Nichts Neues, aber immer wieder neu: Es ist merkwürdig, wenn man eines dieser längeren Papstinterviews liest. Vergangene Woche war es wieder soweit, La Stampa hatte den Papst interviewt. Hauptthemen waren Europa und der Dialog, und die Amazonassynode. Wobei beide Themen weit umkreist wurden, es ging um Politik, Flüchtlinge, Nationalismus, Proteste, Umweltschutz, Schöpfung und vieles mehr.
Aber Hauptpunkte waren eben der Dialog und die Schöpfung anhand der Synode. Insgesamt alles Ideen, die wir alle irgendwie schon einmal gehört oder gelesen haben. Aber die in der Zusammenstellung dann doch wieder ein genuiner Beitrag des Papstes zur Debatte sind.
Immer wieder neu
Kennen Sie die Kunst von Jean Tinguely? Wie die auf dem Foto oben. Wobei, Fotos passen nicht mal annähernd. Bei Tinguely klappert es, es bewegt sich, es ist laut und lustig, aber produziert wird nichts. Das ist Bewegung um der Bewegung willen, zwar gibt es immer Neues zu entdecken, je nach Perspektive ergibt sich ein ganz neues Kunstwerk, aber eben nichts Neues.
Nicht wenige denken von Papst Franziskus, dass er genau so sei wie ein Kunstwerk von Tinguely. Viel Aktivität, aber nichts kommt dabei heraus. Faszinierend, interessant, spannend gar wenn man sieht was da alles ineinander greift und wie auf was einwirkt. Aber es werde eben nichts verändert. Und so spräche – so übertrage ich das einmal – Papst Franziskus mal wieder im Appell-Charakter über Dialog und so weiter, aber wirklich produziert würde nichts.
Verändert sich eigentlich was?
Nein, das ist kein Tinguely-Papst. Aber er ist eben auch kein Umwerfer. Er entzieht sich dem Effizienz-Denken. Und ist auch niemand, der erst mal in Strukturen denkt (was ihn vor allem den Deutschen ineffizient erscheinen lässt).
Nehmen wir das Interview in La Stampa: die Themen sind nicht neu, aber in der Zusammenstellung wird eine Konversation daraus. Wer sich Neuheit erwartet, News, wer nur auf den skandalträchtigen Nebensatz wartet, der wird enttäuscht. Oder nein, dann doch nicht, als Lateinamerikaner nicht unbedingt mit deutschen Sensibilitäten ausgestattet wagt er, sich an Hitler erinnern zu lassen.
Aufgeregtheiten beiseite
Aber lassen wir die kleinen Aufgeregtheiten beiseite, dann bieten sich einige Themen an. Europa und der Dialog zum Beispiel. Es gebe zu viel Monolog, zu wenig Offenheit für andere Kulturen. Identität dürfe nicht abschließen, sondern brauche die Offenheit für andere Identitäten. Nationalismus – die organisierte Form des Abgeschlossenseins – führe letztlich zum Krieg. An dieser Stelle muss man den „Dritten Weltkrieg in Stücken“ mitdenken. Populismus? „Dasselbe“
Thema Zwei ist Migration und Flucht: Sein Aufruf zur Kreativität im Umgang ist auch ein Abweisen der schnellen und vermeintlich klaren Lösungen, geschlossene Häfen und so. Die von ihm konkret genannten Ideen lassen sich nicht ohne weiteres auf unsere Länder übertragen, aber hier in Italien gibt es da schon einige Beispiele.
„Das Kind von Laudato Si‘“
Und das dritte Thema: Die Synode, „das Kind von Laudato Si‘“, wie er es nennt. Keine „grüne“ Enzyklika habe er geschrieben, sondern eine Sozialenzyklika, und auch bei der Synode gehörten Armutsfragen und Umweltfragen zusammen. Die Schöpfung Gottes lässt sich eben nur als Gesamt betrachten, wie auch die Umweltfrage Auswirkungen habe auf die sozialen Fragen.
„Absolut nicht“: seine Antwort auf die Frage nach den Viri Probati bei der Synode. Er will seine Synode nicht auf wenige Aufreger-Themen beschränkt sehen, eine Taktik die Freund und Feind gerne bemüht um das Projekt Synode zu unterlaufen und in die eigene Richtung zu drehen.
Keine News für die Kollegen
Das wären sie also, die Themen des Interviews. Keine News für die Kollegen. Aber etwas Anderes. Nämlich eine Konversation. Und deswegen immer wieder neu. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann geht das nur über Änderungen von Haltungen. Und das geht nur über Dialog, über Gespräch, über Konversation.
Die bietet der Papst an. Seine Ideen kommen in Wellen, etwas ist wichtig und wird über einige Wochen immer wieder genannt, dann flaut die Intensität ab, um danach wieder in neuen Zusammenhängen genannt zu werden. So setzt der Papst seine Themen und so pflegt er sie.
Wer das Spektakuläre sucht oder nur auf Kontrast setzt, wird mit ihm nicht glücklich. Wer den Machtgestus will, auch nicht. Der Papst hat seine Ideen, wie gesagt in Wellen. Nachhaltigkeit im Wandel – so scheint er uns sagen zu wollen – gelingt nur über tiefgreifenden Wandel, eben über die haltung. Oder religiös gesagt (immer wieder auch vom Papst): über Bekehrung.
Steter Tropfen hingegen bringt was. Konversation, Dialog, immer wieder vorbringen. Der Mensch lernt halt nicht durch Variation, sondern durch Wiederholung. Eine Pädagogik, die Papst Franziskus beherrscht. Wenn wir denn mitmachen wollen.