Angst vor Schmerz oder Unvermögen, denn dort liegt all das Gute verborgen, das Gott in das Herz des Menschen gesät hat.“ (FT 78)

Hier wird Nächstenliebe politisch, die Welt prägend.

Politische Nächstenliebe

Aber braucht es dafür überhaupt Nächstenliebe? Reicht nicht das Recht, oder ist das Recht nicht sogar die bessere Grundlage, weil nicht auf Emotion gebaut? Das ist eine Kritik an der Enzyklika. Franziskus will aber keine abstrakte Weltordnung schaffen. Er beobachtet und benennt die Schwächen er gegenwärtigen, setzt dann aber eine Motivation dagegen. Einen inneren Motor, der allen Menschen eigen ist, wenn sie nicht um sich selber kreisen: die Geschwisterlichkeit. Das Zusammen-Gehören.

Und genau das wird für Christinnen und Christen im Samariter sichtbar. Nur so, konkret und handelnd, entsteht das „Wir“.

„Wir werden immer neu gerufen, obwohl es auch als  grundlegendes Gesetz in unser Sein eingeschrieben ist: dass die Gesellschaft sich auf den Weg macht, um das Gemeinwohl zu erstreben, und von dieser Zielsetzung her seine politische und soziale Ordnung, sein Beziehungsnetz und seinen Entwurf des  Menschen immer neu gestaltet. Mit seinen Gesten hat der barmherzige Samariter  gezeigt, dass die Existenz eines jeden von uns an die der anderen gebunden ist: das  Leben ist keine verstreichende Zeit, sondern Zeit der Begegnung.“ (FT 66)

So entsteht ein „Wir“

Und so verlässt die Nächstenliebe auch den Status einer reinen Predigt, nett und ungefährlich. Wie seit Jahren schon die Barmherzigkeit wird auch die Nächstenliebe bei Papst Franziskus weltgestaltend und praktisch. Dazu enthält die Geschichte vom Samariter auch eine deutliche Kritik an Religions-Praxis:

„Bei jenen, die vorbeigehen, gibt es eine Besonderheit, die wir nicht übersehen dürfen: Sie waren religiöse Menschen. Mehr noch, sie widmeten sich dem Gottesdienst: ein Priester und ein Levit. Das ist eine besondere Bemerkung wert: Es weist darauf hin, dass die Tatsache, an Gott zu glauben und ihn anzubeten, keine Garantie dafür ist, dass man auch lebt, wie es Gott gefällt. […] Es gibt hingegen Weisen, den Glauben so zu leben, dass er zu einer Öffnung des Herzens gegenüber den Mitmenschen führt, und dies ist Gewähr für eine echte Öffnung gegenüber Gott. Der heilige Johannes Chrysostomus hat diese Herausforderung für die Christen mit großer Klarheit zum Ausdruck gebracht: »Willst du den Leib Christi ehren? Dann übersieh nicht, dass dieser Leib nackt ist«.“ (FT 74)

Selbstkritik der Religion

Die Enzyklika will ausbuchstabieren, was das nun heißt, Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit zu praktizieren. Das geschieht nicht von selbst Es ist auch nicht selbstverständlich, selbst wenn ‚Nächstenliebe‘ ein beliebter Predigtbegriff ist. 

Aber wo soll man anfangen? Franziskus antwortete mit einer katholischen „Sowohl-als-auch“-Strategie: träumen und konkret handeln. Und daran schließt der Papst dann die Sätze an, die vor allen anderen auch in der Kirche selber abgelehnt werden, Sätze aus der katholischen Soziallehre. Das Recht auf Privatbesitz ist nicht absolut (FT 120). Das Recht von Migranten und Flüchtlingen (FT 129). Die Ungerechtigkeit von Krieg und Todesstrafe (FT 255). Das alle bekommt seine besondere Schärfe.

Da darf und kann die Gemeinschaft der Gläubigen nicht abseits stehen. „Wir dürfen nicht alles von denen erwarten, die uns regieren; das wäre infantil. Wir genießen einen Raum der Mitverantwortung” (FT 77). Da muss auch die Kirche das Wort ergreifen:

„Aus diesen Gründen respektiert die Kirche zwar die Autonomie der Politik, beschränkt aber ihre eigene Mission nicht auf den privaten Bereich. Im Gegenteil, sie kann und darf beim Aufbau einer besseren Welt nicht abseits stehen, noch darf sie es  versäumen, die seelischen Kräfte zu wecken, die das ganze Leben der  Gesellschaft bereichern können“ (FT 276).

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Enzyklika, Fratelli Tutti, Glaube, Papst Franziskus, Politik, Samariter, Solidarität, Wirtschaft29 Kommentare zu „Was ganz konkret und naheliegend ist“

Es war einmal Wald

Veröffentlicht am 13. Oktober 201913. August 2019
Aus Wald wurde Forst Erst Regenwald, nun Forst: im Sägewerk von Oberon Perondi

Es ist ein Traum für jeden rational denkenden Umweltschützer und Forstwirt: ein System von Konzession und Zertifizierung, das den Wald schützt und trotzdem Menschen ernährt. Wir sind zu Gast bei Oberon Perondi, Forstwirt und Besitzer eines Sägewerks in Morais Almaida tief im Regenwaldgebiet. Aber wo einmal unberührter Wald war, dort ist nun bewirtschafteter Forst. Aus Wald wurde Forst.

Oberon Perondi ist unser Gastgeber, er empfängt in seinem Sägewerk in Morais Almeida, tief drinnen im Gebiet des Regenwaldes. Eine Stadt, die vom Holz lebt, sagt er, fünf Betriebe gebe es hier. Und der Wald profitiere genauso wie die Menschen.

Aus Wald wurde Forst

Holz schlagen im Regenwald, das hört sich zuerst nach Abholzung an. Aber nein, Oberon Perondi besteht darauf, dass sie – die Forst- und Holzwirte hier – die wahren Waldbewahrer seien. Wir stehen neben einem Stapel gesägten Tropenholzes. Perondi zeigt auf einen Code, der an der Seite angebracht ist. Dieses Zertifikat zeige jedem Käufer, dass es sich um legales Holz handle.

