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Kategorie: Sprechen von Gott

In Memoriam Klaus Berger

Veröffentlicht am 10. Juni 2020
ein großer Sprecher von Gott Klaus Berger 2017 bei einem Vortrag an der Universität Gregoriana in Rom

Und wieder geht ein großer Sprecher von Gott. Klaus Berger, Exeget, Frager, Schreiber, Sprecher, starb am vergangenen Montag. Unbequem war er und immer eine Bereicherung. Nie um ein Wort verlegen, gerne auch blumig und kantig, so hat er sich jahrelang zu Jesus und Kirche und Theologie geäußert. Gemeinsam mit seiner Frau hat er eine eigene Übersetzung des NT heraus gebracht, in eigener Reihenfolge der Texte und samt der Apokryphen. Da war keine Scheu in ihm, die ihn vor solch einem Werk zurück gehalten hätte.

In den vergangenen Jahren hatte ich mehrfach das Vergnügen, in kleinerem Kreis mit ihm zu tun zu haben. Ein anstrengendes Vergnügen war es, man konnte sich wunderbar an ihm reiben und irgendwie hatte ich auch immer das Gefühl, dass das auch seine Absicht war. Nicht abschauen, nicht ablesen, sondern selber denken.

Ein großer Sprecher von Gott

Dazu verwirrte er gerne. Mit Worten zum Beispiel: „Es herrscht ein bestimmtes Jesusbild vor, dass immer noch den Schlafzimmern des 20. Jahrhunderts entstammt”, so in einem Interview in Rom. Der Jesus, von dem er sprach, war einer, der „wirklich Neues [bringt], was häufig ja verschüttet ist, nicht zuletzt durch die dogmatischen Handbücher, durch die Katechismen und durch die Praxis der Kirchen.“ Und das Neue machte er sichtbar, in dem er das Alte aufrüttelte und durchschüttelte.

Hagenkord: Was würden Sie denn sagen, wie man sich Jesus nähern kann?

Berger: „Indem man anhand von Texten gnadenlos fragt: Wie soll ich das verstehen? Es geht zunächst um das Verstehen eines Fremden, der fremd geworden ist und in anderen Jahrhunderten wahrscheinlich nicht weniger fremd war (..). Es geht um die Begegnung mit einem, der fremd ist und diese Begegnung macht einen schon heiß, wenn man kurz davor ist, etwas davon mit zu bekommen. Es ist wie beim Topfschlagen (…), Theologen können helfen aber die Menschen müssen den entscheidenden Schlag selber machen. Wirkliche Begegnung mit Gott.“

Hagenkord: Bleibt uns der Jesus aber nicht doch auch nach allem Erklären und dann Nachfragen letztlich fremd?

Berger: „Ich finde, dass man jeden Tag gespannt sein darf, was man an genau diesem Tag aus dem Text herausfindet. Das ist bei manchen Texten manchmal ohne Ergebnis, dass man nichts findet, aber meistens ist es doch so, dass man weiter geführt wird, wirklich weiter geführt wird, so dass Jesus nicht fremd bleibt, sondern neue Eigenschaften von sich zeigt. Genau wie meine Frau auch. Meine Frau liebe ich in vergleichbarer Weise, dass ich gespannt bin, was ich heute an ihr entdecken kann.“

Hagenkord: Ruhe und beruhigt sein ist das Gegenteil von Bibellektüre?

Berger: „Ja. Man muss bereit sein, sich überraschen zu lassen und bereit sein, die liebsten Überzeugungen aufzugeben.“

Kirchlich, bildreich, liturgisch

Dabei war Berger immer auch kirchlich. Verwirrend kirchlich, eine Zeit lang wurde eifrigst spekuliert, ob er nun katholisch oder evangelisch sei, Klarheit und kirchliche Eindeutigkeit im Rahmen der Konvention war seine Sache nicht. Und liturgisch war er, da lag seine Bindung an den Orden der Zisterzienser, die ihm wichtig war und die ihn geprägt hat.

Er war ein Mann der Sprache, nicht nur der überlieferten. Seine eigene war bildreich. Ob er nun biblische Theologie mit Geflügelsalat verglich oder in ruhigen aber bestimmten Tönen über die Theologie schimpfte, die Jesus verharmlose. Nicht zuletzt deswegen war es stimmig, dass er sich zuletzt ausführlich dem bildreichsten Buch des Neuen Testamentes gewidmet hat, der Offenbarung des Johannes. „Die Kirche des Wortes lebt in der Welt der Bilder“, so Berger.

Ein großer Sprecher von Gott war er. Und sein unbequemes sprachlich anstrengendes Aufrütteln wird uns fehlen.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Geschichte, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Exegese, Jesus, Klaus Berger, Neues Testament, TheologieSchreiben Sie einen Kommentar zu In Memoriam Klaus Berger

Titel, Esel und das leere Grab

Veröffentlicht am 18. April 202015. April 2020
Ostern zu Coronazeiten Ist diese Architektur Auferstehungssymbolik? Oder Machtsymbolik?

Was für eine Auferstehung war das jetzt? Ich meine dieses Jahr, dieses Osterfest, unter diesen Umständen? Ostern zu Coronazeiten ist ja ein anderes Ostern als sonst. Und dieser Jesus, der als Auferstandener Menschen begegnet, begegnet uns anders als sonst.

Mehr noch als sonst ist mir an diesem Fest aufgefallen, wie stark der Gegensatz zwischen Allmacht und Demut ist. Der Tot kann Christus nicht halten, aber trotzdem kommt er nicht wieder in Macht und Glorie, sondern zuerst unerkannt – obwohl seine Jüngerinnen und Jünger ihn doch kennen müssten – und werbend. Nicht Überwältigend.

Ostern zu Coronazeiten

Das ist ein Bruch, der schon das gesamte Leben Jesu über erzählt wurde, angefangen von Betlehem. Aber nirgendwo wird der Gegensatz so krass wie zum Osterfest. Die Allmacht die stärker ist als alle Negation des Lebens agiert nicht in größerer Stärke. Sondern bleibt dem treu, wie sie sich zuvor gezeigt hat und was Jesus gelehrt hat: Barmherzigkeit. Gemeinschaft. Verkündigung.

Mir ist das besonders aufgefallen, weil es vor dem Fest eine kleine Debatte gab, auf den üblichen Debattenplattformen. Vor Ostern noch, wenige Tage vor dem Evangelium des Einzugs Jesu in Jerusalem auf einem Esel, kam es zu einem der üblichen Bergoglio-Skandälchen.

Da war im Annuario, also im Namen und Positionen in der katholischen Kirche angebenden dicken roten Jahrbuch auf der wichtigen ersten Seite auf einmal „Jorge Mario Bergoglio“ zu lesen. Nicht mehr die Titel, die wie Banner vor der Person hergetragen wurden und einer nach dem anderen Amt und theologische Macht verkündeten. Sondern der Name der Person. Da stand nicht mehr „Stellvertreter Christi“ und so weiter, sondern der bürgerliche Name des Inhabers des Amtes ganz oben.

Kein Titel, sondern der Name

Was umgehend von den üblichen Verdächtigen zur „theologischen Barbarei“ erklärt und dadurch zum „Skandälchen“ geadelt wurde.

Die Sache mit dem Esel und Jesus spielt dabei eine Rolle. Ist doch der Esel das vierbeinige Symbol dafür, eben nicht mit klirrenden Waffen in eine Stadt einzuziehen, nicht mit darstellerischem Pomp. Nicht mit Banner-Titeln. Er gehört zu Till Eulenspiegel mehr als zum Fürsten. Was Napoleon genau wusste, der sich einem Esel bei der Überquerung des Großen Sankt Bernhard anvertraute, sich dann aber von J.L. David auf einem schwarzen Kraft strotzenden Hengst malen ließ.

