Seine Energie ist kaum auszuhalten. Er sprüht von Positivität, vom Lust am Leben, er ist begeistert von Menschen und seiner Aufgabe: Pater Juán Fernando López Pérez SJ. Er ist auf den Flüssen des Amazonasgebietes unterwegs, immer im Boot, Kirche unterwegs sozusagen, aber er selber nennt es noch anders: Pilger sein.
Fernando ist Jesuitenpater, so sind wir beide schnell beim Insider-Sprech, das haben ja alle Gruppen so. Und er sagt, dass vom Ursprung unseres Ordens diese eine Dimension, die Ignatius so wichtig gewesen sei, verschwunden sei. Das Pilgern. Immerhin trägt der Text, den er vor seinem Tod diktiert hat, den Titel „Bericht des Pilgers“.
Kirche unterwegs
Es brauche Institutionen, es brauche das Mitleben, aber es brauche eben auch das Unterwegssein, so erklärt es Fernando mir. Die drei gehörten für die Kirche zusammen. Aus seinem Mund hört sich das etwas ausgedacht an, aber ich nehme es ihm sofort ab. Und genau das wolle er leben, das Pilgern. Das Unterwegssein.
Wir begegnen uns im Hof eines kleinen Pfarrhauses, zusammen mit anderen Priestern aus der Region. Und die erzählen von ihrer Arbeit. Sofort wird klar, wie sehr Pater Fernando das was er tut und will reflektiert. Ich sitze neben ihm und kann diese positive Energie fast spüren.
Er mag Menschen
Selbst wenn er schimpft und in Tiraden über den Vernichtungsfeldzug des Kapitals herzieht, bleibt er positiv. Und zwar weil er die Menschen mag. Bei aller Reflektiertheit ist es dieses Mögen, die man ihm in seiner Energie anmerkt. Das Pilgern ist vor allem das: Menschen treffen, Menschen kennen lernen. Interessiert sein, helfen und zuhören.
Fernando steigt in ein Boot, das ist seine Arbeit. Er fährt dorthin, wo sonst Kirche nicht hin kommt. Und das nicht alleine, es sind Gruppen unterwegs, Ordensleute und Laien gemeinsam. Am Anfang habe sein Oberer ihm gesagt „fahr los und in drei Monaten sehen wir uns alle hier wieder und berichten“, daraus seien nun 21 Jahre geworden. Er sei „auf den Füßen geboren“ worden, so sagten es seine beiden leiblichen Brüder (die auch Jesuiten geworden sind).
20 Jahre unterwegs
Spannend wird es, wenn er von der Doppelabsicht dieser Bootsreisen erzählt. Zum einen will er Menschen begegnen, Dörfer besuchen. Dann will er aber auch diejenigen schützen, die genau das nicht wollen: Begegnung. „Indigenous Peoples in Voluntary Isolation“ nennt man sie international, PIAV (weil ja alles abgekürzt daher kommen muss. Menschen, die zwar um die Umwelt und die Gesellschaft wissen, die Helikopter oben sehen und ab und zu Weiße im Urwald, die aber damit nichts zu tun haben wollen.
Nicht alle davon sind bekannt, und man kann ja auch schlecht herumfahren und alle fragen, ob sie wollen oder nicht. Wenn sie also Anzeichen finden für eine solche abgeschiedene Gesellschaft, dann werden die Koordinaten aufgezeichnet und dem Staat gemeldet, der sie dann schützen muss. Ansonsten hält man sich fern von ihnen.
Schutz der Schwächsten
Der Pilger lebt also nicht nur von der Begegnung, sondern auch von der (Nicht-)Begegnung mit denen, die solch eine Begegnung nicht wollen. Er lebt von der Begegnung mit dem Willen, allein bleiben zu wollen. Er lebt vom Schutz derjenigen, die sich selber nur dadurch verteidigen können, dass sie sich der Begegnung entziehen.
Pater Fernando spricht schneller, wenn er davon erzählt. Ich nehme mal an, dass ich nicht der erste bin, trotzdem ist seine Begeisterung zu spüren, die Energie die diese Reisen ihm geben. Es ist schon wahr, das Pilgern und die Kirche unterwegs verändert nicht nur die Besuchten, sondern vor allem und sogar zuerst den Pilger selber. Das ist ja der ganze Trick dabei. Sich selber und seinen Glauben prägen lassen vom Unterwegssein, das kann man bei Pater Fernando geradezu anfassen, so physisch ist das.
Er will auch gar nichts anderes machen. Obwohl in Spanien geboren ist er in Paraguay in den Orden eingetreten, der Orden könne ihn also gar nicht nach Hause holen, er sei hier zu Hause, sagt er schmunzelnd. Er singt das Lob der Einfachheit, unser leben müsse einfacher werden – und wenn er „uns“ sagt, spricht er von uns Europäern, zu denen er selber ja auch gehört. Einfacher, damit einfach alle Menschen lebeneinander leben können.
Das trinitarische Prinzip
Und während wir reden, kommt er immer wieder auf die Synode zurück: „Die große Herausforderung ist, nichts zu romantisieren. Wir brauchen Einheit in Verschiedenheit, nicht in Gleichheit. Die indigenen Völker bringen uns bei, in Verschiedenheit miteinander zu leben. Jetzt ist die Frage an uns, ob wir uns helfen lassen von den indigenen Völkern, diese Logik der vereinten Verschiedenheit zu sehen, das ist die große Herausforderung.“
Und da kommt auch wieder das Reflektierte in Fernando heraus: „Ich nenne das mal das Trinitarische Prinzip, je größer die Verschiedenheit untereinander desto göttlicher ist die Einheit. Die Kirche muss neu die Verschiedenheit verkörpern.“
Fernando ist nun wieder auf den Flüssen unterwegs. Pilgernd. Gott in den Menschen begegnend. In der Verschiedenheit der Menschen.