Es ist ein kluges System, dass sich der Staat ausgedacht hat, erklärt Perondi. Es werden Konzessionen zu strengen Bedingungen vergeben. So hätten die fünf Betriebe hier 240.000 Hektar Regenwald zugewiesen bekommen, und nur sie, niemand sonst, dürfe dort Bäume schlagen.

Ein kluges System

Aus Wald wurde Forst
Noch ist das hier Regenwald

Perondi ist 40 Jahre jung, dynamisch, klug und zurückhaltend. Vor allem aber ist er überzeugt davon, dass das Konzessions-System den Wald bewahre und gleichzeitig Arbeitsplätze schaffe.

240.000 Hektar Regenwald: ein ganz schönes Stück, im beliebten Vergleich gemessen fast so groß wie das gesamte Saarland. Oder wie Vorarlberg. Oberon Perondi schaut auf eine Landkarte und beschreibt den Wald, den er als Fortwirt bewirtschaften darf.

„Wir sind fünf Betriebe, die gemeinsam im Nationalwald die Konzession bekommen haben, Bäume schlagen zu dürfen. Wir haben das gesamte Gebiet unserer Konzession in 30 Teile geteilt, 30 Bezirke, von denen wir pro Jahr nur einen bewirtschaften. Ein Bereich kommt also alle 30 Jahre lang dran, den Rest der Zeit bleibt er für sich. Dabei wird ein Baum pro Hektar geschlagen, mehr nicht.”

8.000 Bäume pro Jahr

Machen wir die Rechnung auf: 240.000 Hektar werden in 30 Gebiete aufgeteilt, pro Jahr kommt eines davon in Bewirtschaftung, jedes Gebiet ist also nur alle 30 JAhre dran. Teilen wir die Fläche durch 30 dann sind das 8.000 Hektar für jedes Jahr, im Regenwald gibt es pro Hektar etwa 380 Bäume, einer davon darf pro Jahr geschlagen werden, das sind also 8.000 Bäume, die in Konzession gefällt werden. Umgerechnet seien das 25,8 Kubikmeter Holz, 36,3 Raummeter, für diejenigen die sich mit Holz auskennen.

Oberon Perondi zeigt auf seine Karte, der gesamte Floresta Nacional ist farblich markiert, darin seine eigene Konzession. Überhaupt ist alles gut erschlossen, es wird mit GPS-Markierungen gearbeitet, mit genauen Karten und mit Chips, die an Bäumen angebracht werden, damit die Einhaltung der Bedingungen der Konzession überprüft werden kann. Sehr modern, sehr rational.

Sehr modern, sehr rational

„Wir machen eine Bestandserhebung in dem Gebiet, wir untersuchen den Umfang und den Reifegrad der Bäume, das alles muss über eine Liste der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden. Und wenn die das dann abgesegnet hat, dann entscheidet der Markt, welche Bäume nun geschlagen werden.” Nur so bekommen die die Zertifizierung, die Oberon Perondi so wichtig ist und die an der Seite seiner Tropenholz-Stapel befestigt ist. „Bei der Zertifizierung geht es darum, dass die Illegalen keine Chance haben weil jeder Käufer genau weiß, woher das Holz kommt.”

Nur so lasse sich die Waldwirtschaft und gleichzeitig der Schutz des Waldes gemeinsam umsetzen, sagt er. Die staatliche Regulierung über Konzession und Zertifikat stelle den Schutz sicher und erlaube eine Bewirtschaftung, welche den Wald als solchen erhalte.

Bewirtschaftung, die den Wald erhält?

Dem rational und wirtschaftlich denkenden Geist klingt das alles sehr logisch. Holz wird geschlagen, da ist es besser dass es reguliert und überwacht passiert als wild. Die Nachfrage ist da, das Angebot folgt aber klaren Regeln, die sich unter anderem am Waldschutz orientieren.

Perondi ist überzeugt, dass das der Weg für den Wald ist. Menschen wollen leben, über die Konzessionen werden klare Grenzen und Bedingungen gesetzt, die Zertifizierung erlaubt es jedem Käufer, genau nachzuvollziehen, was er da kauft und ob das alles legal ist.

Da stehen wir nun auf dem Hof des Sägewerkes, Stapel von Tropenholz um uns herum. Ist das nun der Weg zum Schutz der Umwelt? Der rationale Kapitalismus? Geht Schutz wirklich nur so?

Geht Schutz wirklich nur über Kapitalisierung?

Das hieße ja im Umkehrschluss, dass Regenwald nur als Regen-Forst überleben könne. Dass das aufgeklärte Eigeninteresse in diesem Fall der Forst- und Holzwirte für den Schutz der Bäume und des Waldes sorgt. Die Indigenen würden widersprechen, mindestens.

Ist das nun schon Bewahrung der Schöpfung wie sie Laudato Si‘ etwa fordert? Und für Christen als nicht optional definiert? Oder ist das der Schritt in die Kapitalisierung des Waldes, der letztlich diejenigen verdrängen wird, die sich dem Kapitaldenken versagen?

Oberon Perondi kennt diese Zweifel nicht. „Wir sind die wahren Umweltbewahrer“, sagt er. Aber bei aller Klugheit des Systems, bei aller Zertifizierung: es ist kein Regenwald mehr. Es ist ein bewirtschafteter Wald. Ein Forst.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter #SinodoAmazonico, amazonas, Amazonien, Forstwirdschaft, Holz, Landwirtschaft, Regenwald, Umweltschutz, Wirtschaft2 Kommentare zu Es war einmal Wald

Verantwortungsgemeinschaft

Veröffentlicht am 1. September 201931. August 2019
weltweite Verantwortung Ruinierter Regenwald in Brasilien: wer trifft Entscheidungen?