Symbole der Auferstehung

Die Symbole der Macht verschwinden immer mehr in der Selbstdarstellung des Papstes. Was auch während der Osterliturgien mehr als nur deutlich wurde, finde ich. Da ist immer noch viel dran, wo wir aus der Ferne Hofstaat sehen, aber der Papst setzt da seinen Weg konsequent fort.

Zurück zum Osterfest: da ist ja auch eine Menge Symbolik. Und auch Symbolik der Macht, schauen wir alleine auf unsere Kirchen. Gebaut als Verehrung einer Wirklichkeit, die größer ist als all unsere, wirken sie manchmal dann doch wie die Verherrlichung derer, die sie gebaut haben. Jedenfalls uns heute.

Die Auferstehungs-Sprache

Auch die Sprache die wir nutzen, wenn wir vom Auferstandenen sprechen, ist symbolisch aufgeladen. Schon in der Bibel selber ist es so.

Ostern sagt uns aber auch – und sagt uns in diesem Jahr in einer ganz besonderen Färbung – dass wir uns von dieser Symbolik nicht verwirren lassen dürfen. Auch wenn es schwer fällt, auch wenn es überfordert, aber der Gott der Macht begegnet eben nicht in Macht-Gesten, sondern im Unbekannten, überhaupt in Begegnungen.

Zeit, den Auferstandenen neu zu entdecken.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Auferstehung, Corona, Glaube, Kirche, Macht, Symbolik11 Kommentare zu Titel, Esel und das leere Grab

Plage, Sünde und das Kreuz: Wie Gott handelt

Veröffentlicht am 10. April 202010. April 2020
Gott wirkt Gesundheit Symbol unseres Glaubens: Kreuze im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg

Mit Krankheiten war es mal einfacher: Moses richtet in der Wüste eine Schlange auf, eine bronzene mitten im Lager. Und die Menschen, getroffen von einer Plage, wurden gesund, sobald sie diese Schlange anschauten. Gott wirkt Gesundheit. Diese Schlange hat es bis heute ins Logo der Ärzte und Apotheker geschafft, in Verschmelzung mit dem Stab des Äskulap.

Immer wieder meckert Israel und wendet sich gegen Gott, auf dem Zug durch die Wüste muss Mose immer wieder einschreiten, oder Gott selbst ist es, der straft. Unter anderem mit einer Plage. Die von Gott befohlene Schlange wird zur Hilfe gegen eine von Gott geschickte Plage. Die Plage bleibt, nur gibt Gott auch die Rettung dazu.

Gott wirkt Gesundheit

Es ist nicht das einzige Mal, dass der Abfall des Volkes von Gott mit Krankheit bestraft wird. Die Bibel kennt da noch mehrere Erzählungen. Aber die Schlage im Lager Israels ist deswegen so spannend, weil sie es bis in unsere christliche Theologie geschafft hat. Die Textstelle aus dem Buch Numeri hat es in die Leseordnung zum Fest Kreuzerhöhung geschafft.

Die im biblischen Bericht durchscheinende naive Vorstellung von Krankheit als Strafe ist leider so weit weg nicht. Corona zeigt uns, dass diese Vorstellungswelt bis heute wirkt, und das in allen Religionen. Auch in der Kirche gibt es solche Stimmen, die angesichts der Angst und Sorge lieber von Sünde und Umkehr reden. „Die Coronavirus-Pandemie ist wie alle Krankheiten und der Tod selbst eine Folge der Erbsünde“, sagt Erzbischof Carlo Viganò. Nicht die erste wirre Aussage aus seinem Mund.

Straf-Pädagogik Gottes?

Kardinal Raymond Burke geht noch weiter: „Es steht außer Frage, dass große Übel wie die Pest eine Auswirkung der Erbsünde und unserer tatsächlichen Sünden sind. Gott muss in Seiner Gerechtigkeit die Unordnung, die die Sünde in unser Leben und in unsere Welt bringt, reparieren. In der Tat erfüllt Er die Anforderungen der Gerechtigkeit durch Seine überreiche Barmherzigkeit.“ Barmherzigkeit?

Nun ist auch das Neue Testament voller Verweise darauf, dass jemand wegen seiner Sünden krank wird oder nach deren Vergebung geheilt. Deswegen meint auch der deutsche Kardinal Paul Josef Cordes, eine Verbindung der Corona-Pandemie mit Sünde und Gott könne nicht ausgeschlossen werden. 

„Gott will das Gute!”

Und Cordes wendet sich ausdrücklich gegen eine Aussage seines Kardinals-Kollegen Angelo Scola, dieser würde „Gott das Strafen verbieten“, so Cordes über Scola.

Was hat Scola denn angeblich so schlimmes gesagt? Dies hier:

„Gott will das Gute! So sehr will er das Gute, dass er unser Übel, unsere Sünde, auf sich genommen und ans Kreuz genagelt hat. Er benutzt sie nicht als ein Element der Rache. Die Vorstellung von einer göttlichen Bestrafung gehört nicht zur christlichen Vision – auch nicht in so einer dramatischen Situation, wie wir sie gerade erleben. Natürlich ist das ein komplexes Thema, aber Gott greift nicht zur Bestrafung, um uns zu bekehren!“

Und hier sind wir beim Kern: dass die Geschichte von der Schlange auf dem Stab zum Fest Kreuzerhöhung gelesen wird, hat ja seinen Sinn. Denn Jesus hat eben nicht Plage gebracht, Sodom vernichtet, er hat nicht mit Macht gehandelt um Umkehr zu erzwingen.

Keine Macht, kein Zwang

Sondern er ist ans Kreuz gegangen. Das genaue Gegenteil von Macht. Er ist für uns von Gott zur Sünde gemacht geworden, formuliert es auf seine ganz eigene prägnante Art der Apostel Paulus (2 Kor 5).

Die Schlange am Stab weist also nicht auf den Tun-Ergehens-Zusammenhang hin, auf das quasi-erzieherische Strafen Gottes, sondern auf das Kreuz. Auf die bedingungslose Liebe Gottes.

Wir müssen aufpassen, wie wir in diesen Zeiten über Gott und Gottes Handeln sprechen, sagt Erzbischof Vincenzo Paglia (das letzte Zitat eines Bischofs in diesem Text, versprochen). Und sein Beispiel ist einleuchtend: Weil die Pandemie gerade auch diejenigen treffe, die eh schon am Rande seien, die Armen und Schwachen, wäre das zynisch, so von Gott zu denken.

Gott gibt sich am Kreuz zu erkennen

Wenn wir gerade heute an Gott denken, dann so, wie Gott selber sich zu Erkennen gegeben hat. Über das Kreuz. Das lässt die uns so sperrig erscheinenden Stellen der Bibel nicht verschwinden, auch das Sprechen über Sünde bleibt. Aber die Perspektive wird eine andere.

Und: das Kreuz erlaubt etwas nicht, was es leider in der Geschichte der Kirche bis heute – siehe oben – immer wieder gegeben hat, nämlich in seinem Namen Macht ausüben. Menschen zu zwingen, indem man dieses oder jenes zur Ursache erklärt. So geht Kreuz nicht. So geht Erlösung nicht.

So geht Erlösung

Heute, am Karfreitag, lesen wir vom Tode Jesu am Kreuz. Hier ist das Heilshandeln Gottes fokussiert. Nicht in einer Straf-Pädagogik, die letztlich vom Kreuz doch nur ablenken will. Wer angesichts menschlicher Not von Strafe und nötiger Bekehrung spricht, will letztlich das Kreuz nicht wahrhaben.

Sagt uns deswegen das Kreuz etwas über unsere Not? Ja. Gott zeigt sich uns in der Hingabe. Es gibt eben keine größere Liebe, als wenn jemand sein Leben hingibt für andere, heißt es im Johannesevangelium. Das macht Gott in uns möglich. Und das Kreuz erinnert uns daran, dass Gott selbst diesen Weg zuerst gegangen ist: „Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat“ (Joh 3).