Der Urwald brennt. Seit Wochen nun sind Brasilien und seine Nachbarländer in den Schlagzeilen, weil „unsere“ Lunge, die Lunge des Planeten, Opfer verheerender und menschlich verschuldeter Brände ist. Außerdem brennt die Arktis, das Great Barrier Reef vor Australien ist in üblem Zustand und dem Rest des Planeten geht es auch nicht sonderlich gut, die Erwärmung wird messbar. Also braucht es weltweite Verantwortung. Das sei zu viel für nur einen Staat, da müssen alle ran.

Gesehen jetzt erst wieder in Biarritz in der vergangenen Woche, Frankreichs Präsident Macron hat relativ deutlich gemacht, dass der Rest der Welt mitreden will, wenn es um Amazonien geht. Die Medien haben applaudiert, bis hin zur Forderung, wirtschaftlichen Druck zu nutzen. Um Gutes zu tun.

Weltweite Verantwortung

Dahinter liegt die Idee, dass Amazonien und der Regenwald zu wichtig sind, um sie nur einem Staat zu überlassen. Wir alle hängen davon ab, so das Argument. Also müssen wir alle Verantwortung übernehmen. Was Code ist für mit entscheiden wollen.

Und da sind wir dann auch bei der Kritik. In Brasilien heißt es, Präsident Macron wolle doch nur seine eigene Landwirtschaft gegen brasilianische Konkurrenz schützen. Außerdem habe das Einflussnehmen von außen einen neo-kolonialen Touch, um es vorsichtig zu sagen.

Neo-kolonial

Etwas weiter gefasst gibt es in Brasilien die politische Ur-Angst, dass die Weltgemeinschaft dem Land das Amazonasgebiet wegnehmen wolle. Ein Stichwort dazu gibt es auch schon: „AAA“ – „Andes – Amazonas – Atlántico“.

Die Kirche hat sich sehr deutlich gegen Versuche der Internationalisierung gestellt. Wie bitte? Dagegen? Jawohl, dagegen. Weltweite Verantwortung à la Macron ist ja gut und schön, aber eben auch nicht neutral. 2007 haben sich die Bischöfe Lateinamerikas getroffen und ein Dokument veröffentlicht, darin steht Folgendes zu lesen:

„Der zunehmend aggressive Umgang mit der Umwelt kann als Vorwand für Ideen benutzt werden, das Amazonasgebiet zu internationalisieren: Solche Ideen nützen einzig und allein den ökonomischen Interessen der transnationalen Unternehmen. Die Gesellschaft im gesamten Amazonasgebiet besteht aus vielen Ethnien, Kulturen und Religionen. In ihr wird immer heftiger um die Besetzung der Territorien gestritten. Die traditionalen Völker der Region fordern, dass ihre Territorien anerkannt und legalisiert werden.“ (Dokument von Aparecida, Nr. 86).

Cui bono

Cui bono ist die alte Frage: wem nützt es? Internationalisierungen haben bislang immer den großen Interessen genützt, dem Geld, dem Einfluss, den Starken. Jetzt nach der internationalen Verantwortungsgemeinschaft zu rufen ist etwas naiv, schauen wir auf Syrien, schauen wir auf den Jemen, schauen wir auf die anderen Umweltdesaster.

Zu glauben, das würde gerade jetzt anders, spricht menschlicher Erfahrung Hohn. Aus den Worten der Bischöfe spricht die bittere Erfahrung der letzten Jahre und Jahrzehnte.

Aber sie machen auch einen zweiten Schritt. Denn auch die nationale Regierung Brasiliens hat Unrecht. Sie handelt nämlich genauso neo-kolonial wie sie es Europa vorwirft. Sie enteignet, vertreibt und zerstört, was nicht ihnen gehört.

Bittere Erfahrungen

Die Bischöfe weisen auf die vielen Ethnien hin, die dort leben. Ihnen gehört das Gebiet, es ist ihr Lebensraum. Und ging es nach ihnen, bliebe das auch so. Dann blieben auch die Bäume.

Nicht Internationalisierung ist also die Lösung, sondern das Recht der Menschen vor Ort. Weder wir hier noch Brasiliens weiße Oberschicht und schon gar nicht die multinationalen Unternehmen haben das Recht, den Menschen dieses Recht vorzuenthalten. Die Lösungen müssen lokal sein.

Braucht es internationale Absprachen? Auf jeden Fall. Dass es Nachhaltigkeit-Abschnitte in mittlerweile jedem Abkommen gibt, ist gut und wichtig und richtig. Aber der Kern muss es sein, die Menschen entscheiden zu lassen, die es angeht. Sie nicht zu entrechten. Auch nicht im Namen einer abstrakten weltweiten Verantwortung.

Oder anders formuliert: Wir im Westen sind Teil des Problems. Nicht der Lösung. Wir sollten aufhören, uns und unsere Sichtweise anderen aufzudrängen.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Aparecida, Interessen, Kirche, Kolonisierung, Landwirtschaft, Politik, Rohstoffe, Verantwortung, Wirtschaft13 Kommentare zu Verantwortungsgemeinschaft

Gierig, kurzsichtig und illusorisch: Der Papst und die Wirtschaft

Veröffentlicht am 13. Mai 201913. Mai 2019
Wirtschaft dient dem Menschen Wie viel Zeit bleibt noch? Euroscheine, Quelle Pixabay

Die SPD in Deutschland hatte auf einmal eine Sozialismusdebatte. Der Juso-Chef hatte von Verstaatlichung gesprochen und nachgelegt, die Reaktionen kamen prompt, dafür, dagegen, weil Wahlkampf ist leider oft absehbar. Die Debatte dahinter ist die nach einem menschlichen Wirtschaftssystem. Welche Wirtschaft dient dem Menschen?

Am gleichen Tag in der vorletzten Woche hatte der Papst gleich zwei Ansprachen zum Thema zu halten, einmal vor italienischen Industrievertretern und einmal vor einem Verband.

Wirtschaft dient dem Menschen

Bei ersterer sprach er über die prekäre Verfassung unseres Planeten und das Wirtschaftsmodell, „ein gieriges Modell, orientiert am Profit, kurzsichtig und auf der Illusion eines unendlichen Wirtschaftswachstums basierend“.