Ich wünsche Ihnen gesegnete Kar-Tage, auch und gerade weil sie in diesem Jahr so ungewöhnlich sind. Vielleicht wird ja etwas sichtbar, was sonst eher verdeckt bleibt.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Neulich im Internet, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Barmherzigkeit, Corona, Glaube, Jesus, Karfreitag, Kirche, Kreuz, Kreuzigung, Ostern33 Kommentare zu Plage, Sünde und das Kreuz: Wie Gott handelt

Sakrament? Was soll das sein?

Veröffentlicht am 2. April 20201. April 2020
Corona hat uns kirchlich tief verunsichert Als die Messe noch eine Messe war: Sankt Ludwig, München

Ein Trend in der Krise: Die „Messe ohne Volk“. Eine Brücke, ein Ersatz für die Messfeiern, die im Augenblick nicht stattfinden. Corona hat uns kirchlich tief verunsichert, auch was unser Selbstverständnis angeht. Kann es eine Messe ohne Volk überhaupt geben? Ist die nicht auch von der Communio aller Glaubenden getragen? Oder schon Retrokatholizismus? Wie debattieren wir Alternativen?

Corona hat uns kirchlich tief verunsichert

Dass wir in einer Krise sind, ist nicht neu, das debattieren wir seit Jahren. Dass es wenn es konkret wird aber ausgerechnet am Thema Sakramente ausbuchstabiert wird, hat dann doch einige überrascht. Und so wird die Frage nach der Messe deswegen auch gerne in alten Mustern analysiert.

Mir zeigen sich da aber jenseits der Konzils-Debatten und der Forderung, sich den staatlichen Vorgaben nicht zu unterwerfen, noch eine andere Dimension: Wir haben ein Sakraments-Problem.

Das Konzilsdokument „Lumen Gentium“ (Nr. 11) wird dann hervorgezogen und daraus – meistens verkürzend – der Satz zitiert: „In der Teilnahme am eucharistischen Opfer, der Quelle und dem Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens, bringen sie das göttliche Opferlamm Gott dar und sich selbst mit ihm“. Die Rede ist von den Gläubigen, die „priesterliche Gemeinschaft“ der Kirche.

Sakrament, was soll das sein?

Nun stellen wir erstaunt bis entsetzt fest, dass wir nicht wissen, was das genau heißt.

Johannes Paul II. konnte in seiner Enzyklika zum Thema noch vertrauensvoll schreiben „Die Kirche lebt von der Eucharistie“. Das sind die Anfangsworte von Ecclesia de Eucharistia von 2003. Aber stimmt das denn noch? Wissen wir, was das ist, so ein Sakrament, erweitert gefragt?

Wenn die Rede zum Beispiel auf die Eucharistie fällt, dann begegnet mir in Gesprächen eher eine große Verunsicherung. „Messe“ als Wort geht, aber wichtiger sind Predigt, Musik, Atmosphäre, Gemeinschaft und so weiter. Und das nicht aus Bosheit, sondern wie ich meine auch aus Verunsicherung. Dass Eucharistie wichtig ist, das erleben wir ja gerade sehr deutlich. Nur können wir uns nicht sagen, was das denn sein soll.

Theologen-Sprech

Ein Ausweg ist der Theologen-Sprech. Ich bin sehr für eine präzise wissenschaftliche Sprache, auch in der Theologie, und die darf sich auch gerne mal den Nicht-Fachleuten entziehen. Aber wenn sie sich im Kreis dreht und das, was sie zeigen will, schon als Voraussetzung einbaut, dann hört es auf, sinnvoll zu sein. Das gibt es leider immer wieder.

Und woran liegt das? Wie ist uns das abhanden gekommen?

Fangen wir an einer anderen Stelle an: In Rom habe ich jahrelang erlebt, wie die Bischofsweihe Amt und Rang verwechselt. Da bekamen und bekommen Männer das Sakrament der Weihe nicht zur Leitung eines Bistums, sondern als Rang. Weil sie Abteilungsleiter werden, und noch dazu die absurde Hinzufügung „Erzbischof“, als ob das außerhalb einer Metropolie Sinn hätte. Und gleichzeitig wird uns von gleicher Stelle die Wichtigkeit und Zentralität von Sakramenten für das kirchliche Leben verkündet.

Inkonsequente Kirche

Das ist nur ein einziges Beispiel, aber damit will ich ausdrücken, dass es wir selber sind, die Kirche, die zu der großen Verunklarung beigetragen haben. Dazu gehören auch die Traditions-Debatten, die immer wieder passieren, Handkommunion und außerordentliche Form des Ritus (vulgo: tridentinischer Ritus), oder auch die Kommunion für konfessionsverbindende Ehen oder die Interkommunion.

Aber dieses Mal ist das gar nicht das Zentrum der Debatte, sondern wirklich die Verunsicherung, was das ist, so ein Sakrament. Und das kirchliche Verhalten ganz oben macht es nicht einfacher.

Nun schauen wir auf die Bildschirme, entweder professionell gemacht über die Messübertragungen im TV oder die eher handgestrickten Internet-Übertragungen, dafür aber vom vertrauten Ort und Priester, und fragen uns, wie wichtig das eigentlich ist. Und was das eigentlich ist.

Was ist das eigentlich?

Vielleicht war es ja mal an der Zeit. Nicht die Feier eines Gedächtnisses, nicht dass wir zusammen kommen um den Altar steht in Frage, sondern der Charakter. Darüber müssen wir uns wieder unterhalten lernen. Und zwar so, dass wir uns selber und andere uns ernst nehmen können. So, dass verständlich wird was wir meinen.

Das Wiederholen das früher Gesagten reicht nicht aus. Und wenn uns das neue Reden über Sakrament und Sakramente gelingt, dann ist die Debatte alleine ja schon wieder das, was das Konzil von der Eucharistie sagt: Quelle kirchlichen Lebens.

 

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Stärke und Schwäche in der Krise

Veröffentlicht am 28. März 202027. März 2020
Ein leerer Petersplatz Der Papst beim Urbi et Orbi (a) VaticanNews

Ein leerer Petersplatz. Nieselregen. Langsam geht eine in weiß gekleidete Gestalt die Rampe herauf zu seinem Sessel. Keine Sicherheit um ihn herum, keine jubelnden Menschen, einige wenige Menschen sind hinter dem Gitter hinten am Platz, aber um ihn herum nur Leere.

Normalerweise ist der Papst hier von tausenden von Menschen umgeben, der Platz ist eine einzige Inszenierung. Die Inszenierung der Macht, die Ästhetisierung von Autorität und Überlegenheit. Oder seit Johannes Paul II. der Ort liturgischer Großgebete, der Weg des Papamobils, des Jubels, das Epizentrum des modernen Papsttums.

Ein leerer Petersplatz

Nichts davon an diesem Freitag. Papst Franziskus steht alleine im Nieselregen vor einer Ikone, dann vor einem Kreuz. Es ist die Corona-Krise, ein Tag an dem in Italien alleine 1.000 Menschen gestorben sind. Und der Ort der Inszenierung der Macht wird zur Offenbarung der Ohnmacht. Zu keinem Zeitpunkt seines Pontifikats war Papst Franziskus so sichtbar schwach und irgendwie auch stark. 

Er spricht von der Schwäche, die wir in diesen Momenten erfahren. Vom Kreuz und der Nähe Gottes. Aber es ist nicht das, was er sagt, was diesen Moment so besonders gemacht hat. Es ist das Gebet danach. Die Anrufung. „Öffne uns für deine Hoffnung, o Herr!“.

Beten

Alle Debatten die wir derzeit führen sind symbolisch ebenfalls vom Petersplatz vertrieben. Dort gab es nur Gebet und Anrufung. Vor Gott treten, um Segen bitten.

Papst Franziskus hat wieder einmal gezeigt, wie heute und in einem solchen Moment Religion geht. Wo Gott ist. Was Christinnen und Christen tun. Alle Fragen sind wichtig und werden sich auch weiterhin stellen, ich habe sie hier ja auch gestellt. Aber erste einmal ist das die Hinwendung zu Gott. In aller Schwäche, die wir gerade erfahren.

 

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Leere Kirchen, öffentlicher Glaube: Wie soll das gehen?

Veröffentlicht am 24. März 202024. März 2020
Zeit der Reflexion Die Messfeier hängt in der Luft ...

Die Bundeskanzlerin hatte uns vergessen. In ihrer vielkommentierten Ansprache zur Verantwortung aller in Zeiten von Corona kamen Kirchen und Glauben nicht vor. Was wiederum auch bemerkt wurde. Wir sind nicht mehr selbstverständlich Teil von allem. Auch das Verbot von Gottesdiensten – da wurden Kirchen berücksichtigt – ist ohne vorherige Absprachen abgelaufen. Auch hier: wir sind nicht mehr selbstverständlich Teil von allem. Es ist Zeit der Reflexion, die Umstände tragen sie uns auf.

Zeit der Reflexion

Wir erleben gerade so etwas wie eine „Entkirchlichung auf Probe“. All das, was uns die Religionssoziologen voraus sagen, das haben wir gerade in einer Art Stresstest vor Augen. Leere Kirchen, die Frage nach der Wichtigkeit von Eucharistie, die Frage nach tragenden Formen des Glaubens über das Traditionelle hinaus. Denn das gibt es ja gerade nicht.

Da gilt es sensibel auf all da zu achten, was sich jetzt zeigt. Zugegeben, die Sorgen gehen in eine andere Richtung, und das auch zu recht, aber der erzwungene Stillstand der normalen gesellschaftlichen Vorgänge gibt uns neue Denkräume. Nutzen wir sie.

Einige Reflexionen, wie ich sie sehe:

Erstens: Glaube ist öffentlich

Es ist das Offensichtlichste: keine Messe in den Kirchen. Die theologische Debatte um die „private“ Messen und um liturgische Theologie, wie sie im Augenblick stattfindet, weist darauf hin, was da alles auf dem Spiel steht. Kurz: Einige Liturgen halten die virtuell-öffentliche Feier von „privaten“, also nur vom Priester gefeierten, Messen für einen Schritt hinter das Konzil. Die Messe sei nicht das Eigentum des Priesters, Träger sei die Gemeinschaft der Gläubigen.

Die Gegenmeinung: „virtuell“ ist noch nicht die Glaswand, welche Klerus von Glaubenden trennt, hier entstehe eine neue Form, die noch genau betrachtet werden muss. Außerdem sei das nicht die Normalsituation.

Normal ist das nicht

Dahinter vermute ich die Frage, wo genau eigentlich die Gefahr liegt. Die Warnung davor, aus der Messe eine Frömmigkeitsübung des Priesters zu machen, halte ich für richtig. Nur trifft sie meine ich nicht in diesem Fall. Gleichzeitig ist ‚virtuell‘ eben nicht dasselbe wie ‚real‘. Die Gefahr eines zurück hinter das Konzil ist eine ständige Sorge, und nicht zu unrecht. Aber die wirkliche Gefahr liegt woanders: was bleibt überhaupt übrig von der Messe, wenn es sie mal für einige Wochen nicht gibt?

Glaube will öffentlich und gemeinsam gelebt werden. Wenn das nicht so wäre, dann würde uns die Corona-Krise ja auch gar nicht als Christinnen und Christen treffen. Das Zurückdrängen ins Private erleben wir gerade nicht als Versuchung unter dem Anschein einer angeblichen Moderne, sondern als Gefahr für den Kern des Christlichen: das Öffentliche.

Zweitens: Glaube lässt sich nicht einfach auf neue Formen übertragen

Die Frage nach der Messe weitet sich, wenn wir überhaupt auf Rituale und Formen des gelebten Christlichen schauen: In meinem vergangenen Post hier hatte ich ja einige Formen gelebten Glaubens erwähnt und wer sich durchs Netz klickt, wird noch viele mehr finden. Nur dürfen wir nicht übersehen, dass der Ersatz einer Form – etwa der Versammlung durch eine Internet-Übertragung – etwas bewirkt. Das ist nicht neutral.

Das ist so wie alle Entwicklungen: da gibt es Konstruktives, was mit unserem Leben heute mehr oder besser in Kommunikation steht. Und da gibt es Destruktives, was tragende Formen und Strukturen in Trümmer legt. Es braucht feine Antennen, das eine zu pflegen und das andere nicht stark werden zu lassen.

Drittens: Glaube ist Heimat

Ein belastetes Wort, zugegeben. Aber all das Reden über den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ seit den 90er Jahren hat uns ja gezeigt, dass wir eben nicht nur homo oeconomicus sind, sondern auch emotionale Wesen. Die eine Heimat haben, oder sogar ‚Heimaten‘, wenn mir dieser merkwürdige Plural erlaubt ist.

Das ist mehr als nur Gewohnheit. Da liegen Selbstverständlichkeiten, die uns prägen, die zu uns gehören, die eben auch unseren Glauben grundieren. Und wenn das weg bricht wie im Augenblick, dann ist da ein emotionaler Schaden. Den dürfen wir nicht klein reden.

Das sind auch nicht nur einige meistens ältere Menschen, die sich den angeblich modernen Zeiten nicht anpassen können. Wenn wir aufmerksam in uns hinein horchen, dann gibt es das auch bei uns. Und wenn nicht, halte ich das für ein wichtiges Signal: hier ist etwas weg.

Zeit der Reflexion: Work in progress

Natürlich ist es noch viel zu früh, jetzt irgendwie Schlüsse zu ziehen. Aber über unsere Blickrichtungen können wir uns schon unterhalten. Die Debatten im Augenblick sind gut. Sie sind anders als das, was uns die Zukunfts-Kenner prophezeit haben, allein das schon ist bemerkenswert. Auch die zentralen Problemfelder sind andere: Messfeier, Virtualität vs. Realität, Zugehörigkeit und Heimat.

Die Krise zwingt uns Zeit auf, Zeit die wir vielleicht sonst gar nicht hätten. Nutzen wir sie auch dafür, genau hin zu schauen und für die Zukunft zu lernen.

 

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Von Elchen, dem Zeitgeist und der Moderne

Veröffentlicht am 12. März 202011. März 2020
Zeitgeist: Das ist schlimm Kirche und Moderne: Passt das nun oder nicht? Bild: der Dom zu Essen

Ein Gespenst geht um. Ein Geist. Ein Zeitgeist. Wer sich in kirchlichen Debatten umtut, dem wird er immer wieder begegnen. Und zwar als etwas Negatives. Zeitgeist: Das ist schlimm. In den meisten Fallen aber ist die analytische Tiefe des Begriffs gleich Null. Es ist ein Dummy, der für alles steht, was einem nicht passt. Ein Etikett von dem man meint, jeder wisse schon, was das sei. Und so spielt man sich den Ball der „Gefahr des Zeistgeistes“ zu ohne begründen zu müssen, was das denn eigentlich genau sei.

Als etwas Negatives dient der Begriff in den innerkirchlichen Debatten dabei vor allem als Begründung der Warnung. Der Besorgnis. Der Anzeige eines Missstandes. Die Einigkeit der Warner liegt dabei aber – wegen der Inhaltsleere des Begriffs – eher im Duktus des Warnens selber denn in der Beschreibung einer konkreten Gefahr.

Zeitgeist: Das ist schlimm

Gewiss, es fehlt nicht an Hinweisen auf vermeintliche Missstände. Aber das sind genau das: Hinweise. Keine Begründungen, keine Analysen, keine Abwägungen. Man zeigt mit dem Finger, fragt dann aber nicht nach.