Es brauche eine Wende im wirtschaftlichen Denken. Ein Gedanke der seit Evangelii Gaudium und dann erst recht in Laudato Si‘ immer wieder die Gedanken des Papstes beschäftigt. Nichts weniger als einen „Paradigmenwechsel“ brauche es, Wirtschaft müsse im Dienst am Menschen stehen, nicht umgekehrt.

In der zweiten Ansprache betonte er die Bedeutung der Gemeinwohlorientierung auch der Wirtschaft. „Einerseits sehen wir dabei zu, wie rein wirtschaftliche oder finanzielle Kriterien und konsumorientierte Aktivitäten die Überhand gewinnen, und andererseits zeigt sich immer mehr die Unfähigkeit, die gerechte Verteilung des Einkommens mit der Aufwertung der Entwicklungsmöglichkeiten in Einklang zu bringen. Es ist wichtig zu wiederholen, dass die Wirtschaft dem Gemeinwohl einen Dienst erweist, wenn sie an die Ethik gebunden bleibt, die das allgemeingültige Maß für das wahre menschliche Wohl ist.“

Diese Wirtschaft tötet immer noch

Das Thema Wirtschaft ist seit den ersten öffentlichen Äußerungen von Papst Franziskus immer wieder Thema, die Formulierung „diese Wirtschaft tötet“ aus Evangelii Gaudium ist mittlerweile legendär. Die Kritik daran auch.

Der Papst ist kein Sozialist, soviel zum eingangs gemachten Statement. Der Papst steht aber in einer langen Tradition kirchlicher Lehre, zuletzt sehr deutlich von Papst Paul VI. formuliert, und die rüttelt an einem Fetisch des Westens: dem Eigentum. Es gibt kein absolutes Recht auf Eigentum, das Recht wird eingeschränkt durch den Menschen, seine Rechte und sein Würde. Papst Pius XII. hatte sogar einmal vom „Imperialismus des Kapitals“ gesprochen und damit die Debatte auf unser heutiges Wirtschaftsmodell ausgeweitet.

Wirtschaft dient dem Menschen, dieser Gedanke ist christlich und ist alt.

„Imperialismus des Kapitals“

Seit 2008, seit der Finanz- und Bankenkrise, merken wir auch bei uns, dass es nicht so weiter gehen kann. Auch wenn gerettet und gebügelt wird und alle so tun, als ob. Wenn wir an die Gottesebenbildlichkeit des Menschen glauben, dann muss das auch für ein Wirtschaftsmodell gelten.

Im 16. Jahrhundert gab es innerhalb des Katholizismus die Debatte, ob das Nehmen von Zinsen auf Kapital erlaubt sei. Nicht wenige kluge Köpfe waren dagegen, die Geschichte ist darüber hinweggegangen, selbstverständlich sehen wir heute, dass das keine Sünde ist. Nicht an sich.

Den wirtschaftlichen Debatten stellen

Nur heißt das nicht, dass wir uns nicht auch wirtschaftlichen Debatten stellen müssen. Gerade auch mit Blick auf die Schwachen. Mit Blick auf die Schöpfung. Mit Blick auf die Zukunft.

Im Herbst findet im Vatikan eine Bischofssynode zu diesem Thema statt, Anlass ist Amazonien. Aber der Blick auf diese Region stellt grundsätzliche Fragen, unter anderem auch die nach unserem Wirtschaftsmodell und danach, wie wir Ausbeutung und Zerstörung zum Nutzen des Profits einschränken wollen.

Zur Vorbereitung darauf bin ich für die kommenden zwei Wochen selber im Amazonasgebiet unterwegs. Eine Journalistenreise soll und will uns vorbereiten. Deswegen finden Sie an dieser Stelle demnächst vor allem Artikel zu diesem Thema. Diese Wirtschaft tötet, immer noch. Darüber müssen wir reden.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #SinodoAmazonico, Ethik, Kritik, Papst Franziskus, Sozialismus, Wirtschaft, Wirtschaftsmodell5 Kommentare zu Gierig, kurzsichtig und illusorisch: Der Papst und die Wirtschaft

Warum bist du reich?

Veröffentlicht am 4. März 20154. März 2015

Mehr gab es zu Gier, tötender weil ausschließender Wirtschaft, Egoismus und Kapital eigentlich nie zu sagen. Lesen wir also Basilius von Cäsarea († 379) – die fünfte der Exegetischs paränetischen Predigten, Kapitel 7. Veröffentlicht durch die Universität Freiburg/Schweiz. Gute christliche Tradition in alttestamentarisch-prophetischer Sprache.

 

Wem tue ich Unrecht, fragt der Geizige, wenn ich das Meinige zusammenhalte? Aber sage mir, was ist denn dein? Woher hast du es bekommen und in die Welt gebracht? Wie wenn einer im Theater, der bereits seinen Platz hat, die nachher Eintretenden fernhalten und den allgemein zugänglichen Raum als sein Eigentum ansprechen wollte, so ähnlich gebärden sich die Reichen.

Die gemeinsamen Güter nehmen sie zuerst in Beschlag und machen sie durch diese Vorwegnahme zu ihrem Privateigentum. Würde jeder nur soviel nehmen, als er braucht zur Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse, das Übrige aber dem Dürftigen überlassen, dann gäbe es weder Reiche noch Arme. Bist du nicht nackt aus dem Mutterschoße gekommen, und wirst du nicht nackt wieder zur Erde zurückkehren? Woher hast du denn deine Güter?

Sagst du: vom Zufalle, dann bist du gottlos, weil du den Schöpfer nicht erkennst und dem Geber keinen Dank weißt. Bekennst du aber, sie seien von Gott, dann nenne mir doch den Rechtstitel, auf den hin du sie erhalten hast! Ist Gott nicht ungerecht, dass er an uns die Lebensgüter so ungleich verteilt? Warum bist du dann reich, jener aber arm? Jedenfalls nur deshalb, damit du für deine Güte und treue Verwaltung einen Lohn erhältst, der Arme aber mit den herrlichen Preisen der Geduld bedacht werde. Du aber raffst alles im unersättlichen Schoße deiner Habsucht zusammen und glaubst, keinem Unrecht zu tun, wenn du so viele beraubst.