Dieser Zeitgeist hat in Glaubensfragen eine semantische Partnerschaft, und zwar mit dem Wort „Anpassung“. Glaube und Kirche dürften sich nicht an diesen Zeitgeist anpassen, denn dann würden sie sich verlieren. Als – exegetisch unhinterfragter – Überbau dient das biblische Sprechen von „Welt“. Die Warnungen Jesu und die des Paulus werden parallel gesetzt mit dem Warnen vor dem Zeitgeist.

Ohne denken, ohne Fragen

Was aber ist es denn, das den Glauben und die Kirche auf Abwege geraten lässt? Das „katholische“ verlieren lässt? Auf die Liste würde ich zum Beispiel die Anpassung an die Nationalismen setzen. Und ganz besonders auch die Integralismen, also die Formen von Selbstbestimmung durch Abgrenzung und Ablehnung, welche ihre jeweilige Weltsicht aus nur einer Quelle bezieht. Die nicht nachfragt.

Als Freund des gedruckten Buchstaben greife ich zum Lexikon für Theologie und Kirche. Dort lese ich: „Integralismus: Vor dem Hintergrund einer negativen Sicht der Welt, besonders der modernen Welt, lehnt der Integralismus das Bemühen, den christlichen Glauben mit dem Denken der jeweiligen Zeit zu verbinden, als Modernismus ab [und] sucht auch profane Lebensbereiche weitestmöglich kirchlicher Entscheidungsgewalt zu unterstellen (..).“

Die negative Sicht der modernen Welt

Das ist eine Haltung, die im Augenblick sehr modern ist, sehr viel Applaus bekommt, in kirchlichen Debatten laut warnt. Und selber dann den Zeitgeist heran führt, um sich selber einen Feind zu geben. Das ist eine Haltung, die das Katholische für sich reklamiert, um es eng zu machen. Das Pochen auf ewige Wahrheiten kann selber paradoxerweise sehr „zeitgeistig“ sein: „Das ist dem Katholizismus nicht fremd – wir tragen kirchlich jede Menge Zeitgeistiges mit uns, das bisweilen ganz unhistorisch als ewige Wahrheit verkauft wird“ (Prof. Julia Knop).

Somit wäre die Warnung vor der Moderne, vor dem Nachdenken und dem Fragen, vor der Suche nach der Verbindung der Botschaft Jesu mit der Moderne selber zeitgeistig. Um es mit F.W. Bernstein zu sagen: „Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche”.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Debatte, Integralismus, katholisch, Kirche, Moderne, synodaler Weg, Zeitgeist50 Kommentare zu Von Elchen, dem Zeitgeist und der Moderne

Moralisierend, vertuschend, übergriffig: kirchliches Sprechen

Veröffentlicht am 4. März 202023. Februar 2020
Sprache schafft Realität Sprechen ist kirchlicher Grundvollzug, sollte man denken. Der ist aber in einer Krise.

Sprache schafft Realität. Deshalb will Sprechen überlegt sein. Das gilt vor allem für glaubende Menschen, die den Auftrag haben, zu verkünden. Also zu sprechen. Nun ist aber gerade dieses Sprechen in der Krise, die Konflikte, Blasen, Phrasen und Weltfremdheiten kirchlichen Sprechens sind eines der ganz großen Probleme.

Zwei Journalisten haben sich dessen jetzt in einem Buch angenommen, das in diesen Tagen auf den Markt kommt, „Phrase unser”. Sie analysieren diese Krise und die Gründe dahinter, ordnen historisch ein, fragen nach. Und haben keine alles lösende Antwort, sondern dankenswerterweise sortieren sie „nur“, so dass die Sprechenden, und zwar alle, sich selber einen Weg durch das Dickicht suchen können.

Sprache schafft Realität

Das Buch ist dabei weniger ein appelatives Geschimpfe, das ja einfach wäre. Jeder findet zig sprachliche Unfälle, wo Kirche eben nicht mehr kommuniziert, nicht mehr spricht. Das Buch schaut genau hin, was kirchliche – evangelische wie katholische – Sprache tut und fragt nach dem warum.

Es geht Sprache, die nur noch im kirchlichen Innenraum verstanden wird, verfehlt den wichtigsten Auftrag von Kirche. Kirche hört hier auf, Kirche zu sein.

„Phrase unser”

Es geht aber auch um das Vertuschen von Hierarchie oder Aggression. Das einnehmende „wir“ und das Sprechen von „Augenhöhe“ müssten als Warnsignale verstanden werden. Es geht um das Vertuschende von kirchlicher Sprache. „In der Regel wird überall dort Augenhöhe betont, wo eben keine ist“.

Das sind natürlich vor allem erst einmal die Phrasen: „Abholen, Mitnehmen, Mitfühlen, Authentischsein und so weiter – das sind tyrannische Phrasen. Es wird dabei so eine Art Begriffs-Bingo gespielt.“ Aber dahinter liegt eben eine Sprache, die Streit vermeiden will und dadurch Unterschiede vertuscht.

Begriffs-Bingo

Auf der einen Seite wird von „gleich“ gesprochen, „Schwester und Brüder“. Auf der anderen Seite liegen dahinter klare Unterschiede, die man aber nur benennen kann, wenn man bereit ist, das Sprachspiel zu stören. Das reibungslose Miteinander wird gestört.

Diese Doppelbödigkeit der kirchlichen Sprache ist unehrlich, so die Autoren. Wenn man das dann nicht mehr offen ansprechen darf, ohne dass einem selbst ein Problem unterstellt wird, dann macht das aggressiv. Oder man geht einfach.

Sozialpädagogisierung kirchlicher Sprache

Es geht um das moralisierende Sprechen, um die Sozialpädagogisierung kirchlicher Sprache. Gerade letzteres finde ich ein starkes Kapitel: pädagogisierendes Sprechen ist verlockend, weil man – wie die Autoren betonen – wunderbar als übergeordnete Instanz auftreten kann, gutwillig, wissend was gut und besser ist.

Gerade das Katholische hat aber noch eine eigene Sprach-Welt, die liturgische. Die ist noch einmal eigen, weil hier Worte noch auf eine ganz anderen Weise Wirkung haben, in der Wandlung etwa oder der Lossprechung.

Sprechen in der Krise

Bedeutung entsteht in der Kommunikation. Und wenn das Sprechen in der Krise ist, dann verliert auch die sprechende Institution und verlieren auch die sprechenden Einzelnen ihre Glaubwüdigkeit. Dann gehen Menschen weg. Dann mag niemand mehr zuhören.

Was soll aber Sprache leisten? Mein Favorit: sie soll aufschlüsseln. Nicht vertuschen, sondern offen legen in unserer Welt: Gott, Sünde, Gnade. Gerade in der Krise der Kirche, gerade in der Krise kirchlichen Sprechens.

Um mit dem Psalmvers zu enden, der dem Buch voran steht: „Mein Mund soll Weisheit reden /  und was mein Herz sagt, soll verständig sein.“ (Ps 49)

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Jan Feddersen und Philipp Gessler: Phrase unser. Die blutleere Sprache der Kirche. Das Buch ist im Claudius Verlag erschienen.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Sprechen von GottSchlagwörter Buch, Glaube, Kirche, Kritik, Phrase, Sprache, Verkündigung23 Kommentare zu Moralisierend, vertuschend, übergriffig: kirchliches Sprechen

Gott spricht und Menschen erschrecken

Veröffentlicht am 18. Februar 202014. Februar 2020
Gottes Bote Petersplatz, Rom: Flüchtlinge aller Zeiten und ein Engel unter ihnen. Kunst von Timothy Paul Schmalz

Eine Statuen-Gruppe auf dem Petersplatz, ganz frisch dort errichtet. Ein Boot, und auf diesem Boot stehen Flüchtlinge. Ganz vorne etwa jemand, den wir sofort als vor Nazis fliehenden Juden identifizieren, dahinter alle Alter, Kontinente, und eine Vielzahl von Motiven von Flucht. Eng stehen sie zusammen. Und oben heraus ragen Engelsflügel. Der Engel begleitet die Fliehenden, Gottes Bote ist unter denen, die Not leiden.