Wer ist denn ein Habsüchtiger? Wer sich mit dem Ausreichenden nicht begnügt. Wer ist ein Räuber? Wer jedem das Seinige nimmt. Bist du nun kein Habsüchtiger, kein Räuber, wenn du das, was dir in Verwaltung gegeben worden, als dein Eigentum ansprichst?

Wer einem andern die Kleider auszieht und sie nimmt, wird als Räuber bezeichnet; wer aber einen Nackten nicht kleidet, obschon er es machen könnte, verdient der etwa eine andere Bezeichnung? Dem Hungrigen gehört das Brot, das du zurückhältst, dem Nackten das Kleid, das du um Schranke verwahrst, dem Barfüßigen der Schuh, der bei dir verfault, dem Bedürftigen das Silber, das du vergraben hast.

Du tust also ebenso vielen Unrecht, als du hättest geben können.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter Basilius, Gerechtigkeit, Gier, Kapital, Papst Franziskus, Wirtschaft4 Kommentare zu Warum bist du reich?

Der Franziskus-Effekt: Diese Wirtschaft tötet

Veröffentlicht am 8. Februar 20157. Februar 2015

Teil 3 einer kleinen Reihe

Als drittes Element des Franziskus-Effektes möchte ich ein Thema nennen, was dem Papst die meiste Kritik eingebracht und die meisten Debatten entzündet hat: Diese Wirtschaft tötet. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung wird im kommenden Jahr mehr besitzen als die restlichen 99 Prozent zusammen. Nochmal: Das reichste Prozent der Weltbevölkerung wird im kommenden Jahr mehr besitzen als die restlichen 99 Prozent zusammen. Die Zahlen stammen von Oxfam, einer großen britischen Hilfsorganisation. Die Schere zwischen reich und arm klafft immer weiter auseinander. Oder so: Die reichsten 85 Menschen besitzen genau so viel wie die ärmere Hälfte der Menschheit zusammen: 85 Menschen einerseits, 3,5 Milliarden Menschen andererseits. Und so weiter.

Das ist die Perspektive, mit der der Papst auf die Güter der Welt blickt. Er tut das nicht als einziger, in einem ausführlichen Interview für ein Buch neulich hat er darüber gesprochen und sehr viel Wert darauf gelegt, dass das, was er sagt, alte Kirche ist. „Imperialismus des internationalen Kapitals” stammt von Pius XI., für Benedikt XVI. stand das sich Annehmen des Armen und der Glaube an den einen Gott im AT auf gleicher Stufe, Paul VI. sagt, dass es kein absolutes unbedingtes Recht auf Eigentum gibt, aber nicht nur Päpste: Lesen Sie mal die Kirchenväter, 1.800 Jahre her, zum Beispiel Basilius von Caeserea. Das ist starker Tobak, wenn der Papst seine Thesen vorstellt. Aber man darf sich nicht vertun, hier geht es nicht um eine ausführliche und tiefe Analyse wirtschaftlicher Verhältnisse. Hier geht es um die Armen. Oder präziser: die ausgeschlossenen, die nicht teilnehmen können. Es geht um die, die keine Funktion im Konsum-Kapitalismus erfüllen und weggeworfen werden. Das ist die zentrale Vokabel beim Papst-Wegwerf-Kultur. Er malt das drastisch aus, da ist die “Kultur des Todes”, die Past Johannes Paul II. beklagte, fast schon im Ausdruck zurückhaltend.

 

Es geht um die Perspektive der Armen

 

Die Opfer sind die Kinder, ungeborene und solche ohne Perspektive, und es sind die Alten Menschen. Das ist die Trias, die er immer wieder nennt: ungeborene, perspektivlose junge und allein gelassene alte Menschen.

Lesen Sie die Reaktionen auf einen Blogeintrag von mir: wenn es um Eigentum geht, hört bei uns hier im Westen der Spaß auf. Da geht es ums Eingemachte. Eigentum verpflichtet, sagt unsere Verfassung, aber wenn der Papst (Paul VI. und jetzt Franziskus) die Absolutheit des Rechts auf Eigentum bezweifelt, dann geht das gar nicht. Protest! Soziale Marktwirtschaft! Wir sind doch nicht Argentinien! Weiterlesen “Der Franziskus-Effekt: Diese Wirtschaft tötet”

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Effekt, Franziskus, Mensch, Papst, Perspektive, Wirtschaft, Zentrum15 Kommentare zu Der Franziskus-Effekt: Diese Wirtschaft tötet

Kein unbedingtes Recht auf Eigentum

Veröffentlicht am 11. Januar 20157. September 2016

Wenn man von Widerständen gegen Papst Franziskus spricht, dann meint man meistens vermutete Gegner im Vatikan. Die meisten Widerstände gegen den Papst finden sich aber gar nicht hier, sondern außerhalb des Vatikan. Und die meisten dieser Widerstände – zumindest in unserer westlichen Welt – haben mit seiner Denkweise zu Wirtschaft und Gesellschaft zu tun. Stichwort: „Diese Wirtschaft tötet“.

„Die Kirche verachtet die Reichen“, wusste eine Zeitung, „Kapitalismuskritik ist katholische Brauchtumspflege“ eine andere, dazu noch christliche Zeitung. „Jesus Christ is a Capitalist“ tönte es aus den USA herüber, ziemlich absehbar und nicht wirklich originell. Aber es wird durch die Bank „The Vatican’s Journey from Anti-Communism to Anti-Capitalism“ beklagt. „Would someone please shut that Pope up?“ ist die notwendige Konsequenz solcher Art Fundamentalopposition.

Zwei italienische Journalisten haben jetzt ein Buch dazu veröffentlicht, in dem Buch ist auch ein Interview mit Papst Franziskus zum Thema enthalten, das ich für RV zusammengefasst habe. In einer kurzen Variante findet es sich auch auf der Webseite, für die die beiden Autoren arbeiten.

 

Verwurzelt in der Tradition der Kirche

 

Zwei Dinge möchte ich hervorhzeben: Zum einen, wie wichtig die Tradition für den Papst ist. Die ganzen Vorwürfe gegen ihn wurzeln ja meistens darin, dass man meint, der Papst würde Neuerungen einführen, vom Papst der Freiheit (Johannes Paul II.) zum Papst der Bevormundung (Franziskus) und so weiter, wie oben im „journey from …“ angedeutet. Der Gipfel war während und nach dem Treffen mit den Volks-Bewegungen im vergangenen Jahr zu spüren, von denen einige wirklich politisch sehr links anzusiedeln sind.

Dagegen führt der Papst aber die Tradition der Kirche an. Es ist schon ein wenig witzig: All denen, die den Papst mit Blick auf die Tradition zurechtweisen wollen, sagt Papst Franziskus, dass es durchgehend durch die Geschichte eine klare Linie in Bezug auf den Umgang mit Armen gegeben habe. Er beginnt im zweiten und dritten Jahrhundert und arbeitet sich sozusagen bis Benedikt XVI. durch.

Unsere Wirtschaft mag sich in den vergangenen Jahrhunderten gewandelt haben und die Kritik heute anders klingen, aber sie geht zurück auf die frühe Kirche, ja auf das Evangelium selbst. Wer will, dass der Papst die Klappe hält, wie ein unerleuchteter US-katholischer Journalist zu meinen glaube, möchte schicht dass die gesamte Tradition der Kirche die Klappe hält und nicht beim Geldverdienen stört.

Das zweite, was ich betonen möchte: Die klare Aussage, dass es kein unbedingtes Recht auf Eigentum gibt. Wichtig ist die Qualifikation „unbedingt“, Eigentum ist also ein Recht, aber es steht nicht alleine und absolut, sondern bezieht sich auf die Anderen, das Gemeinwohl oder wie auch immer man das definieren will. In der deutschen Verfassung findet sich der Gedanke, dass „Eigentum verpflichtet“, aber die Gedanken, die Papst Franziskus von Papst Paul VI. übernimmt, gehen um einiges weiter. Es geht darum, dass niemand das Recht haben kann, Güter für sich zu behalten, wenn jemandem anderen etwas fehlt. Dort endet das Recht auf Eigentum. Weiterlesen “Kein unbedingtes Recht auf Eigentum”

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Interview, Kirche und Medien, Neulich im InternetSchlagwörter Argentinien, diese Wirtschaft tötet, Eigentum, Evangelii Gaudium, Franziskus, Kirchenväter, Papst, Paul VI., Pius XI., Wirtschaft54 Kommentare zu Kein unbedingtes Recht auf Eigentum

Die soziale Dimension des Evangelisierens

Veröffentlicht am 25. Oktober 20146. Oktober 2014

Drei Mal war ich in diesem Jahr in München und Freising, um jeweils einen Einkehrtag zu geben, die beiden ersten Male habe ich meinen Text danach hier eingestellt, das will ich – mit etwas Verspätung durch die Synode -mit diesem Impuls ebenfalls tun.

 

Ein Drittel: Das ist in etwa der Umfang des Kapitels „Die soziale Dimension der Evangelisierung“, also des vierten Kapitels, in Evangelii Gaudium. Damit ist es das längste Einzelkapitel des gesamten Textes.

Das mag erst einmal nicht überraschen, haben wir den Papst doch als jemanden kennen gelernt, dem die soziale Komponente – ganz allgemein – sehr am Herzen liegt. Ein Papst der ins Gefängnis geht und jungen Menschen die Füße wäscht, der Menschen mit Behinderung umarmt und dessen erste Reise nach Lampedusa ging, um die Flüchtlinge zu besuchen.

Und in diesem langen Kapitel sind Sätze wie „Diese Wirtschaft tötet“ und die vier Neins zur sozialen Ungleichheit noch nicht einmal dabei. Wenn wir also die vielen Gedanken, die zu diesem Punkt noch dazu gehören, einbezieht, dann wird dieser Umfang also noch einmal beträchtlich erweitert. Die soziale Dimension ist einer der Schwerpunkte dessen, was Papst Franziskus uns mit Evangelii Gaudium auf den Weg geben will.

Und dem möchte ich mich in diesem Impuls annähern.

 

Evangelisieren ist ein Tun

 

Eine kleine begriffliche Unterscheidung vorab: Papst Franziskus spricht nicht von der sozialen Dimension des Evangeliums, sondern von der sozialen Dimension der Evangelisierung. Ein kleiner, feiner und für uns hier heute wichtiger Unterschied. Er verweist auf uns selbst zurück, wir sprechen nicht analytisch oder exegetisch über die Lehre Jesu, sondern über unser Tun. Über uns. Es geht um uns.

Vielleicht ist das überhaupt die Grundlinie, von der aus der Papst seine Gedanken spielt. In den ersten beiden Treffen hier habe ich das ja bereits auszulegen versucht, wer das nachlesen möchte, der kann das gerne auf meinem Blog tun. Wenn der Papst mir mal eine Atempause lässt, schaffe ich es vielleicht sogar einmal, ein Buch daraus zu machen. Aber das ist Zukunftsmusik. Zurück zu unserem Thema.