Ob das jetzt Kunst ist oder nicht, lasse ich mal dahin gestellt. Was ich interessant fand war aber das zitieren des Engel-Motivs. Zwei nach oben gerichtete Flügel sind da eindeutig.

Gottes Bote: der Engel

Engel sind biblische Figuren. Neben Träumen und Propheten sind sie eine bevorzugte Weise, das Sprechen Gottes vorkommen zu lassen. Gott spricht.

Wir haben in unserer Kultur diesen Engeln eine Form gegeben. Meist androgyn erscheinende Männer mit Flügeln. Schön sollen sie ausschauen, auch wenn sie in der Form der Putti im Barock ästhetisch ins Lächerliche abgleiten. Unsere Kirchen sind voll von geflügelten Figuren.

Die Bibel – unsere einzige Quelle dazu – erzählt eine breitere Geschichte. Oft werden Engel nicht erkannt oder erst dann, wenn sie weg sind. Oder die Menschen erschrecken, fürchten sich vor Engeln. Oder Engel haben ein Schwert in der Hand, sind bei den Vernichtungsaufträgen Gottes wider die Feinde Israels dabei. Engel bringen eben nicht nur himmlischen Gesang, sondern auch Verderben.

Verderben und Erschrecken

Wichtig sind auch die Stellen, in denen der Engel ausdrücklich spricht, wunderbar etwa bei Sacharja. Engel sind Boten, Engel sind Erscheinungen, Engel sind immer im Himmel und doch agieren sie in der Welt, so die Erzählungen, bis zu Maria und zu Joseph und den Weisen und dann zu den Frauen am Grab, zu denen jeweils Engel sprechen.

Weswegen ich das hier so ausführlich mache: Wir haben uns ein Bild angewöhnt, eben das des schönen Jünglings mit Flügeln. Damit haben wir Engel irgendwie domestiziert. Ästhetisch harmlos gemacht.

Dabei gehört es zum Wesen der Engel, dass Menschen erst einmal erschrecken. Engel sind Boten, die Selbstverständlichkeiten zerbrechen. Die die Welt ändern. Die die Sicht der Dinge auflösen. Und darauf reagieren die biblischen Personen mit Erschrecken.

Gott spricht, unsere Sicht auf der Welt wird erschüttert

Das alles ging mir durch den Sinn, als ich neulich auf dem Petersplatz die Engel-Flügel entdeckte. Erschrecken gehört dazu, wenn Gott spricht, wenn Gottes Anwesenheit sichtbar oder hörbar oder sonstwie entdeckbar wird.

Die Domestizierung der Engel als Flügelgestalten nimmt davon etwas weg. Wir nehmen das Sprechen Gottes zu selbstverständlich, als ob es in unseren ästhetischen Kanon einzuordnen wäre. Aber das Erschrecken gehört dazu.

Mir scheint, diese Flügel wollen das Erschrecken irgendwie umgehen. Engel beruhigen irgendwie, dabei ist das genaue Gegenteil ihr biblischer Effekt. Sie stellen die Welt der Menschen, zu denen sie gesandt sind, auf den Kopf.

Das Sprechen Gottes

Das sollte uns etwas sagen über das Sprechen Gottes, wenn wir selber versuchen zu hören, was Gott uns sagen will. Das ist nicht ästhetisch gepflegt zu haben. Das hat mit Erschrecken zu tun.

„Angels Unawares“ heißt die Skulptur auf dem Petersplatz. Engel, ohne dass wir es merken. Gott schickt Boten eben auch dort, wo wir erschrecken, etwa in den Fliehenden dieser Welt. Man muss nur bereit sein, im eigenen Erschrecken darüber Gott auch wahr zu nehmen. Vielleicht ist die Skulptur auf dem Petersplatz deswegen doch besser, als ich im ersten Augenblick gedacht habe.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Bibel, Engel, Glaube, Religion9 Kommentare zu Gott spricht und Menschen erschrecken

Zölibatsdebatte? Interessiert mich nicht. Gedanken zu einer schiefen Debatte

Veröffentlicht am 13. Februar 202014. Februar 2020
Amazonien ist wieder auf den Titelseiten Geht es um die Menschen, die hier leben? Oder doch nur wieder um uns selbst? Hütte in einem indigenen Dorf im Amazonasgebiet

Amazonien ist wieder auf den Titelseiten. Aber ist es der brennende Urwald, wie vor acht Monaten? Oder die schreiende Ungerechtigkeit? Die Umweltzerstörung, damit wir hier billiges Fleisch auf dem Tisch haben? Nein, es ist fake. Wir tun so, als ob es um Amazonien ginge, in Wirklichkeit reden wir über unser Lieblingsthema: über uns selbst.

Ein wenig Zorn hat mich vorgestern und gestern gepackt, als ich die Berichterstattung über das jüngste Papstschreiben verfolgt habe. Zugegeben, das war künstlich gepuschtes Interesse, weil auch wir hier eine Reform-Debatte laufen haben, aber gemessen an den Problemen, die in dem Text angesprochen werden, war ich enttäuscht über die Debatte.

Amazonien ist wieder auf den Titelseiten

Die Kirche sei reformunfähig, tönt es nun. Wer auf ein Symbol des Aufbruchs und der Erneuerung gehofft habe, „muss dieser Kirche wohl enttäuscht den Rücken kehren”, meint Maria 2.0 via Facebook beitragen zu sollen.

Ja was haben wir denn erwartet? Dass unter dem Deckmantel Amazoniens unsere eigenen Probleme diskutiert werden? Dass Lösungen dort bittschön an unseren Erwartungen zu messen sei? „Alles, was die Kirche anzubieten hat, muss an jedem Ort der Welt auf eigene Art Fleisch und Blut annehmen“ (QA 6), schreibt der Papst. Das wurde wohl überlesen.

Auf eigene Art an jedem Ort der Welt

Zuerst hatte es nach der Bischofssynode ein Dokument gegeben, das Papst Franziskus jetzt ausdrücklich nicht ersetzt. Dort gibt es bereits einige Themen, an denen man arbeiten kann. Und nun legt der Papst mit seinen eigenen Gedanken nach.

Pfarrzentrum in Manaus, Amazonien: Eine kulturell eigene Kirche

Kardinal Michael Czerny SJ, einer der Macher hinter der Bischofssynode und auch hinter dem jetzt vorgestellten Dokument, fasst diese so zusammen: „Das Entscheidende ist der Ruf des Papstes zu einer Umkehr in der gängigen Denkweise über Reich und Arm, Entwicklung und Bewahrung, Verteidigung der kulturellen Wurzeln und Offenheit für den anderen. Franziskus spricht von vier großen Visionen: Ein Amazonasgebiet, in dem alle die Rechte der Armen und der Indigenen schützen. In dem der kulturelle Reichtum nicht verloren geht. Eine Bewahrung des ökologischen Lebensraums. Und viertens christliche Gemeinschaften, die den Glauben am Amazonas einheimisch machen – eine Kirche mit amazonischem Antlitz.“

Der Papst wolle Horizonte für den Weg angeben, anstatt spezielle Regelungen zu formulieren.

Horizonte, nicht Regeln

Wir haben schon vergessen, dass vor acht Monaten tagelang der brennende Amazonaswald auf den Titelseiten der Zeitungen war. Wir haben uns für gefühlte fünf Minuten Sorgen gemacht, jetzt interessiert sich keiner mehr dafür. Das ist kurzsichtig und schlimm. Der Wald wird immer noch zerstört, die Natur ausgebeutet, etwas mehr Nachhaltigkeit in unserem eigenen Denken darf uns schon zugetraut werden. Da versagt unsere mediale Berichterstattung und versagen auch unsere innerkirchlichen Reflexe.