Ich möchte in diesem Impuls die einzelnen Elemente aufgreifen, die uns verstehen lassen können, worum es dem Papst geht. Aber wie ich am Anfang schon gesagt habe, dass es um unser Tun geht, muss ich jetzt anfügen, dass das Verstehen nicht ausreicht. Papst Franziskus will uns zum Tun und Denken und Handeln und Beten und schlichtweg zu einer Umkehr einladen. Evangelii Gaudium ist wie Jesus, der den Menschen zuruft „Metanoete, metanoete! Kehrt um!“ Evangelii Gaudium hat mir beim Beten und Meditieren sogar das Bild dieses zur Umkehr einladenden Jesus verwandelt: Ich sehe keinen Propheten mehr, ich sehe einen lächelnden Jesus: Evangelii Gaudium. Weiterlesen “Die soziale Dimension des Evangelisierens”

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und VernunftSchlagwörter Debatte, Evangelii Gaudium, Franziskus, Markt, Medien, Streit, Wirtschaft15 Kommentare zu Die soziale Dimension des Evangelisierens

Tötende Wirtschaft und die Mystik der offenen Augen

Veröffentlicht am 2. Oktober 201430. September 2014

Skript eines Vortrages, den ich am 1. Oktober in Bad Honnef gehalten habe. Thema: Die Soziallehre von Papst Franziskus. Natürlich habe ich ihn nicht genau so gehalten, live ändern sich Texte bei mir immer. Aber als Angebot zum Nachlesen stelle ich das einmal ein.

Beginnen muss ich natürlich mit dem Satz, der wie kein anderer das soziale Denken dieses Papstes in der Öffentlichkeit bezeichnet hat: „Diese Wirtschaft tötet“. Ein Satz, der ein großes Echo gefunden hat, laut in den USA, fragend in den Wirtschaftsteilen der hiesigen Tageszeitungen, jubelnd in anderen Teilen der Welt.

„Diese Wirtschaft tötet“. Eine „Breitseite gegen die Marktwirtschaft“ sei dies, war die ersten Überschrift, die ich selber zu diesem Thema gelesen habe. In einem Kommentar – und es lohnt sich hier, besonders auf die USA zu schauen – kommentiert der Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput: „Wenn wir an ‚Wirtschaft‘ denken, denken wir Effizienz und Produktion. Wenn Franziskus an ‚Wirtschaft‘ denkt, denkt er an menschliches Leiden.“ Wir könnten hinzufügen: Wenn wir an ‚Wirtschaft‘ denken, denken wir an soziale Marktwirtschaft. An Balance, an Lehren aus den Ausbeutungen, an Mitbestimmung und so weiter. Da klingen die Klagen dieses Papstes fremd. Lateinamerikanisch halt.

 

Die Logik der Leistungsgesellschaft

 

In den „Stimmen der Zeit“ gab es vor einiger Zeit (8/2014) einen Artikel über das „unternehmerische Selbst“. Wir sollen uns als Unternehmerinnen und Unternehmer unserer selbst verstehen, dies sei die Logik unserer Leistungsgesellschaft. Die dem zu Grunde liegenden sozialen Prozesse werden als Individualisierung und Ökonomisierung beschrieben.

Ich nenne das nur um zu zeigen, dass so weit weg die Kritik des Papstes an unserer Wirtschaft dann doch nicht ist. Der Wirtschaftsteil der FAZ – nicht wirklich ein wirtschaftskritisches Blatt – hatte sogar einen Artikel unter der Überschrift „Wie wir lernten, die Banken zu hassen“. Eine Abrechnung mit der Unfähigkeit des Finanzsektors, sich selbst zu regeln. Maximalprofit ohne Rücksicht auf Verluste wurde dort angeklagt.

Ein anderer Artikel in derselben Zeitung beklagt, dass die Kirche die Reichen verachte. Den Armen sei dadurch aber noch längst nicht geholfen. Er unterstellt sogar der theologischen Tradition, aus der der Papst kommt, den Armen gar nicht helfen zu wollen, denn schließlich gehöre ihnen ja das Himmelreich. „Sozialistische Umwälzung“ wird befürchtet, nicht Hilfe sondern Almosen könne diese Sichtweise bieten. „Der Papst irrt“ hieß es in der Süddeutschen Zeitung, er bediene nur Ressentiments. Im selben Ton heißt es in einer christlichen Zeitung, der Appell des Papstes sei „christliche Brauchtumspflege“.

 

„Der Papst irrt“

 

Andere weisen auf eher einzelne Aussagen des Papstes hin, die in der allgemeinen Aufgeregtheit eher untergehen, etwa die positive Würdigung von Unternehmern, immer wieder, von Arbeit, von Wirtschaftswachstum. Ja, auch das gibt es von Papst Franziskus zu hören, wenn es auch meistens nicht durch die medialen Filter passt (außer natürlich bei Radio Vatikan).

Ich darf rein zur Belustigung noch Titel anfügen wie „would someone just shut up that pope?“ oder „Jesus Christ is a Capitalist“, oder historische Analysen, wie der Vatikan von Anti-Kommunismus unter Johannes Paul II. hin zu Anti-Kapitalismus geschwappt sei. Nur zum Vergnügen hier unter uns, denn wirklich ernst zu nehmen ist das nicht. Weiterlesen “Tötende Wirtschaft und die Mystik der offenen Augen”

Kategorien AllgemeinSchlagwörter Armut, diese Wirtschaft tötet, Finanzwelt, Franziskus, Frieden, Geld, Globalisierung, Herrschaft, Soziallehre, Welt, Wirtschaft2 Kommentare zu Tötende Wirtschaft und die Mystik der offenen Augen

Und sie läuft und läuft

Veröffentlicht am 8. Dezember 2013

Die Debatte geht weiter: Evangelii Gaudium hat etwas in Bewegung gesetzt. Man spricht über den Papst, die Weltwirtschaft, das Funktionieren des Wirtschaftssystems, die Perspektive derer am Rande und die Frage, ob sich nicht grundsätzlich etwas ändern muss. Das Neue daran ist, dass über die Inhalt gesprochen wird. Natürlich macht der Blick auf die geistig eher einseitig gebauten Beiträge, die ich zuletzt gepostet habe, ein wenig Spaß. Grundsätzlich aber bin ich sehr überrascht, wie ernsthaft über das Thema gesprochen wird.