Wenn man das genauer liest, finden sich interessante christliche Perspektiven. Zum Beispiel die Konkretisierung vielem, was der Papst schon früher betont hat: es gehört schlicht zum Christsein dazu, sich um Umwelt und Armut zu kümmern. Das hat mit Jesus Christus zu tun, da unterscheidet sich Kirche von anderen Organisationen (etwa QA 41).

Wir haben vergessen

Darf man sich damit kritisch auseinander setzen? Aber natürlich. Sollen wir sogar. Nehmen wir das, was Maria 2.0 kritisiert: das Sprechen über das „marianische Charisma der Frauen“. Das sei paternalistisch und damit herablassend, keine Würdigung der Frau und schon gar nicht die selbstbestimmte Teilhabe an Kirche. Diese Kritik kann ich ernst nehmen. Sie kommt aus Erfahrung und ist mehr als das reflexhafte Schauen auf den Zölibat, zu mehr hat es der überwiegende Teil der medialen Berichterstattung ja gar nicht geschafft.

Aber diese Kritik setzt nicht die Gedanken des Papstes außer Kraft. Neben meiner Tastatur liegt ein Buch mit dem Titel „Frauen machen Kirche“. Die dort schreibenden Autorinnen zeigen mir, dass ich zu diesem Thema lieber hören als etwas sagen sollte und zweitens, wie unterschiedlich die Erfahrungen und Perspektiven sind.

Aber genau darum geht es dem Papst ja auch, wenn ich den Text richtig lese.

Erfahrungen und Perspektiven

Der „John-Allen-Einwand“, wie ich ihn nenne, gilt auch hier: warum soll ich der Kirche ihre Aufforderungen zum Wandel glauben, wenn sie selbst sich nicht zu wandeln bereit ist. Aber genau das will doch der Papst. Es geht eben um neue Visionen, orientiert an Christus und seinem Erlösungshandeln. Nur geht es eben nicht um uns.

Was die Berichterstattung und Kommentierung dieses Papsttextes schafft, ist die Aufmerksamkeit wieder einmal von den Schwachen abzulenken, damit wir um uns selber kreisen können. Dabei ist das Entscheidende, was wir lernen können, eben dass wir lernen müssen, wie mir ein Amazonas-Bischof bei meinem Besuch dort vor einem Jahr ins Mikro sagte. Lernen: erst einmal nicht wissen und dann diesen Zustand ändern.

Selbstumkreisungen

Und was gibt es Neues für uns zu lernen aus diesem Schreiben? Eine Sache mag ich nennen: „Auf diese Weise können Zeugnisse einer für das Amazonasgebiet charakteristischen Heiligkeit entstehen, die keine Kopien von Modellen anderer Orte sind“ (QA 77). Kulturell-geographische Unterschiedlichkeit selbst bei einem theologischen Konzept wie Heiligkeit: Heiligkeit bedeutet für den Papst ja immer auch Christsein-Heute, sein Sprechen über die Peripherien der Gesellschaft und der Welt betonen das immer wieder.

Es gibt in der Kirche viele Stimmen, die behaupten, Heiligkeit sei aus Büchern und Dogmen und nur daraus ableitbar. Dem widerspricht der Papst – wieder einmal – laut und deutlich. Das ist einer der Horizonte, von denen Kardinal Czerny spricht, eine der Visionen.

Das starren auf unsere eigenen Themen lässt uns diese Horizonte verfehlen. Und noch etwas: „Man muss sich empören, so wie Mose zornig wurde (vgl. Ex 11,8), so wie Jesus zürnte (vgl. Mk 3,5), so wie Gott angesichts der Ungerechtigkeit in Zorn entbrannte (vgl. Am 2,4-8; 5,7-12; Ps 106,40). Es ist nicht gesund, wenn wir uns an das Böse gewöhnen, es tut uns nicht gut, wenn wir zulassen, dass unser soziales Gewissen betäubt wird“ (QA 15). Das Starren auf unsere eigenen Themen betäubt unser Gewissen.

Betäubtes Gewissen

Interessant finde ich auch den deutlichen Hinweis, dass wir über das Priesteramt neu sprechen müssen. Eigentlich genau das, was sich der synodale Weg der Kirche in Deutschland auch vorgenommen hat. Nicht nur auf einige wenige Fragen beschränkt, sondern grundsätzlich. Hier öffnet der Papst einen weiteren Horizont (QA 87). Dahinter steckt eine ganze Welt von Klerikalismus-Kritik und Lob von Basis-Gemeinden mit Leiterinnen und Leitern, deren Autorität nicht an der Weihe hängt.

Und was lernen wir noch? Für uns selbst, hier bei uns? Erstens müssen wir den synodalen Weg hier bei uns schaffen (oder so etwas einrichten, etwa in Österreich), wir dürfen das nicht über Bande spielen und hoffen, dass andere unsere Probleme für uns lösen.

Das wäre nur eine Variation des ansonsten immer wieder angelehnten Autoritätsarguments. Hier tappen wir in die gleiche Zentralismusfalle, die wir so lange kritisiert haben: eine mächtige Institution ist für alles zuständig. Man kann das Konzept von „Kultur“, wie es der Papst benutzt, kritisieren, wichtig ist ihm aber gerade die Unterschiedlichkeit.

Zentralismusfalle

Der Papst zitiert sich hier selber, und zwar Evangelii Gaudium (117): „Aus diesem Grund »verfügt das Christentum, wie wir in der Geschichte der Kirche sehen können, nicht über ein einziges kulturelles Modell«, und »es würde der Logik der Inkarnation nicht gerecht, an ein monokulturelles und eintöniges Christentum zu denken«.“ (QA 69).

Und zweitens: ich höre immer „Reform“. „Reform“Gruppen, „Reform“Debatte, Kirchenreform. An dieser Stelle sei noch einmal erinnert an den Unterschied zwischen Veränderung und Entwicklung: Papst Franziskus ist entschieden für das zweite. Und dazu gehört das, was in Evangelii Gaudium unschön mit „Neuausrichtung“ übersetzt ist, im Original aber „Bekehrung“ oder „Umkehr“ heißt. Den Armen der Welt schulden wir unsere Umkehr, sagte Johann Baptist Metz. Das ist mehr als eine Frage der Sprache. Es bedeutet, dass wir lernen, unsere eigene Perspektive in Frage stellen zu lassen.

Was uns angeht, das müssen wir bei uns lösen. Und einer Kirche helfen, ihr eigenes Antlitz, ihre eigene Kultur, ihre eigene Liturgie, ihre eigene Organisationsform zu finden. Das möchte ich aus dem jüngsten Papstschreiben mitnehmen. Die Engführung auf die Zölibatsdebatte ist da nur ärgerlich.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Amazonien, Inkulturation, Kirche, Papst Franziskus, Reform, synodaler Weg, Umwelt80 Kommentare zu Zölibatsdebatte? Interessiert mich nicht. Gedanken zu einer schiefen Debatte

Unterwegs-Sein, geistlich

Veröffentlicht am 31. Januar 2020
geistliche Reflexion der Arbeit der Synodalversammlung Auftakt-Messe der Vollversammlung in Frankfurt

„Für den Synodalen Weg gibt es eine Geistliche Begleiterin und einen Geistlichen Begleiter. Sie geben spirituelle Impulse und sorgen für eine geistliche Reflexion der Arbeit der Synodalversammlung.“ So nüchtern sagt es die Satzung für den synodalen Weg. Einer dieser beiden bin ich.

Und so sitze ich seit Donnerstag erst im Bartholomäusdom in Frankfurt und seit Freitag in der Aula des ehemaligen Dominikanerklosters, gemeinsam mit Maria Boxberg. Wir sollen diesen synodalen Weg geistlich begleiten.

Geistliche Reflexion der Arbeit der Synodalversammlung

Papst Franziskus spricht von einem gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes. Es geht um das Hinhören, um das Erkennen neuer Horizonte, um die Einwirkung des Heiligen Geistes. Dem auf die Spur zu kommen ist Teil des synodalen Weges.

Das ist die Aufgabe aller Mitglieder. Wir beiden sind hier dabei, um Hilfestellungen zu leisten, wie ein Sportlehrer am Barren. Wir beiden wollen Räume schaffen – zeitliche, innerliche – damit diese Dimension unseres Glaubens hier vorkommen kann. Unsere Hilfestellung will eine Weitung der Debatten.

Eine Weitung der Debatten

Wie genau das passieren wird, werden wir noch heraus finden. Wir überhaupt der gesamte synodale Weg muss sich auch geistliche Begleitung beim Tun erfinden. Es gibt Vorbilder, etwa bei kanonischen Synoden in Bistümern oder bei den Versammlungen der Bischofssynode in Rom, aber was wir hier machen muss sich noch finden.

Es gibt kein festes Muster, nach dem wir agieren. Das wir sozusagen auf die Versammlung drauf legen. Oder anders formuliert, wir reagieren auf das, was in den Debatten und unter den Mitgliedern passiert.

Schwerpunkte unseres Tuns

Aber es gibt natürlich Schwerpunkte. Das Hinhören und das Lernen etwa. Im Anderen, in den Anderen, und auch in mir auf die Stimme Gottes zu hören. Dazu braucht es neben Zeiten des Redens auch Zeiten der Stille, neben der Debatte auch das Gebet.

Wir beide sind nicht hier, weil wir dazu zuständig wären. Wir sind nicht die Delegierten fürs Fromme. Für die geistliche Dimension zuständig sind die Beteiligten, das möchte ich noch mal betonen.

Hören, Unterscheiden, Antworten

Es ist unser Anliegen, dass die Tage der Vollversammlung geistliche Elemente bekommen. Uns geht es dabei ums Hören, Unterscheiden, Antworten. Es geht um Kommunikationsfähigkeit – mit sich selbst, dem Anderen, mit Gott – um Konfliktfähigkeit, um Gemeinschaft in Verschiedenheit, um Anliegen und Überzeugungen. Um gemeinsames Beten. Um reifen Umgang miteinander. Um innere Freiheit. Um Mut und Zutrauen.

Und wie genau das passiert, das zeigt sich jetzt in diesen Tagen.

 

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Es muss nochmal gesagt werden

Veröffentlicht am 24. Januar 202024. Januar 2020
Ohne Beschränkungen und Ängste Ernst Grünwald: Wegweiser. Museum der Phantasie, Bernried, Starnberger See

„Ich rufe alle auf, großherzig und mutig die Anregungen dieses Dokuments aufzugreifen, ohne Beschränkungen und Ängste“: Das war der Appell des Papstes zu Beginn seines Schreibens Evangelii Gaudium vom Herbst 2013. Ohne Beschränkungen und Ängste: da kann ich gar nicht anders als an das anstehende Projekt des synodalen Weges denken. Das drängt sich sozusagen auf.

Für einen Vortrag habe ich das Schreiben des Papstes in den Weihnachtstagen noch einmal gelesen. Das ist immer noch sehr aktuell und bemerkenswert frisch, frischer vielleicht sogar als Ansprachen und Reden des Papstes jüngeren Datums. Da hat der damals neue Papst was vorgelegt, was immer noch gilt. Und das wir verstehen und nachvollziehen können.

Ohne Beschränkungen und Ängste

Es soll aber hier noch einmal um den synodalen Weg gehen. Ende kommender Woche – am 30. Januar – beginnt ja die erste Vollversammlung. Dazu könnte ich an dieser Stelle jede Menge Zitate aus Evangelii Gaudium anführen. In dem Papstschreiben steckt so einiges drin. Zum Beispiel bei der Zuordnung von Reform und Ziel der Reform:

„Die Reform der Strukturen, die für die pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinn verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden, dass die gewöhnliche Seelsorge in all ihren Bereichen expansiver und offener ist, dass sie die in der Seelsorge Tätigen in eine ständige Haltung des „Aufbruchs“ versetzt und so die positive Antwort all derer begünstigt, denen Jesus seine Freundschaft anbietet.” (EG 27)

Der ganze Streit darum, ob nun die Reformen oder die Verkündigung Sinn des synodalen Weges sein soll, wird damit hinfällig.

Reform der Strukturen

Oder seine immer und immer wieder vorkommenden Appelle, die Versuchungen in uns drin wahrzunehmen. Gerne karikiert der Papst Fehlformen des Christlichen, gerne auch in bunten Metaphern. Das ist aber nie eine Einladung, darin die Fehler der anderen zu erkennen. Man muss schon auf sich selber schauen, damit das wirksam wird.

Oder sein Verweis auf die Kernfrage bei allen anstehenden Reformen: Lösungen wird und kann es nur aus dem Glauben heraus geben. Funktionale Lösungen bringen nicht den gewünschten Erfolgt, sie machen die Struktur vielleicht effizienter und damit die Lösung auch notwendig, das Ganze ist aber nur ein Schritt, nicht die Lösung.

Und genau das ist es ja auch, was der Papst der deutschen Kirche in seinem Brief mitgegeben hat: die Betonung der Struktur, die Engführung von Reformdebatten auf Einzelentscheidungen, das ist irgendwie unser Umgang mit Problemen. Und der reicht eben nicht, die weltkirchliche Perspektive des synodalen Weges ist weniger im Verweis darauf zu suchen, dass einige Fragen nicht lokal zu lösen sind. Sie liegt eher darin, dass wir vielleicht davon lernen können und sollen, was woanders geschieht.

Lernen von den anderen

Ja, es gibt auch Einzelfragen, die bei uns debattiert werden, die aber in Evangelii Gaudium entschieden sind: „Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht, kann aber Anlass zu besonderen Konflikten geben, wenn die sakramentale Vollmacht zu sehr mit der Macht verwechselt wird” (EG 104). Da ist beides drin, sowohl die Antwort als auch die Notwendigkeit, über die Verwechslung zu sprechen.

Der mir im Augenblick wichtigste Punkt aber kreist um die Frage, wie mit Konflikten umzugehen ist. Denn von denen gibt es viele, berechtigte, mitunter zu scharf formulierte. „Der Konflikt darf nicht ignoriert oder beschönigt werden”, sagt der Papst. „Man muss sich ihm stellen. Aber wenn wir uns in ihn verstricken, verlieren wir die Perspektive, unsere Horizonte werden kleiner, und die Wirklichkeit selbst zerbröckelt. Wenn wir im Auf und Ab der Konflikte verharren, verlieren wir den Sinn für die tiefe Einheit der Wirklichkeit” (EG 226).

Der Konflikt darf nicht beschönigt werden

Der Papstbrief zum synodalen Weg zitiert genau diese Stelle aus Evangelii Gaudium. Dem Papst ist also wichtig, dass die streitlustige deutsche Kirche das auf die Agenda nimmt. Und im Brief fügt er an: „Die synodale Sichtweise hebt weder Gegensätze oder Verwirrungen auf, noch werden durch sie Konflikte den Beschlüssen eines “guten Konsenses” (…) untergeordnet”.

Und letztens darf auch nicht die Grundmelodie fehlen, die alles Denken und Sprechen von Papst Franziskus durchzieht und prägt: Die Aufforderung zur Bekehrung. Wer wirklich verändern will der kann das nur von Gott her tun, aus der Begegnung mit Jesus Christus. Und das heißt immer auch Bekehrung.

Und diese Begegnung hat dann eine Kraft, die wir selber nicht mehr kontrollieren können: „Der Sohn Gottes hat uns in seiner Inkarnation zur Revolution der zärtlichen Liebe eingeladen“ (EG 88). Hier liegt der Motor für all das, was der synodale Weg in der kommenden Woche anfangen möchte.

 

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