Von einem Bekannten habe ich neulich gehört, dass dieser Papst von ihm keine Spende bekommt. Er hat eine kleine Firma, die er über lange Zeit aufgebaut hat und das innerhalb des Systems. Ich glaube auch, dass er das verantwortungsbewusst tut, Umwelt und Mitarbeitern gegenüber. Der fühlt sich nun gelinde gesagt missverstanden und wendet sich ab. Aber: Er debattiert weiter. Sein Abwenden ist nicht vollständig, es lässt den Stachel zurück. Und das will ja Papst Franziskus, wenn ich ihn richtig verstehe: „Der Papst will diskutieren” sagt Marc Beise in seinem Videoblog. Er hatte in der Süddeutschen Zeitung den Artikel „Der Papst hat Unrecht“ geschrieben und nun führt er die Debatte weiter, wo gleichzeitig jemand aus der Chefredaktion – Heribert Prantl – einen Artikel schreibt, dass der Papst doch recht hat.

Mir bereitet das ein großes Vergnügen. Die Debatte zu einem der wichtigsten Fragen der Welt will einfach nicht aufhören. Man beteiligt sich, man mischt sich ein. In dieser kleinen Ecke des Internets habe ich sicherlich nicht die Kompetenz, zu wirtschaftlichen Fragen einigermaßen tragfähige Aussagen zu machen, und deswegen halte ich mich auch zurück. Aber ich freue mich, dass Papst Franziskus auf eine Weise Ernst genommen wird, wie wir es lange nicht mehr hatten. Er ist eben nicht der pastorale nette ältere Pfarrer auf dem Papstthron.

Gleichzeitig – und dies als Nebenbemerkung in Sachen Medienbeobachtung – läuft die Paralleldebatte zur Frage, was tun mit den Banken. Wenn selbst in wirtschaftsfreundlichen Medien nach staatlicher Regulierung der Banken gerufen wird, dann ist das ein deutliches Zeichen, dass hier etwas im System oder in der Regelung des Systems völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Gier und Verantwortungslosigkeit, Verlust von Grundvertrauen, Manipulation der Referenzwerte um noch mehr Geld in Boni an die Manipulateure ausschütten zu können, das sind nur einige der Feststellungen.

Man sein, dass es zu billig ist, jetzt die Papstworte als emotionale Aufreger zu benutzen, weil man das Gefühl hat, sich gegen „die Großen“ eh nicht wehren zu können. Darum geht es Franziskus aber auch nicht, er will keine globale „Occupy“ Bewegung in weiß. Aber die Redaktionen auf seinen Text zeigen, dass eine ernsthafte Debatte notwendig ist, und wenn es keinen Skandal gibt wie gerade mit den Banken dann muss es eben die Kirche sein, welche diese Debatte lostritt. Jetzt muss es nur noch gelingen, die Einzeldebatten zusammen zu führen.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Kirche und MedienSchlagwörter Debatte, Evangelii Gaudium, Franziskus, Markt, Medien, Streit, Wirtschaft23 Kommentare zu Und sie läuft und läuft

Option für den Markt? Option für die Armen!

Veröffentlicht am 3. Dezember 2013

Mit seiner Kapitalismuskritik hat Papst Franziskus Wellen geschlagen. Während die ersten Schlagzeilen vor allem „Reform des Papsttums“ in die Aufmerksamkeit gehoben haben, sind es mittlerweile in den analytischen Stücken in den Medien die sozialen und wirtschaftlichen Themen von Evangelii Gaudium, die das Interesse und die Widerspruch wecken.

Der Vorwurf: Eine so radikal gegen den Markt gerichtete Utopie von Brüderlichkeit richtet sich gegen Kreativität und Unternehmertum, die erst die Linderung von Armut ermöglichen. Oder: Die Kirche habe immer ein gebrochenes Verhältnis zum Privateigentum gehabt, die päpstlichen Schreiben seit über 100 Jahren würden das belegen. Analyse: Papst Franziskus sei von einer „spätmarxistischen“  Theologie der Befreiung geprägt, die Nuancierungen in diesem Bereich nicht zuließe. Die Kirche als Anwalt der Armen in Lateinamerika spräche nun die Sprache der Weltkirche, eine kulturelle Prägung durch den Kontinent wird angenommen und verabsolutiert. Das Resultat: Franziskus wolle keine Entwicklung, sondern Almosen.

 

Der Markt hilft den Armen!?

 

Der Vorwurf: Märkte können, wenn sie funktionieren und man keine Sozialideologien einfüge, Armut lindern. Und die Zahlen belegen das ja auch. Ich habe hier vor einigen Tagen einen schwedischen Professor gepostet, der in seinen Statistiken genau das zeigt: Abnahme von Armut lässt sich zeigen und hat mit Wirtschaft zu tun. Also scheint der Vorwurf an den Papst zunächst einmal zu stimmen.

Und aufs erste würde ich sogar zustimmen: Wenn man Wirtschaft und Entwicklung analysiert, dann muss man genau auf die Zahlen schauen, eine ideologisierte Einstellung bringt gar nichts, auch den Armen nicht (nebenbei: der Papst spricht sich immer mal wieder auch gegen die Ideologisierung der Armut aus).

Dann aber muss auch gesagt werden, dass der Papst – und die Päpste vor ihm seit Leo – keine Wirtschaftsanalysen vorlegen. Sie benennen, was sie sehen. Und bei Papst Franziskus ist das noch einmal verstärkt: Die Option für die Armen hat nichts mit Spendenaufkommen oder Almosen zu tun, es hat etwas mit dem Blick auf die Welt zu tun. Es geht um Epistemologie, um die Perspektive, die wir einnehmen, um die Welt zu erkennen. Und die Perspektive – da ist der Papst ohne jede Zurückhaltung – muss die Perspektive derer sein, die nicht beteiligt sind am Wohlstand. Weiterlesen “Option für den Markt? Option für die Armen!”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und MedienSchlagwörter Entweltlichung, Evangelii Gaudium, Franziskus, Ideologie, Markt, Option für die Armen, Wirtschaft15 Kommentare zu Option für den Markt? Option für die Armen!

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